Als Journalist bekommt man viele – vie zu viele – Pressemitteilungen auf den Tisch. Aber wieviele zu viele? Hier eine nicht repräsentative Zählung aus meinem Postfach. Ich war ja noch etwas schuldig. Vor einiger Zeit hatte ich versprochen mal durchzuzählen, wie hoch der Anteil an interessanten Pressemitteilungen unter alle den E-Mails und Briefen ist, die bei mir landen.
Hier also das Ergebnis…
Es war eine sehr, sehr ruhige Woche mit nur 137 Pressemitteilungen. Das ist nur ein Fünftel dessen, was in belebteren Zeiten eintrifft.
Von diesen 137 Mails und Briefen waren:
– 24 Prozent bei mir richtig
– 30 Prozenten aus Bereichen für die ich irgendwann mal zuständig war
– 46 Prozent aus Feldern, für die ich nie zuständig war und größtenteils hoffentlich nie zuständig sein werde
– 24,8 Prozent der Pressemitteilungen waren für mich beruflich interessant (dabei allerdings mehr als die Hälfte aus dem Umfeld der Football-Liga NFL Europe, über die ich ja ein wenig schreibe)
– 5,2 Prozent waren beruflich uninteressant, haben mich aber privat interessiert
– 70 Prozent waren absolut für mich nicht zu gebrauchen.
Kommentare
la deutsche vita 2. Juni 2006 um 8:36
Was können wir daraus schließen? Entweder sind die meisten Pressesprecher verkappte Spammer, die sich nicht darum scheren, wer ihre Pressemitteilungen bekommt, oder – was mir plausibler erscheint – die meisten Redaktionen stellen zu wenig Information über ihre Journalisten bereit, so dass die Versendung von Pressemitteilungen immer ein halber Blindflug ist, bei dem hilfsweise auf 1) alte Presseverteiler, 2) Auswertung früherer Berichte zum Thema und 3) Zufall zurückgegriffen wird. Man versuche doch mal über die Webseite einer beliebigen Tageszeitung Informationen über die Namen, E-mails und Schwerpunktthemen der Journalisten zu bekommen. Da ist nichts. Bleiben zwei Möglichkeiten. Entweder man schickt die Pressemitteilung an die allgemeine Redaktionsadresse und hofft auf eine perfekt informierte interne Weiterleitung … oder der beschriebene Blindflug. Oft werden beide Strategien auch noch kombiniert.
Tom Schaffer 2. Juni 2006 um 10:16
ich kenn beide seiten bei der pm-kommunikation. und natürlich bekommt man viel uninteressanten mist, andererseits ist es zumindest in der branche in der ich zur zeit aktiv bin, tatsächlich ein problem überhaupt brauchbare e-mail-adressen von redaktionen zu bekommen. dann auch noch die richtige zu erwischen, ist eher glückssache.
sebastian 2. Juni 2006 um 10:33
Man kann das auch anders sehen: Rund ein Drittel der Pressemitteilungen war bei Ihnen richtig. Das ist doch eigentlich beachtlich!
Nicola 2. Juni 2006 um 12:21
Einen Verteiler nicht anständig zu erstellen und zu pflegen ist aus meiner sich nicht nur schlampig, sondern schlicht unprofessionell. Klar, es macht arbeit und erfordert sogar das ein oder andere Telefonat um EMail-Adressen und Ansprechpartner zu bestätigen. Aber warum soll man Journalisten mit Mitteilung zumüllen, die sie definitiv niemals verabeiten? Ich will doch auch nicht ständig irgendeinen Mist screenen müssen, der dann doch in die Tonne geht.
hANNES wURST 2. Juni 2006 um 15:28
Dann mussten Sie ja diese Woche 8,15424 Pressemitteilungen für Ihren Job verarbeiten, was meine Vermutung bestätigt dass Journalismus und Gymnasialpädagogik einem langfristigen Vorruhestand am nächsten kommen.
Aber zu mehr als ein bis zwei Pressemitteilung am Tag haben Sie ja auch kaum Zeit, wenn Sie parallel noch neun Blog-Postings erstellen müssen. (Ganz schön anstrengend!)
