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Mathias Döpfner wird es sicher erfreuen, wenn man einen Artikel über ihn mit einer lateinischen Redewendung eröffnet. Also:

Quod erat demonstrandum.

Seit Jahren schreibe ich hier über den Axel Springer-CEO und -Mitbesitzer und das sehr kritisch. Trotzdem ist die Anhimmelung von Seiten der journalistisch-medialen Gemeinde kaum gesunken, nur wenige Unabhängige wie Übermedien oder Medieninsider beschäftigten sich mit all dem Fragwürdigen rund um Döpfner.

Manchmal wird es gar naiv. „Wir verändern den Laden von innen“, erklärte mir eine zu Springer wechselnde Person aus dem Journalismus vor weniger als einem Jahr. Andere behaupten, von der Vorstandsetage unabhängig zu sein. Ja, ich habe auch gelacht.

Der heutige Tag bringt vielleicht eine Änderung, er könnte sogar den Sturz Döpfners einleiten. Denn „Die Zeit“ zitiert „interne Dokumente aus dem Springer-Haus, die die ZEIT einsehen konnte“. Und die enthalten von Döpfner verfasste Nachrichten, die ein düsteres Bild von ihm zeichnen. Hier einige Zitate:

„Die ossis sind entweder Kommunisten oder faschisten. Dazwischen tun sie es nicht. Eklig.“

„free west, fuck the intolerant muslims und all das andere Gesochs“

„Umweltpolitik – ich bin sehr für den Klimawandel. Zivilisationsphasen der Wärme waren immer erfolgreicher als solche der Kälte. Wir sollten den Klimawandel nicht bekämpfen, sondern uns darauf einstellen.“

An Julian Reichelt schreib er: „Persönlich und was unsere gemeinsame Weltsicht betrifft fühle ich mich Dir nach wie vor sehr verbunden.“

Über Angela Merkel: „Das Land hat jeden Kompass verloren. Und M den Verstand. Sie ist ein sargnagel der Demokratie. Bald hat die afd die absolute Mehrheit.“

Und zu Reichelt über Merkel: „Deinenen Kommentar unterschriebe ich in jeden Satz mit Blut. Ich fürchte den Mainstream trefft ihr nicht. Zu viele sind begeistert. So emotional. So bodenständig. So ehrlich. So toll. Sie wird dafür gefeiert. Gerade weil sie wie immer nichts gesagt hat. Es ist zum heulen.“

„Corona ist eine Grippe gefährlich für alte und kranke“… „Das ganze ist so surreal. Kollektiver Verstandes Verlust. Der Coup der Gefühligkeit. Das absolute scheitern der Eliten. Es ist ein Endpunkt.“

Später: „Das ist das Ende der Marktwirtschaft. Und der Anfang von 33.“

„Vielleicht sollte man aus der ehemaligen ddr eine Agrar und Produktions Zone mit Einheitslohn machen.“

„Mein Vorschlag. Friedensnobelpreis für Trump. Und ibama wieder wegnehmen.“

Man muss das auch mal so geballt lesen, um die ganze Schrecklichkeit zu erkennen. (Und die brutale Unfähigkeit eines hochrangigen Managers und angeblichen Journalisten, die deutsche Schriftsprache ansatzweise unfallfrei zu verwenden.)

Überraschend ist all das aber nur für jene, die sich noch nie mit Döpfner beschäftigt haben. Denn tatsächlich sind all diese Ausfälle nur der im Glas landende Cocktail aus einer Mixtur gefährlicher Komponenten.

Zutat 1: mangelndes Fachwissen

Vor 17 Jahren wunderte ich mich das erste Mal über Döpfner hier im Blog. Damals outete er sich als Anhänger des Rieplschen Gesetzes nach dem kein Medium ein anderes ersetzt hat. Das war schon zu Zeiten Riepls falsch, erweist sich aber auch ansonsten nach ein paar Minuten Nachdenken als Unfug.

So ging es munter weiter. Mal behauptete er, in den Verlagen gingen tausende Arbeitsplätze verloren, wenn Menschen nicht für iPhone-Apps zahlten, dann sollte „jeder Verleger der Welt… sich einmal am Tag hinsetzen, um zu beten und Steve Jobs dafür zu danken, dass er die Verlagsbranche rettet.“ – mit dem iPad. Das wirtschaftliche Geschäftsmodell für Journalismus? „Nicht gefährtdet.“ Nicht weniger  falsch: „Internet-Konzerne predigen die Umsonst-Kultur“.

