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Im Ruhrgebiet ist knistert es. Online, zumindest. Die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ kündigt Großes an – und ihr ehemaliger Chefredakteur Uwe Knüpfer will ihr mit dem eigenen Projekt Onruhr zuvorkommen. Kress online meldet (wie immer nur gegen Abo) heute:

„In den Startlöchern steht Ex-„WAZ“-Chefredakteur Uwe Knüpfer mit seinem Online-Zeitungsprojekt „OnRuhr“. Offizielle Premiere ist am 17. November. Bis dahin sind Knüpfer und seine 12-köpfige Mannschaft keineswegs untätig. Derzeit erstellt das kleine Team eine tägliche zweiseitige Test-Ausgabe. In den verbleibenden knapp 30 Tagen soll der Umfang der kostenlosen Ruhrgebiets-Tageszeitung im PDF-Format nach und nach erweitert werden. „Wir wollen bis zum Start so viele Nullnummern wie möglich produzieren“, sagt Knüpfer zu kress.de. Neben aktuellen Infos aus allen Teilen des Ruhrgebiets will Knüpfer seinen Leser auch lokale Nachrichten aus ihrer Stadt anbieten. Los geht’s in der Ruhrmetropole Essen, in der auch die „OnRuhr“-Mannschaft ihre Zelte aufgeschlagen hat. Spätestens Ende 2007 soll „OnRuhr“ das komplette Ruhrgebiet mit Lokalinfos versorgen. Nicht alle Lokalredaktionen will Knüpfer selbst aufbauen, geplant ist ein Franchise-System.“

Nun könnte man Onruhr einfach abtun als Totgeburt. Denn nach bisherigen Informationen, soll das Ding nur einmal am Tag aktualisiert werden, was ungefähr so sehr dem Medium entspricht wie die Anschaffung eines Zobel-Mantels in der Sahara.

Allerdings ist Knüpfer im Ruhrgebiet, das zwar so groß und menschenreich scheint, aber oft genug die filzigen Strukturen eines Dorfes hat, kein Unbekannter. Kürzlich weilte ich zum Hintergrundgespräch bei jemand, der Knüpfer gut kennt und mich prompt darauf ansprach. Als ich meine Bedenken aussprach, wollte mein Gegenüber sie nicht hören. Offensichtlich glaubt man in Knüpfers Umfeld, dass dieser ein großes Ding drehen wird – und auch dem geplanten „WAZ“-Portal West Eins das Wasser abgräbt.

Doch das, was derzeit bei Onruhr zu finden ist, darf wohl eher als Anti-Werbung verstanden werden. „Experten beraten Mittelstand zum Thema Demografie“ lautet die heutige Schlagzeile. Das kann nur als Sedativum für den Leser gedacht sein. Und Meldungen eines Portals, das den örtlichen Fluss im Namen trägt, sollten vielleicht nicht aus Beirut, Hawaii, Israel und Afghanistan kommen, sondern eher aus Dortmund, Erkenschwick, Hamborn und Rüttenscheid. Oder glaubt Onruhr, bessere Weltnachrichten liefern zu können, als Spiegel Online & Co.?

Dazu kommen Mängel im journalistischen Handwerk. „Meinung“ steht unten auf der Seite über einem Artikel von Knüpfer selbst. Es dreht sich um einen Bonbonladen – in Danzig. Und wo Knüpfer seine Meinung versteckt hat, darf geraten werden. Ein Kommentar, wie der Rubrikentitel suggeriert, ist dies auf jeden Fall nicht.

Vielleicht kommen die Lokalnachrichten erst, wenn Franchise-Nehmer gefunden sind. Nun wird mit dem Franchise-Begriff oft Falsches verbunden, deshalb bin ich mir nicht sicher, ob Knüpfer das ernst meint. Tut er es aber, bedeutet das: Wer Lokalschreiber werden will, muss in finanzielle Vorleistung gehen. Dafür bekommt er einen Grundstock, vielleicht Software und Schulung. Dann schreibt er und wird an den Einnahmen, also der Werbung beteiligt. Funktioniert es – und ich glaube, es könnte theoretisch durchaus zum netten Nebenerwerb mit ein paar hundert Euro im Monat reichen – prima. Die Gefahr ist aber groß, dass Onruhr mangels Besuchermasse kaum Online-Werbung verkauft.

Vielleicht aber schreibe ich diese Zeilen völlig umsonst – und am 17. November wird ein großartiges Lokalinformationssystem enthüllt. Nur: Warum dann diese grottig schlechte Testphase?


Kommentare


Matahari 7. Januar 2007 um 23:41

Danke für diesen Artikel – er spricht mir aus der Seele. Ich \“mache\“ seit vielen Jahren Zeitung (Print und Online) und habe mich sehr intensiv mit dem onruhr-Portal beschäftigt. Da sich Zeitungen – egal ob online oder print nunmal vornehmlich über Werbeeinnahmen finanzieren, stellte sich mir sofort die Frage: Wie soll man ein diese pdf-Internetzeitung dem potentiellen Werbekunden schmackhaft machen? Auch wenn der Name \“Knüpfer\“ dahinter steht???
Derjenige, der es schafft, hier Anzeigen zu verkaufen, kann auch Pelzmäntel in der Wüste verscherbeln – den würde ich gern einstellen;-)
Der Fisch stinkt vom Kopfe oder Produkte, die die Welt nicht braucht…
Die Idee einer lokalen Online-Zeitung finde ich grundsätzlich gut und sogar verkaufbar. Aber wenn die Umsetzung sich so darstellt…. Hilfe!!!!
Allein der unter \“Marktplatz\“ zu findende Kleinanzeigenteil zeigt, dass die \“Macher\“ von \“onruhr\“ hier schon gar keinen Check haben. Peinlich!
Seit dem Start am 17. November gibt es zwar mehr Content, aber was nutzt es, wenn ich diesen nicht schon auf der ersten Seite serviert bekommme? Und zwar in der Form eines Teasers. Header, Bildchen, kurzer Text, und wenn ich mehr Info will, klicke ich auf \“Hintergrund\“. Dann \“funzt\“ das auch. Aber so??? Jede Zeitschrift präsentiert auf dem Titel die Highlights, um den potentiellen Käufer/Leser zu locken, das Heft zu kaufen. Und was macht \“onruhr\“? Da gibt es links eine Leiste mit Themen und Ressorts und man muss sich da \“durcharbeiten\“, um vielleicht festzustellen: \“Super, jetzt habe ich hier eine halbe Stunde geguckt und vielleicht nix gefunden, dass mich interessiert. Ich muss doch eine Übersicht über den gesamten aktuellen Content auf der ersten Seite haben!?
Herr Knüpfer sollte sich mal die Seiten von HL-live zu Gemüte führen – eine Lübecker online-zeitung, die diesen Namen auch verdient.

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Matahari 8. Januar 2007 um 0:35

Ach ja, ich vergaß, zu erwähnen, dass ich am 30. Dezember bei \“onruhr\“ unter Terminen/Veranstaltungen geschaut habe, was man wohl kurzfristig an Silvester noch unternehmen könnte. Meine Enttäuschung war immens – es waren nur Termine für den 30.12. verfügbar – und auch nur wenige. Schade, am 30.12. wollte ich einfach nur vor dem Kamin sitzen und über \“onruhr\“ nachdenken…., aber der 31.12. hätte mich wirklich interessiert…

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