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Vor rund anderthalb Jahren schrieb ich einen langen, langen Rant über die Paid Content-Wirklichkeit deutscher Verlage. Und mal abgesehen davon, dass die allerallerallermeisten Verlage derzeit keine Inhalte produzieren, die in der Digitalität Zahlungsbereitschaft auslösen würden, kritisierte ich den simplen Kaufvorgang. Apps, beispielsweise ernteten heftige Kritik in den entsprechenden Stores. E-Paper-Bestellungen wurden über Tage hinweg bearbeitet und brauchten dann Tage, um freigeschaltet zu werden. Abo-Bestellungen ohne nutzlose Prämien waren nur schwer zu finden, ihre Preise noch schwerer. Anderenorts wurden Kunden dagegen mit Nepper-Schlepper-Leserfänger-Angeboten über den Tisch gezogen.

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Nun gehöre ich ja auch zu jenen Kritikern, die immer wieder bemäkeln, wie langsam Verlagskonzerne beim digitalen Wandel, wie unendliche Monate vergehen, bis irgendetwas umgesetzt ist. Dies wird mir gerne mal vorgehalten, ich sei ein Kritikaster und würde nicht anerkennen, wie toll die Arbeit der Medienindustrie ist und wie viel sich ändert.

Seit jenem Blog-Artikel sind 18 Monate ins Land gezogen. Ist die ganze Sache besser geworden?

Anscheinend nicht. Höchst belustigt verfolgte ich jüngst die Menschwerdung von Roland Tichy, dem frisch abgesetzten Chefredakteur der „Wirtschaftswoche“. Er gehörte sicher zu den ersten Chefredakteuren, die so richtig verstanden haben, was sich mit Twitter anfangen lässt. Nun ist er gerade dabei, seine Informationsflüsse neu zu ordnen und setzte an, Digital-Ausgaben der wichtigsten Tageszeitungen zu ordern. Heraus kam – ein Twitter-Rant:

Immerhin: Die „NZZ“ bot ihre Hilfe beim Kaufprozess an. Doch hätte sie das auch, wenn Tichy kein von Journalisten gefolgter Chefredakteur wäre? Gibt es ein systematisches Monitoring? „FAZ“, „Süddeutsche“ und „Handelsblatt“ dagegen scherten sich nicht weiter darum, dass ihnen jemand Geld geben wollte.

In anderthalb Jahren, also, ist die Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit in den Verlagen immer größer geworden. Denn sie brüllen ja noch lauter, dass sie nun Paid Content machten und der Leser zahlen müsse. Warum? Weil er muss, nicht weil er will. Anderthalb Jahre – so viel Zeit hat manches Startup nicht. Wer in anderthalb Jahren sein Produkt nicht richtig auf die Kette bekommt, der stirbt. Anderthalb Jahre haben auch in der Lebensmittelindustrie viele Produkte nicht. 70 bis 80 Prozent aller Neuigkeiten, die innerhalb eines Jahres in die Regale kommen, sind 12 Monate später wieder vom Markt verschwunden.

Noch viel dramatischer wird die Unfähigkeit der Verlagskonzerne, betrachtet man die lange Sicht. Im Jahr 2001 schrieb Bernd Ziesemer, Ex-Chefredakteur des „Handelsblatt“ in der von mir verantworteten E-Business-Beilage „Netzwert“: „Also keine Chance für bezahltes Internet? Doch. Aber nur, wenn mindestens vier Bedingungen erfüllt sind: Originäre Qualitätsinhalte, erstklassige Internet-Funktionalitäten, einfache und sichere Zahlungsmöglichkeiten, eine starke Marke.   Was spricht dafür, dass sich solche Angebote im Internet etablieren werden? Ich sehe drei Gründe: Erstens wird den meisten kleinen Inhalte-Anbietern schon bald das Geld ausgehen…   Zweitens verändert sich das Kommunikationsmedium Internet immer mehr zum ganz normalen Arbeitsinstrument (Stichwort: Firmenportale). Dort ist die Bereitschaft, für vernünftige Inhalte auch zu bezahlen ohnehin größer.   Und drittens bilden sich allmählich sichere und simple Zahlungssysteme im Internet heraus…   Schwierig wird nur der Übergang… Auch im Internet sind hier strategische Meisterleistungen der Inhaltelieferanten notwendig…   Und was, wenn der Übergang misslingt?… Dann lautet die Hoffnung: mobiles Internet.   Setzt sich die Netz-Verbindung über das Handy durch, wird es hochpreisige Dienste auch nur gegen vernünftige Gebühren geben… Und abgerechnet wird leicht und unauffällig über die Telefonrechnung…   Bisher war ,Piraterie im Netz nicht die Ausnahme, sondern die Regel’, schrieb der amerikanische Rockmusiker Ted Nugent vor kurzem in einem Beitrag für das ,Wall Street Journal’ und das ,Handelsblatt’. Darauf beruhte nicht nur das Geschäftsmodell der Musiktauschbörse Napster. Auch dort versuchen die Manager nun, ihre Kunden zum Bezahlen zu bringen. Damit liegt Napster zum zweiten Mal voll im Trend.   ,Das kostenlose Internet’, schrieb die amerikanische Zeitschrift ,Business Week’ vor kurzem völlig zu Recht, ,war nur eine zeitweillige Verirrung’.”“