Rechtliche Grundlagen waren auch nie sein Ding. So behauptete er:

„Jeder kann einen Artikel, ein Video, ein journalistisches Element, das ein Verlag erstellt hat, nehmen, kann es kopieren, kann es in einen anderen Kontext stellen und selbst erfolgreich vermarkten.“

Und er imaginierte „viele Aggregatoren“, die Nachrichtenmeldungen einfach gesammelt wieder veröffentlichen würden. Welche? Es gibt sie einfach nicht.

Man kann mit Fug und Recht sagen: Was Döpfner fachlich von sich gibt, ist häufig falsch. Das was er prognostiziert, ist es immer. Oder präziser formuliert: Die Welt tut immer das Gegenteil von dem, was Döpfner glaubt, dass sie tut. Und das nicht nur im medialen Raum. So war er sich laut „Zeit“ sicher, wer CDU-Kanzlerkandidat wird – Markus Söder:

„Er wird es. Aber es wird noch viel schlimmer für Deutschland. Es ist ein ständiges downgrading. Schröder. Merkel. Söder. Das sind Leute die hätten früher nicht mal ne Sparkasse führen dürfen. Ich Wander aus.“

Lange Zeit dachte ich auch, dass es sich hier um bewusste Lügen handelt, um Ziele wie das Leistungsschutzrecht zu erreichen. Inzwischen glaube ich das nicht mehr. Döpfner weiß es wirklich nicht besser, er ist mit seiner Position intellektuell überfordert.

Zutat 2: interner Unfug

Wenn Döpfner über das eigene Haus spricht, wird es nicht besser. So behauptete er mal, dass sämtliche Artikel zuerst online erschienen. Dann erfreute er sich am Erfolg einen kostenpflichtigen Fußballmanager-Spiels der „Bild“ – das kurze Zeit später eingestellt wurde. Die „Welt kompakt“ verklärte er mit donnernden Worten zur ganz neuen Tageszeitung für das Internet-Zeitalter.

Und bei Friede Springers 80. malte er den wirtschaftlichen Zustand des Axel Springer-Konzerns in leuchtenden Farben. Eine Milliarde Euro mehr Umsatz als zwei Jahre zuvor würde das Unternehmen erzielen, es sei das größte Zweijahres-Wachstum in der Geschichte Springers, 2021 habe der Gewinn bei rund 750 Millionen gelegen. Zwei Wochen später verkündete der Konzern massive Sparrunden, einen Neueinstellungs-Stop, das Aus für Gehaltserhöhungen und eine maximale Verlängerung befristeter Verträge um 6 Monate.

Zutat 3: Faktenunsicherheit

Ein Mathias Döpfner muss sich nicht um Details scheren. Wie unwichtig sie ihm sind, zeigte sich bei Podien und in Interviews. 

Anlässlich der Münchener Medientage 2010 schilderte Döpfner eine Szene aus „Winnetou 3“. Darin habe der weise Indianer beim Anblick einer Eisenbahn seinem Kumpel Old Shatterhand gesagt: „Nur wer sich dem Fortschritt nicht verweigert, wird überleben.“ Diesen Satz gibt es weder in den Büchern noch in den Filmen.

Dann behauptete er in einem Interview mit der „NZZ“:

„Mozart wurde verarmt vor der Stadt verscharrt, weil jeder seine Musik nutzen durfte, ohne zu zahlen. Unserer heutigen Hochkultur haben wir es zu verdanken, dass blinde und halb taube Genies wie Stevie Wonder ein Auskommen haben und sich auf ihre Kunst konzentrieren können, anstatt auf Marktplätzen zu betteln und im Blindenheim zu verkommen.“

Der Komponist ist aber nicht verarmt gestorben und seine Beerdigung entsprach der damaligen Norm. Er hat einfach sein Geld verprasst, davon hatte er aber ordentlich.

Später erfindet er mit dem Nordkurier eine Neusser Zeitung, die mit diesem Namen nicht existiert.

