Viel Bohai war in den vergangenen Monaten um das Thema Livestreaming. Erst kam im März Meerkat, dann der Twitter-Ableger Periscope. Beide ermöglichten die Liveübertragung von Bewegtbildern mit Kopplung an Social Media-Instrumente.
Diese generelle Funktionalität ist nicht neu. 2008 gab es schon mal eine Welle von Diensten mit dergleichen Funktionalität, damals standen Qik und Bamboozer an der Spitze. Allein: Die Zeit war noch nicht reif, angesichts schmaler Bandbreiten – sowohl Bild- als auch Soundqualität waren ausbaubedürftig. Leider waren nicht alle meine Videos aus jener Zeit beim Aus von Qik rettbar, hier aber eine kleine Auswahl:
re:publica 2009: Michael Kessler überrascht Sascha Lobo auf dessen Twitter-Followerparty:
Fazit der Next08 mit Katharina Borchert und Markus Hündgen:
Der Moment, da CNN Barack Obama zum Wahlsieger 2008 erklärte, live aus dem Yerba Buena Center in San Francisco:
Auf dem Desktop folgten 2012 Google Hangouts on Air. Am ersten Morgen, als Google diese Funktion freigab, waren wir begeistert:
Und nun eben Meerkat und Periscope. Überall ist dabei eines bemerkenswert: So wirklich sinnvolle Nutzungen wurden kaum entwickelt. Es ist mir zum Beispiel noch immer ein Rätsel, warum Medienhäuser die Hangouts on Air nicht für Talkshows nutzen. Natürlich könnte es sein, dass diese nicht auf Begeisterung treffen – aber es wenigstens mal versuchen sollte doch das Mindeste sein.
Daran haben die neuen mobilbasierten Mitbewerber wenig bis gar nichts geändert.
Periscope verändere, wie wir Bewegtbild sehen, schrieb Richard Gutjahr, und das seien schlechte Nachrichten für das klassische TV. Doch außer einem Interview mit Peer Steinbrück, das man so in besserer Qualität und dauerhaft erhaltbar auch über Hangouts hätte führen können, viel auch Richard nicht viel ein. Kai Diekmann präsentierte sich als Periscope-Junkie – und zeigte vor allem die Hühner in seinem Garten, Kaminfeuer und Sonnenuntergänge. Wer heute auf Periscope oder Meerkat schaut, findet wenig, was für Menschen außerhalb des Bekanntenkreises der Sendenden interessant ist.
Das heißt nicht, dass die beiden Dienste keine Relevanz mehr entwickeln könnten: Sie könnten sich als Mitteilungsinstrument im privaten Umfeld einen Platz schaffen. Doch gerade im Marketing oder für Medien haben sie zu viele Restriktionen. Zum Beispiel ist die Livekommentierung einer Übertragung davon abhängig, live zu sein. Die meisten Übertragungen aber sind so kurz, dass keine ausreichende Menge Zuschauer zusammenkommt. Rein nach Zahlen soll die auch da sein, doch nach meinen Periscope-Erfahrungen halte ich die vom Dienst ausgeworfenen Zuschauerzahlen für hinterfragenswürdig.
Außerdem ist die Idee, Hemmungen abzubauen mit dem Verschwinden von Videos nach einer gewissen Zeit ist für Privatpersonen nachvollziehbar. Doch haben ja Unternehmen und Journalisten exakt diese Hemmungen nicht. Außerdem produzieren sie Inhalte, die oft erhalten bleiben sollen – und deshalb noch einmal extra auf einer anderen Videoplattform hochgeladen werden müssen. Das betrifft genauso die Liveübertragungen von Privatpersonen. Es ist eine hübsche Vorstellung, dass da jemand zufällige einem weltbewegenden Ereignis beiwohnt und es überträgt. Nur hat die Welt wenig davon, denn das Video ist eben ja nach Dienst und Einstellung 24 Stunden später wieder verschwunden. Dabei solle genau solch ein Inhalt doch schnell und dauerhaft für die Welt zu sehen sein.
Dann bleiben noch Hangouts. Doch leidet diese faszinierende Technik unter den Managementdefiziten Googles: Der Konzern beginnt viele Dinge, schiebt sie an – und arbeitet dann nicht nach. Vielleicht wird sich dies mit der neuen Unternehmensstruktur ändern, eine Garantie aber gibt es nicht, denn zu sehr ist dieses Vorgehen in den vergangenen Jahren praktisch in die Kultur übergegangen. Es gibt also Raum für einen mobilbasierten Livestreaming-Dienst, der sich eher an professionelle Anwender richtet.
Ein ehemaliges Team der französischen Videoplattform DailyMotion steckt dahinter, schreibt Techcrunch, und nach einem ersten Test erscheint mir NomadCast weitaus besser durchdacht als Periscope und Meerkat. Denn der Dienst konzentriert sich darauf, einen Hinweis in den Twitter- und Facebook-Stream zu spielen. Nach Abschluss der Übertragung wird das Video auf NomadCast gehostet und kann von dort via Mail, Facebook, Twitter oder Embedding verteilt werden.
Die Bild- und Tonqualität ist beim ersten Ton subjektiv besser als bei den Konkurrenten. Außerdem gibt es die Möglichkeit, eine Übertragung zu unterbrechen und dann fortzusetzen. Gespeichert werden dann zwar mehrere Videos, doch ist es definitiv sinnvoll, einen Stream pausieren zu können ohne beim Neustart eine neue URL zugeteilt zu bekommen. Hier der erste Versuch meinerseits:
Und deshalb finde ich den Start von NomadCast auf den ersten Blick viel versprechender als jene von Periscope und Meerkat. Natürlich steht der Dienst noch am Anfang, doch das Fundament wirkt gut gelegt.
Nun müssen nur noch sinnvolle Einsatzmöglichkeiten außerhalb von Hühnerställen gefunden werden.
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