13 Jahre später hält die Verwirrung an. 2002 war in „Netzwert“ zu lesen: “Spiegel-Net-Vorstand Thomas Göbler kündigte im Fachblatt ,Kontakter’ an, für Teile des Spiegel-Online-Archivs ab dem Frühjahr Geld zu verlangen. Noch in diesem Jahr ist ein echtes Abonnement für die Inhalte des Internet-Spiegel geplant. Kostenpflichtige Inhalte sollen darüber hinaus auch bei der “Süddeutschen Zeitung” kein Tabu mehr sein. Erste Überlegungen – die voraussichtlich im dritten oder vierten Quartal dieses Jahres greifen werden – sehen for, dass das Printprodukt “Süddeutsche” kostenpflichtig als PDF-Format zum Herunterladen angeboten wird.”

Und in einem anderen Artikel hieß es: „Bis spätestens Mitte des Jahres wollen die großen deutschen Verlage Teile ihres Online-Angebots kostenpflichtig machen. Das ergab eine Befragung von sieben führenden deutschen Verlagshäusern durch Arthur Andersen.”

Im Jahr 2014 bleibt festzuhalten: Die Verlagskonzerne dilettieren seit aufgerundet anderthalb Jahrzehnten an diesem Thema herum. Und es ist ihnen noch nicht einmal gelungen, ihre Systeme so aufzusetzen, dass ein hoch intelligenter Herr mittleren Alters etwas kaufen kann. Roland Tichy bloggt jetzt übrigens auch. Sein Post über die Paid-Content-Erfahrungen schließt er mit den Worten: „Digitale Transformation, also der Übergang in die digitale Welt, ist die Überlebensaufgabe. Klingt einfach. Aber versuchen Sie mal, eine digitale Zeitung zu abonnieren.“   Nachgrag vom 31.7.14:

Nachtrag vom 15.10.14: Chris Bruggisch hat auch sehr besondere Erfahrungen mit dem Leserservice der „Frankfurter Allgemeinen“ gemacht…


Kommentare


h s 30. Juli 2014 um 18:48

…sie gehoert natuerlich keine Verlagskonzern und ist vermutlich keine Kundenzielgruppe fuer den Autor. Aber trotzdem waere die taz mE auf Grund ihres digitalen Ansatzes und der damit erzielten Ergebnisse in diesem Kontaxt interessant.

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penzonator 30. Juli 2014 um 19:41

Zumindest bei Zalungssystem für digitale Inhalte gibt es eine simple Lösung. Man schaue mal. wie das die Stiftung Warentest löst. Dort kann ich einfach per Handy zahlen maximal 3 klicks, Rufnummer intragen mit TAN bestätigen und ich bekomme meinen Artikel. EInfacher geht es nicht.

Die Verlage sträuben sich jedoch diesen weg einzuschlagen, weil er angeblich zu teuer sei. Je mehr Transaktionen die Verlage über diesen Weg abrechnen, desto günstiger und vergleichbarer wird es mit anderen Zahlungssystemen. Und schon wird richtig Geld verdient.

Warum das so ist? Einfach mal bei den Browsergame-Anbietern abgucken…

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Stefan Plöchinger 30. Juli 2014 um 23:22

Ach, Thomas. Hast nicht mal den Antwort-Tweet des Kollegen mitgekriegt, der Hilfe angeboten hat: https://mobile.twitter.com/haunerjo/status/493876499561607168, und auch nicht die folgenden. Von wegen kein Monitoring. So diskreditiert sich manche Kritik vorneweg von selbst mangels Recherche, gell?