Gabor Steingart & Matthias Döpfner

Noch im Auftrag des „Handelsblatt“: Gabor Steingart zeigt seine ganze Kritikwilligkeit gegenüber Mathias Döpfner.

Zutat 4: Kein Widerspruch

Widerspruch bekam Döpfner praktisch keinen. Interviews waren ein Wattebauschwurfwettbewerb, intern musste er ohnehin keine Kritik fürchten.

Die Qualität einer Führungskraft zeigt sich darin, wieviel Kritiker sie um sich schart und wie viel berechtigten Gegenwind sie zulässt. Doch von anderen Meinungen hört man – nichts. Auch „Die Zeit“ erwähnt nicht, dass Menschen versucht haben, den Axel Springer-Chef einzubremsen.

Die Folge ist eine Filterblasenbildung. In den 14 Jahren, in denen ich mit kpunktnull Führungskräfte berate, sind mir solche Entwicklungen mehrfach untergekommen – Springer ist damit nicht allein. Selten aber führen umfilterblaste Führungssituationen zu guten Entscheidungen. Häufig aber zu einer sich immer stärker von der Realität verabschiedenden Weltsicht der Entscheider.

Mathias Döpfner wirkt wie ein Astronaut, der in seiner Kapsel langsam aus der Erdumlaufbahn driftet, während in voller Lautstärke „Major Tom“ in den Helm dröhnt. Und in der Bodenstation sagt jemand: „Don’t tell him, sonst wird er sauer.“

Das Ergebnis:

Das Ergebnis: Verschwörungstheorien

Würde man das Auftauchen der einzelnen Zutaten im Zeitverlauf aufmalen, so würden die ersten rund um 2010 verstärkt auftauchen, die Nummer drei verstärkt Anfang der 10er Jahre und der mangelnde Widerspruch würde sich durchziehen, obwohl er ja angesichts der steigenden Zahl merkwürdiger Aussagen steigen müsste.

2017 hat sich etwas verändert. Zum ersten Mal verbreitet Mathias Döpfner eine fremdenfeindliche Verschwörungstheorie. Im Neusser Freibad sei die Bockwurst abgeschafft worden, weil sie Schweinefleisch enthalte. Das stimmt nicht, es wollten nur immer weniger Menschen Bockwurst haben. Springer-Sprecherin Edda Fels montierte daraufhin gleich eine neue islamophobe Theorie, in dem sie eine steigende Zahl von Muslimen mit dem Bockwurst-Aus in Beziehung setzte.

Die Fake News waren Teil einer apokalyptischen Rede Döpfners beim Zeitungskongress und als Präsident des Verlegerverbandes BDZV, die an die Untergangsvisionen Rechtsextremer erinnerte. So sei Terror in Europa seit 16 Jahre „alltäglich“, die Abschaffung der Bockwurst Teil einer Unterwerfung vor der wachsenden Zahl von Muslimen. Der BDZV hat den Artikel zur Rede inzwischen von seiner Seite gelöscht, wer sie lesen möchte, bitte hier entlang.

Mit dieser Rede begann das Sinken in den Sumpf. So normalisierte er Donald Trump mit der Denkweise, die man von Verschwörungstheoretikern kennt:

„Wenn Donald Trump nur noch als Clown dargestellt wird, dann denken sich die Menschen: Ganz so clownesk kann er wohl nicht sein. Und wenn die Journalisten ihn so geschlossen in die Tonne treten, gibt es vielleicht gute Gründe, das schon mal aus Prinzip anders zu sehen.“

Die Bundesrepublik mutierte für ihn dann zur neuen DDR. Julian Reichelt „ist halt wirklich der letzte und einzige Journalist in Deutschland der noch mutig gegen dan neuen DDR Obrigkeitsstaat aufbegehrt. Fast alle anderen sind zu Propaganda Assistenten geworden.“

Als nächstes schwurbelte er über düstere Hintermänner, die Axel Springer Böses wollen.

All dies ist ein steter Absturz, wie wir ihn von Menschen kennen, die sich im wilden Dschungel Fake News getriebener Verschwörungsglauben verwirren.

Nun wissen wir: Döpfner ist auf der Seite der „Pandemie-Skeptiker“, begrüßt den Klimawandel, glaubte, dass Angela Merkel für Russland spionierte, will Trump den Friedens-Nobelpreis geben und ihn Barrack Obama aberkennen.

