Wenn die Etats hinfort gespült werden, wie Sonnensegel bei der Sturmflut, ist voller Einsatz gefordert. Von jedem. Und auch in der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt.
Lars schwitzt. Nicht nur wegen des schwarzen T-Shirts, dass die Hitze anzieht. Auch weil gleich sein Auftritt kommt. Wäre der Chef jetzt hier gewesen, an seiner Seite, und nicht 20 Meter weiter oben – er hätte ihn erwürgt. Ihm eine reingesemmelt, dass es jeder gehört hätte der Tausenden um ihn herum. Aber der Chef ist ja oben. Und wartet. Auf Lars Auftritt – oder darauf, ihn und seine geliebte Julia unter Personalabbaumaßnahme zu verbuchen. Die Sau.
„Verzweifelte Zeiten erfordern verzweifelte Maßnahmen hatte er gesagt“, als er Lars vor zwei Wochen in sein Büro holte. Jetzt sei auch noch das Touristikunternehmen abgesprungen, für das die kleine PR-Agentur am Rande der Stadt am 1. Mai demonstrieren ging. Die Etats werden knapp.
Und deshalb habe er einen Probevertrag abgeschlossen mit einem amerikanischen Unternehmen. „Ganz große Nummer in seiner Branche. Entertainment. Las Vegas und so. Wollen jetzt mehr Online-Geschäft aus Deutschland haben. Aber sie verlangen was spektakuläres, was nicht viel kostet. Haben sich halt mit einer anderen PR-Aktion den Etat implodiert.“
Ernst schaute er Lars an, machte eine bedeutungsschwangere Pause. „Lars, ich brauche Dich.“
Dann hat er erklärt. Und Lars hat geschwiegen. Aus Schock. „Nein… also… ehrlich….“, Lars holte tief Luft um das herauszustoßen, was man dem Chef nie sagen durfte: „Kann ich nicht.“
Ruckartig wandte sich der Chef ab, ging zum Fenster – und machte ihm klar, dass er können wollen muss: „Du weißt, dass es uns nicht gut geht. Die Umsätze sinken, die Kosten bleiben gleich. Wenn wir den neuen Kunden nicht kriegen, muss ich sparen. Zwei Seniors können wir uns dann nicht mehr leisten. Und Praktikanten auch nicht.“
Lars durchfuhr es eiskalt. Er wäre seinen Job los. Und Julia ihr Praktikum. „HARTZ IV, HARTZ IV, HARTZ IV“, pumpte es durch seinen Kopf, seine Kehle verengte sich. „Chrzcherz“ kam es räuspernd aus seinem Mund. „Na gut, ich mache es!“ Für Julia und mich, dachte er.
Deshalb also steht er jetzt hier, in dem schwarzen T-Shirt mit dem Aufdruck des Probe-Kunden und wartet.
Ein paar Meter vor ihm läuft Michael Ballack, dahinter Ronaldinho, der Superstar. Lars schaut auf sein Handy, wie so oft. Wenn es klingelt, wird es so weit sein. Sein Auftritt.
Langsam rollt der Ball Richtung Seitenlinie, Einwurf Brasilien. Das Handy klingelt.
Oben lehnt sich der Chef zufrieden zurück. Mission gelungen. „Und jetzt wollen wir doch mal schauen, ob nicht eine Studentin ihre Ausbildung mit einer besonderen Maßnahme finanzieren will. In den USA hatte der Kunde schließlich auch riesige Medienresonanz auf seine Aktion“, sagt er zu sich selbst.
Montag wird er mit Julia reden. Verzweifelte Zeiten verlangen eben verzweifelte Maßnahmen.
Weitere Abenteuer der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt:
Kurz vor Mitternacht
Koffeein-Schock
Mai-Ausflug
Frühlingsgefühle
Wahlkampf
Marcelinho
Arbeitsverweigerungskampf
High-Society
Kommentare
Schoussi 1. Juli 2005 um 18:58
Aha! Laut N24 ist Lars also Spanier?