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Thomas Knüwer 31. Juli 2014 um 8:31

Lieber Stefan, hier versuchst Du den Überbringer der schlechten Nachricht zu erschießen. Denn ich habe mich an dem orientiert, was der Erleber jenes Erlebnisses beschreibt. Das Problem ist also gelöst, wenn man sich auf Twitter aufregt und dann eine Mail an eine Standard-Mail schreiben darf? Dann ist ja alles gut.

Du diskreditierst Dich leider, wenn Du ein systemisches Problem der Branche damit abtun willst, dass Leute eine Mail an einen Support schreiben dürfen. Denn wie viele mögliche Käufer sind nicht auf Twitter, sondern brechen den Kaufprozess ab. Ich bin sicher, Du hast diese Zahl, weil es zum Alltag des Verantwortlichen von E-Commmerce-Anbietern (und nichts anderes ist Paid Content) gehört, die Abbruchrate und -orte zu checken um daran zu arbeiten, die Quote zu senken.

Fakt ist: Die Verlagskonzerne hängen seit Jahren technisch im Bereich E-Commerce hinterher. Und die Veränderungsgeschwindigkeit in diesem Feld Bereich lässt einen Tankerkapitän aussehen wie Nico Rosberg.

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Peter Z. 31. Juli 2014 um 8:27

@Plöchinger: Die Aufforderung eine Mail an den Support zu schreiben ist natürlich eine ganz, ganz grossartige Unterstützung.
Es geht um die Einfachheit der Bezugsmöglichkeiten! Stichwort: Seniorensicher. Ist das denn so schwer zu akzeptieren. Ihr (Ablenkungs-)Post hier zeigt nur, daß Sie das Grundproblem nicht ernst nehmen (wollen).

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Anna 31. Juli 2014 um 8:37

… und trotzdem wäre ein bisschen mehr Recherche angebracht gewesen. Die grundsätzliche Kritik an der Langsamkeit der Verlage ist sicher gerechtfertigt. Aber: Quality, please! Ich habe gerade ca. 20 Sekunden und 4 Klicks gebraucht, um die heutige Ausgabe der FAZ im Netz zu kaufen. Welcher Teil des Prozesses Herrn Tichy jetzt unklar war, erschließt sich mir nicht…

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Thomas Knüwer 31. Juli 2014 um 8:48

Ich denke, das erläutert er sehr gut.

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Martin Jungfer 31. Juli 2014 um 9:01

Lieber Thomas Knüwer,
Sie stellen die Frage, ob wir auch so schnell reagiert hätten, wenn es sich nicht um Roland Tichy gehandelt hätte. Klare Antwort: Ja, hätten wir. Unser Service soll ohne Ansehen der Person ausgezeichnet sein. Das ist unser Credo. Testen Sie es gerne mal. …. Obwohl: Sie sind ja auch einer dieser Netz-Promis. 😉
Herzliche Grüsse, Martin Jungfer, Leiter Redaktionsmarketing NZZ

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Thomas Knüwer 31. Juli 2014 um 9:17

@Martin Jungfer: Erfolgt die Reaktion denn nur beim Anschreiben auf den NZZ-Account oder gibt es ein Monitoring, dass proaktiv das Web durchsucht?

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Jens Mertens 31. Juli 2014 um 11:29

Es ist schon erstaunlich, wie wenig sich das Vokabular der Zeitungsverlage bei Paid Content die letzten Jahre geändert hat. Da wird neuerdings überall eine Mauer gebaut, das Schild „Bezahlen“ drangeklebt und gut ist. Nicht aber die Tür (leider ohne Guckloch!) ist das Problem, sondern dass die Verlage hinter der Mauer bislang nicht aufgeräumt haben. Als Leser finde ich hinter der Mauer nur ödes digitales Brachland aber nichts, was mich wiederkommen lässt. Eher ärgere ich mich über das Eintrittsgeld.
Hierzu habe ich letztes Jahr einen Blogpost verfasst, der (s.o.) aber wahrscheinlich noch in Jahren aktuell sein wird: http://bit.ly/IMOGT7

Hat denn kein Verleger mal z.B. bei Amazon bestellt und daraus gelernt? Wo sind die Wünsche der Digital-Abteilungen nach einer optimalen Userführung, die schon mit dem richtigen anteasern des Kauf“artikels“ beginnt?
Der Quelle-Versand hat es bis kurz vor Schluss nicht geschafft, seinen Warenbestand samt Telefon- und Online-Bestelldaten in einer Datenbank zu fusionieren. Quelle? Ja, das war mal was.

