Wenn ein Top-Manager verrät, dass in seinen Kreisen die Seriosität einer Zeitung angezweifelt wird, dann hat diese ein echtes Imageproblem. So wie gerade die „New York Times“. „Die Entscheider“ sind kein neuer Krimi, sondern die am heftigsten umworbene Zielgruppe von Werbern. Denn die Entscheider haben Geld und Macht. Und deshalb dürfen Zeitungen und Zeitschriften, die unter ihren Lesern einen hohen Anteil solcher Entscheider vorweisen können auch einen Aufschlag beim Anzeigenpreis verlangen.
Die Entscheider, also, sind für das Wohlergehen eines Blattes von entscheidender Bedeutung. Das Problem ist, dass häufig schwer auszumachen ist, was diese Zielgruppe so denkt. Denn der Top-Manager an sich ist nicht per Straßenbefragung zu analysieren und auch sonst ist der Marktforschung gegenüber wenig offen – time is cash.
Da kann es nichts schlimmeres geben, als wenn ein Entscheider öffentlich über ein Medium herzieht, ja sogar berichtet, dass Qualitätsmängel dieses Blattes auf dem Golfplatz besprochen werden.
Donald Trump macht genau dies in seinem Weblog: Er schießt die „New York Times“ an. Und zwar richtig:
„I think anyone who has lost a son, a daughter, or a loved one in the war in Iraq should sue The New York Times for Judith Miller’s false reporting about the so-called „weapons of mass destruction“ as a premise for that war. It’s one thing to get a bad review, it’s another to lose more than 2,000 lives because of false or inaccurate reporting. Imagine having the Judith Millers of the world working for you and getting away with things that are inconceivable to a journalist. We have to draw the line somewhere, and that’s where I draw the line. All the news that’s fit to print seems to have evolved into „whatever we decide to print is the news, whether it is correct or not!“
This past weekend I was playing golf with a friend who was irate with The New York Times. His investment portfolio has never been lower. His stock in the company is at the lowest it has been in ten years, and he can only blame the behavior at the so-called „paper of record“ for this plunge.
In addition, the current mess with Judith Miller has made me wonder what is going on there. What kind of reporting is The New York Times doing? Who are they really working for? Can we afford to believe anything they print? Do they have a conscience? Do they know that power includes responsibility? Do they even know what they are doing?
I think The New York Times has some big-time cleaning up to do, but I wonder if it’s too late.“
Trotz Trumps umstrittenem Ruf: In der PR-Abteilung der „Times“ wird mit Sicherheit heute die Klimaanlage auf vollen Touren laufen – um den Angstschweißgeruch zu überdecken.
(Wer nicht in der Affaire Judith Miller drin ist, findet hier Hintergründe.)
Kommentare
nobiz 14. November 2005 um 19:28
Von einem Journalisten auf das ganze Blatt zu schließen wäre mir eine ziemlich gewagte Verallgemeinerung. Wenn sie vorher gute Arbeit geleistet hat ist es doch verständlich das sie bei der NYT gelandet ist, aber das will wohl niemand mehr wissen. Der Rest von Trumps Zitat ist reine Verbreitung von Unsicherheit (FUD) und ich frage mich eher: „Who is he really working for? Can I afford to believe anything he prints?“
Ulrich Tekniepe 15. November 2005 um 11:47
Es war die politische Strategie Bushs zu unterstellen und zu verbreiten, der Irak verfügte über Massenvernichtungswaffen. Die Amerikaner haben inzwischen gemerkt, dass dies Lügen waren. Jetzt zeigt der geistige Komplize (Trump) des Diebs (Bush, Cheney, Rove, Libby et al.) auf den „nützlichen Idioten“ (Judith Miller, NYT) und schreit dazu „Haltet den Dieb“. Um seine Position gegenüber der NYT zu untermauern, lässt Trump auch noch einen Verlierer jemandem (der NYT) die Schuld für seine Verluste geben. Schon mal jemand gesehen, der für den Wert seines Portfolios nicht selber verantwortlich wäre?
Sie erzählen also nichts Neues. Die NYT ist das Blatt der „Linken“ und „Liberalen“, wie sie in den USA heißen. Und dass die anderen, die „Rechten“, jede Schwäche nutzen, ist klar und hat keinen Neuigkeitswert. Umgekehrt ist es so, dass Vanity Fair die Rückkehr der zeitweise auf Bush-Kurs eingeschwenkten TV-Journalisten zum Tatsachen-orientierten Journalismus bejubelt („Flooding the Spin Zone“ by Wolcott, Nov 2005).
Also, was soll’s?