(„Der 27 Jahre alte spanische Störenfried, der am Samstag…“)
Und was die Knieverletzung angeht, da kann ihn Julia ja jetzt gesund pflegen; wenn sie nicht gerade ihr Praktikum „finanzieren“ muss 😉
(„Die Behörden leiteten gegen den spanischen Spielfeldläufer, der bei seinem Störmanöver eine Knieverletzung erlitt, Ermittlungen wegen Hausfriedensbruchs ein.“)
Thomas Knüwer 1. Juli 2005 um 19:53
Lars Mutter war Spanierien, deshalb das Missverständnis 😉
Gerold Braun 2. Juli 2005 um 10:45
Lars hat mich überrascht. ich hatte gedeacht, die Julia, die hat er einfach Mal so „mitgenommen“, dieser Yuppi. Und jetzt sehe ich, dass sie eine Rolle in seiner Zukunft spielt. So kann man sich in einem Menschen täuschen. Aber der Chef, das ist so ein richtiger Fiesling, pfui.
Das Kind braucht einen Namen, Herr Knüwer. Ich meine das neue Genre „Fortsetzungsroman in einem Blog“. Wie wär’s mit Blogonovela 😉
Thomas Mrazek 2. Juli 2005 um 14:21
Gratulation, erneute Nominierung für das Tor des Monats. (-;
stefanolix 4. Juli 2005 um 10:25
Wenn etwas fortgespült wird, ist das ortsbezogen. Das Wort „hinfort“ ist IMHO zeitbezogen („von jetzt an“) und so war es sicher nicht gemeint(?)
Björn Eichstädt 4. Juli 2005 um 10:40
Schade, dass es bislang noch keinen Kommentar zu den PR-Ansätzen von goldenpalace.com (Fußballflitzer, Papstautoersteigern, Namen von Babies ersteigern etc.) gibt. Ich bin mir da selber nicht sicher: Ist das alles Quatsch oder haben die als erste das Internet und Großveranstaltungen als Kommunikationskanal begriffen . . . ?!?!
stefanolix 4. Juli 2005 um 10:52
Den Einsatz der Fußballflitzer und die Ersteigerung des ehemaligen Autos eines Kardinals, der später zum Papst gewählt wurde, kann man ja noch als unterhaltsam bezeichnen. Das Unternehmen hat aber jetzt für 10.000 US-Dollar einer jungen Mutter die Marke goldenpalace.com dauerhaft auf die Stirn tätowieren lassen. Damit hört der Spaß (meiner Meinung nach) auf.
Björn Eichstädt 4. Juli 2005 um 11:36
> stefanolix. Ja, toll finde ich das auch nicht, genauso wenig wie das Ersteigern des Vornamens eines Babys, das jetzt tatsächlich mit Vornamen Goldenpalacedotcom heisst. Andererseits: Ist das nicht das elementare Gesetz von Angebot und Nachfrage? Irgendein Irrer bietet seine Stirn als Werbefläche an und eine auch etwas seltsame Firme kauft die Werbefläche eben höchstbietend…. Ist das eine ethische Frage oder ein Vertrag zwischen zwei Parteien, die beide im Einvernehmen handeln. Das genau ist die Frage . . .
stefanolix 4. Juli 2005 um 12:44
Der Raucher und der Tabakkonzern handeln auch im gegenseitigen Einvernehmen. Trotzdem wissen beide, dass das Rauchen große Schäden anrichten kann. Nachdem diese Schäden immer offensichtlicher wurden, haben „Tabakopfer“ und der Staat die Tabakkonzerne auf Milliardenbeträge verklagt. Meiner Meinung nach sollte auch im Falle der Tätowierung eine Klage eingereicht werden, die dann zu einer sehr hohen Geldstrafe führen sollte. Falls es Komplikationen gibt, dann sollte die Klage von der betroffenen Frau eingereicht werden. Eigentlich sollte aber der Staat an dieser Stelle Grenzen ziehen.
BrandonMarlo 4. Juli 2005 um 14:52
Zu den Namensrechten: da die USA ja bekanntlich völlig wahllos Schutzrechte aussprechen und wieder zurücknehmen, war es vorhersehbar, daß ein Kind kein schützenswerter Gegenstand ist (im Gegensatz zu Microsoft). Von daher biete ich jetzt 5?, wenn ich ein amerikanisches Kind dann Guantanamo nennen darf.
Ringfahndung Blog 12. Januar 2006 um 16:08
… oder eine Mitarbeiterin des Backend-Dienstleisters von opodo liest dieses Blog. Allerdings hat sie, sie oder er nennt sich Manuela, noch nichts vom Fall Jamba oder ähnlichen gehört. Nach dem Motto: Wenn die Etats hinfort gespült werden, wie Sonnens…