Es wird mal wieder Zeit für eine große Klage über den Zustand des Journalismus und die Arbeitsbedingungen der in ihm tätigen Menschen. Mit einem Mal kommt es von allen Seiten. Aus Amerika, aus England, aus Deutschland. Es ist wie die erste Geburtswehe, anderen Ende entweder eine Totgeburt steht – oder ein neues Leben.
In dieser Woche finden sich quer durch die Medien allerlei Berichte darüber, wie die Zukunft der Zeitung aussehen könnte. Nehmen wir nur ein mal den Newsroom des Axel Springer Verlags. Mit viel Tammtamm eröffnet, reichlich besprochen in den Blättern des Verlags. Allein: Wer möchte dort arbeiten? Ich will jetzt nicht sagen „Wir haben den läng…, äh, schöneren“ – aber mal ehrlich: Wenn ich die graue Dienstwüste im Hause Springer vergleiche mit unserem Newsroom, weiß ich, was mir besser gefällt. Und die abstruse Anforderung, am Abend die Tische freizuräumen – das funktioniert vielleicht bei Unternehmensberatern, aber doch nicht bei Journalisten. Nicht zu vergessen: Das Fehlen von Grünpflanzen wird bei einer Reihe von Mitarbeitern zu Problemen mit den Nasenschleimhäuten und den Augen führen, obwohl Luftmessungen keine Überschreitung von Grenzwerten anzeigen – so ist das fast immer in Großraumbüros.
Doch nicht nur das Ambiente ist ja fraglich. Ein Newsroom ist die richtige Art und Weise eine Zeitung zu produzieren. Er wird aber auch gesehen als Einstieg in die multimediale Berichterstattung. Und hier liegt natürlich ein Problem: „Wie soll ich denn das alles schaffen?“, fragen sich Kollegen, die sich vor Podcast-Mikros und Videocast-Kameras sehen, bevor auch nur der erste Rechercheanruf getätigt wurde. Andere dagegen wollen erst gar nicht fürs Internet schreiben.
In den USA gibt es bereits erste Lautäußerungen contra dieser neuen Welt. Im Editors Weblog (gefunden beim PR-Blogger) heißt es, bei der „Washington Post“ ist ein Streit darüber ausgebrochen, ob Redakteure für das Bloggen zusätzlich entlohnt werden sollen. Bei der „Financial Times“ ist man sauer, dass es künftig 7-Uhr-Frühschichten gibt. Beim „Daily Telegraph“ zittert man vor dem Medientraining. Und die „Vanity Fair“ zitiert einen „New York Times“-Mitarbeiter mit Rändern unter den Augen, der erklärt: „Das Internet zwingt alle mehr zu machen und mehr ohne zusätzliche Bezahlung.“
Das klingt nach weinerlichen, überforderten Weicheiern. Doch der Newsroom bei Springer ist für mich ein weiterer Beweis des grundlegenden Strukturproblems in Zeitungshäusern: Lange Jahre haben sie gut verdient, haben sich dann am Internet die Finger verbrannt und taumeln nun ziellos umher.
Natürlich ist der multimedial arbeitende Journalist die Zukunft. Dafür ist für jeden einzelnen Schreiber eine Neuorganisation seiner Arbeitsabläufe notwendig. Zwischenstände der Recherche müssen für das Internet freigegeben werden, die Zeit für ein 2-Minuten-Podcast-Interview muss freigeräumt werden. Nur: Die Verlage stellen eben nicht die Voraussetzungen für solch eine neue Arbeitsweise bereit. Es gibt keine Schulungen, die technische Ausstattung ist teilweise desaströs. Natürlich denkt niemand an Producer, die dem Redakteur das Mikrofon vor die Nase halten und den Beitrag anschließend schneiden. Gleichzeitig wird auch in anderen Bereichen der Infrastruktur gespart: Reisekostenabrechnungen werden Beleg für Beleg selbst eingegeben, Briefe selbst geschrieben, Belegexemplare von Redakteuren eingetütet.
Dabei ist Journalismus schon heute kein Beruf mehr für Tarifarbeitszeitfanatiker. Wer stempeln will, sollte sich eine andere Branche suchen, wie auch eine neue Studie aus England zeigt.
Die Verlage werden sich entscheiden müssen: Entweder sie investieren in die journalistische Infrastruktur, oder sie werden ihre Qualität nicht mehr halten können. Wenn aber derzeit deutsche Zeitungshäuser von Multimedia-Reportern reden, dann ist das ungefähr so wie der Fiat-Panda-Fahrer, der erklärt, er würde die Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft gewinnen: Kann klappen – wenn alle anderen ausfallen.
Nachtrag: Ein sehr lesenswertes Stück zu diesem Thema auch im „Atlantic“:
„And because most newspapers (and their dot-coms) have so far been too proud to integrate the work of other publications, the smartest blogs can provide deeper and wider-ranging news experiences than any individual newspaper does. John Vinocur writes a great weekly column for the International Herald Tribune, but anyone who cares about Europe can tap hundreds of other sources in a matter of minutes.
Meanwhile, top reporters and columnists at major newspapers are realizing (or will realize soon) that their fates are not necessarily tied to those of their employers. As portals and search engines and blogs increasingly allow readers to consume media without context or much branding, writers like Thomas Friedman will increasingly wonder what is the benefit of working for a newspaper?especially when the newspaper is burying his article behind a subscriber wall. It will require only a slight shift in the economic model for the Friedmans of the world to realize that they don?t need the newspapers they work for; that they can go off and blog on their own, or form United Artists?like cooperatives to financially support their independent efforts.“
(Gefunden in der Buzzmachine)
Keine Kommentare vorhanden