Thomas Knüwer 2. Juni 2006 um 15:50
Glücklicherweise ist das Journalistenleben doch abwechslungsreicher. Dass eine Pressemitteilung interessant war, bedeutet nicht, dass sie bei uns im Blatt landete. Von diesen Mitteilungen habe ich keine einzige für das Handelsblatt direkt verwendet.
Ansonsten übrigens recherchieren wir Journalisten auch ohne Pressemitteilung Geschichten. Oder wir planen Seiten, kurbeln Artikel anderer Autoren an und redigieren diese. Und das Bloggen nimmt nur einen sehr geringen Teil meiner Arbeitszeit in Anspruch…
Andreas Skowronek 5. Juni 2006 um 18:22
Also wenn das Handelsblatt nun auch noch Schulungen für Presse- und Öffentlichkeitsarbeiter anböte, hätte ich für die Sorgen und Nöte des Th. Knüwer ja vollstes Verständnis.
Aber bestimmt will er uns mitteilen, dass er viel zu viel Zeit für das Lesen von fehlgeleiteten Pressemitteilungen aufbringen muss, die an anderer Stelle fehlt.
Tja, das ist wohl das Berufsschicksal namens \“Information-Overkill\“. In den Büros klagen die Beschäftigten über E-Mail-Spam.
Was also ist so besonders an dem Problem von Herrn Knüwer?
Andreas Bitterer 5. Juni 2006 um 22:18
Nicht nur als Journalist, sondern auch als Analyst (für IT, in meinem Fall) bekommt man zuviele Pressemitteilungen. Das Verhältnis von \“richtig bei mir\“ und PR Müll ist allerdings etwas krasser, da höchstens 5-10% tatsächlich für mich relevant sind. Der Rest geht schnurstracks in die Tonne, aber natürlich nicht ohne den Versender vorher auf die Blacklist zu setzen. Wer sich nicht die Mühe macht, rauszufinden was mich interessiert, darf nicht erwarten, daß ich mir die Mühe mache, die Emails zu lesen.
Andreas Skowronek 6. Juni 2006 um 9:26
@ Andreas Bitterer
\“nicht ohne den Versender vorher auf die Blacklist zu setzen\“
Was irgendwann dazu führen dürfte, dass überhaupt keine Pressemitteilung zu Ihnen durchdringt 😮
Ist das eine unserem Berufsstand angemessene Verfahrensweise?
Schönen Gruß
Andreas Skowronek
Journalist
Thomas Knüwer 6. Juni 2006 um 9:31
@Andreas Skowronek: Was das Besondere an meinem Problem ist? Ich antworte mit Ally McBeal: Es ist meins. Dieses Weblog hier ist ein subjektives. Und ich ärgere mich auch weiterhin über ungepflege Presseverteiler, denn die stehlen und Medienvertreter nicht nur die Zeit – sie kosten die Kunden der Berufskommunikatoren auch Geld.
Andreas Skowronek 6. Juni 2006 um 12:45
Na, seien Sie doch nicht so herzlos und verraten den Kollegen PR-ArbeiterInnen das Zauberwort, das mit \“Z\“beginnt und mit \“l\“ endet.
Ich trau mich nicht – hinterher heißt es noch, ich würde hier Produktplacement (vulgo: Schleichwerbung) machen.
Hare 6. Juni 2006 um 15:53
Na, wer auf den Zimpel baut… Scheint mir keine so gute Idee.
Anreas Bitterer 10. Juni 2006 um 22:45
@ Andreas Skowronek
Die Gefahr, daß überhaupt keine PR mehr zu mir durchdringt, besteht nicht. Erstens, weil jeden Tag neue PR Agenturen wie Pilze aus dem Boden schießen, und zweitens, weil ich ja nicht PR grundsätzlich lösche und auf die \“Liste\“ setze.
Ob das \“Ihrem\“ Berufsstand angemessen ist, weiß ich nicht, ich bin ja kein Journalist. Für mich ist das jedenfalls (angemessene) Selbstverteidigung.