Im vergangenen „Focus“ ließ Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner etwas sehr medienwirksames Fallen: „Sobald eine Nachricht vorliegt, wird sie online gesendet.“ Das ist natürlich – seien wir ehrlich – ziemlicher Humbug. Der „Guardian“ macht es. Die „Times“ auch. Und jetzt eben die „Welt“: Wenn eine Exklusivnachricht vorliegt, soll sie sofort ins Internet. Ja, das liest sich im „Focus“ toll und fortschrittlich, das wurde auch von reichlich Konkurrenzmedien übernommen.
Nun ist Döpfner alles andere als dumm und deshalb weiß er auch, dass die Realität ein wenig anders aussieht. Bei der „Welt“, beim „Guardian“ und bei der „Times“. Denn genauso unsinnig wie es ist, die Zeitung in der Prioritätenliste über den Online-Auftritt zu stellen, ist auch die umgekehrte Version.
Online zuerst kann gar nicht grundsätzlich funktionieren. Oft genug gibt es eben jene Exklusivmeldungen, die den Betroffenen so sehr erzürnen, dass er versuchen könnte, eine einstweilige Verfügung zu erwirken – und die auch bekommen könnte. Und käme solch eine Verfügung unmittelbar vor dem Andruck, könnten die Print-Ausgaben einen Tag aus dem Einnahmenkalender streichen.
Weniger dramatisch aber ebenso unschön ist es, wenn die Zeit reicht, um Exklusivmeldungen nachzurecherchieren. Trifft eine exklusive Meldung eines Konkurrenzblattes in einer Redaktion ein, wird sie in der Regel nur dann mit der Quelle genannt, wenn sich keine eigenen Informationen mehr beschaffen lassen. Ist der Pressesprecher eines Unternehmens zum Beispiel noch ans Telefon zu bekommen und bestätigt er die Meldung ist sie Allgemeingut. Eventuell heißt es dann noch „bestätigte er eine Meldung von…“, doch das hat sich als für den Leser nicht wichtige Information mittlerweile aus dem Wortschatz geschlichen. Deshalb wird sehr genau darauf geachtet, um wieviel Uhr eine Exklusivnachricht nach außen gegeben wird, egal ob Internet oder Nachrichtenagentur.
Deshalb ist Döpfners Äußerung zwar sehr hübsch aber auch frei interpretierbar. Natürlich kann alles „zuerst“ ins Internet (den Begriff „senden“ wollen wir uns mal schnell abgewöhnen). Die Unmittelbarkeit, die das aber ausdrückt wird es nicht geben. Das „zuerst“ ist die zeitliche Steuerung, die heute bereits existiert – nur schlagzeilenträchtiger verpackt.
Kommentare
bittner 13. Juli 2006 um 14:39
\“ins Internet (den Begriff \“senden\“ wollen wir uns mal schnell abgewöhnen)\“ … ABER, warum denn, lieber Herr Knüwer. Wie würden Sie\’s denn nennen?
Und im übrigen scheint Döpfner ja inzwischen ein gewisses digitales Sendungs-Bewußtsein zu entwickeln.
Thomas Knüwer 13. Juli 2006 um 17:15
\“einstellen\“ ist wohl der gebräuchliche Begriff. Senden hat etwas von einmal raus und dann verschwindet es. Ein Buch wird ja auch nicht in eine Bibliothek gesendet und ein Artikel nicht ein eine Zeitung.
Cator 14. Juli 2006 um 2:50
Die Frage nach dem \“ins Internet senden/einstellen\“ hat ja auch zu der irrigen Annahme geführt, das jeder internetfähige PC auch GEZ-pflichtig wäre. Die ÖR sendeten angeblich an alle etwas.
Wie schon oft gesagt:
Schwachsinn, das Internet unterstützt keine Broadcasts. Im Gegenteil: Wer das versucht wird schnell ausgeschlossen oder als Spammer verurteilt.