Hinzu kommt seine Nähe zu Gegnern der Demokratie wie Digital-Investor Peter Thiel, für den „Freiheit und Demokratie nicht mehr vereinbar“ sind. Diese Nähe hat auch eine familiäre Komponente: Döpfners Sohn Moritz war zumindest zeitweilig „Chief of Staff“ von Thiel.

Cui bono?

Es kann kein Zufall sein, dass „Die Zeit“ diese Informationen gerade jetzt erhielt. Und so sehr ich Döpfner gerade Verschwörungsglauben vorwarf, so scheint es eine reale Verschwörung gegen ihn zu geben.

Denn sein Name wird sehr bald noch sehr viel intensiver diskutiert werden. In genau einer Woche erscheint „Noch wach?“, der neue Roman von Benjamin von Stuckrad-Barre, nach allem, was wir wissen ein Schlüsselroman zur Affäre Reichelt.

Zufall?

Und überhaupt: Wer hat Interesse, dass diese Informationen ans Licht kommen?

Vielleicht handelt es sich um Dokumente aus den Verfahren gegen Julian Reichelt. Oder hat Reichelt selbst gar? Oder vielleicht Großinvestor KKR? Der soll, behaupten Menschen, die nah an Springer sind, inzwischen wenig glücklich mit seinem Deal sein, weil er kaum Einflussmöglichkeiten hat und erst jetzt feststellt, wes Geistes Kind der CEO ist.

Sicher dürfte sein: Das Verschwörungsdenken wird in Döpfners Kopf jetzt noch stärker werden.

Ebenso sicher: In jedem normalen Unternehmen wäre jetzt Schluss für den Vorstandsvorsitzenden. Doch Verlage sind nun mal systemisch schlecht geführt und schon beim BDZV zeigte sich, dass für Döpfner so etwas wie „Rücktritt aus Anstand“ keine Option ist.

Inzwischen hat Döpfner auf den „Zeit“-Artikel auch reagiert, schreibt Medieninsider. Im Intranet soll er sich gerechtfertigt haben. Darunter findet sich auch diese Passage:

„Für jedes veröffentlichte Wort lasse ich mich in die Verantwortung nehmen.“

Er lässt sich in Verantwortung nehmen. Klar. Denn ein Mathias Döpfner würde von sich aus niemals etwas wie Verantwortung für das übernehmen, was er von sich gibt.


Kommentare


Anderer Max 14. April 2023 um 8:29

Ich glaube ja, dass das Ernstnehmen dieser Leute das eigentliche Problem ist. Dadurch, dass jetzt 100 Artikel über Mathias Döpfner erscheinen, gibt man diesem Typen wieder Relevanz, die er eigentlich gar nicht hat. Ähnlich AfD … Hätte man auch einfach weiter als rechtes Gepöbel abtun können, aber nein, wir mussten die ja auf einmal ernst nehmen, als die über 10% (im Osten) hatten. Dadurch wurden deren menschenfeindliche Standpunkte auf einmal salonfähig. Sind jetzt bei 16% bundesweit. Super geklappt.
Kann man Schwurbler nicht einfach wieder Schwurbler sein lassen? Ach ne, dann kann man keine Clickbait-Euros daran verdienen. (Nicht hier …)

Und in 5-6 Jahren konnte es mal wieder niemand vorstellen, wie es so weit gekommen sein konnte.

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Herr Rau 14. April 2023 um 8:55

Und wie die Schurken in der echten Welt – anders als in Filmen – scheint er überzeugt zu sein, dass er sich nur wehrt und die Welt seiner Rettung bedarf. Aber auch die Helden sehen sich ja so, es ist schwierig.

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Walter König 9. Juni 2023 um 21:42

Der ehemalige BILD TV Mann Claus Strunz hätte dieses "ganze Gesochs Geseiere" des vorgeblichen Feingeistes Döpfner in seine "unterste Schublade" getan, da gehört es auch hin.
Interessiert hätte mich noch wie hoch der Einheitslohn sein sollte, wenn man die "SBZ 2.0" in einen Morgenthauschen Agrarstaat umgewandelt hätte. Hoffentlich hätte der gereicht um sich noch täglich die BILD Zeitung zu kaufen…..

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