Und wenn die ersten Zeitungsverlage beginnen sollten, auf den Google-Kiosk-Zug aufzuspringen (ach, die machen es uns ja einfach), dann Gute Nacht. Dieser Zug fährt (aber nicht für Google) ins Elend.

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Dirk Hansen 31. Juli 2014 um 12:11

Den Anspruch habe ich begriffen: Wenn nicht läuft, was ginge, gibt es Ärger. OK, klare Kunden-Kante.

Bei der Ursachenforschung komme ich an einem Problem nicht vorbei: Wenn der Online-Kundenservice besser und möglichst auch die Inhalte spezifischer werden sollen, dann bedeutet das Aufwand. Nebenbei betreiben die Verlage ja auch noch ihr konventionelles Geschäft.

Kann es sein, dass für alles Zusammen schlicht das Geld nicht reicht? Invest in no return? Ist wirklich eine Frage!

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Thomas Knüwer 31. Juli 2014 um 15:02

@Dirk Hansen: Sie treffen es genau richtig. Die Verlage haben ihre Oligopolrenditen über Jahrzehnte gescheffelt. Seit rund 15 Jahren ist klar: Das Web gefährdet unser Kerngeschäft. Ab diesem Moment hätten (zum Beispiel analog des Portfolio-Gedankens der Boston Consulting Group) Investments entsprechend verschoben werden müssen.

Nun sinken die Renditen und das Zeitfenster, indem strategisches Handeln noch möglich ist, schließt sich (für einige Verlag ist es schon zu). Änderungswille herrscht trotzdem nicht. Ich hab vor einiger Zeit dazu mal diese Artikel geschrieben.

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Kai Schächtele 31. Juli 2014 um 16:01

Ich will ja niemandem zu nahe treten, aber ich habe in der Vergangenheit sowohl Ausgaben der Süddeutschen wie des Spiegel auf mein iPad gezogen und es hat funktioniert, ohne dass ich eine Kopie des Ausweises als Papierflieger hätte losschicken müssen. Sogar in Brasilien und das will was heißen.

Der Analyse „Nun sinken die Renditen und das Zeitfenster, in dem strategisches Handeln noch möglich ist, schließt sich.“ stimme ich ja zu. Aber man kann schon anerkennen, dass es Verlage gibt, die offenbar dabei sind, noch rechtzeitig durchschlüpfen. Anders wäre es auch kaum denkbar, sonst wären durch eine wundersame Fügung des Schicksals ausgerechnet in der Medienbranche die Gesetze der Normalverteilung ausgehebelt, so dass in den Verlagen nur Armleuchter sitzen und um die Verlage herum nur Bescheidwisser. Das deckt jedenfalls sich nicht mit meiner Wahrnehmung, und zwar auf beiden Seiten.

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Kai Schächtele 31. Juli 2014 um 16:03

…und für den vorangegangenen Kommentar spendiere ich noch ein „zu“.

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Dirk Hansen 31. Juli 2014 um 17:31

@ Thomas Knüwer. Danke für den Hinweis auf Ihren eindrucksvollen Klartext-Post. So weit, so disruptiv.

Bestimmt liegen Sie richtig, wenn Sie vermuten, dass Verlage wesentlich mehr Mittel in die Zukunft hätten investieren können als sie es getan haben.

Aber ich bin etwas skeptisch, ob die Zeitungsverlage (sich) das leisten können, was Sie fordern: Volles Risiko bei höchst ungewissem Ausgang.

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Thomas Knüwer 31. Juli 2014 um 17:38

@Dirk Hansen: Der Ausgang ist ungewisse, wie bei den allermeisten Investitionen – da unterscheiden sich Verlage nicht von Autobauern oder Lebensmittelherstellern. Trotzdem entwarf Airbus den A380, wagte Nestlé sich in den Markt der Kaffeekapseln und begann Apple einst, Handys zu bauen.

Was aber sicher ist: Tageszeitungen verlieren seit Anfang der 80er Jahre an Auflage. Und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass sich dies ändert. Also muss eine strategische Reaktion erfolgen.

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Dirk Hansen 31. Juli 2014 um 18:21

@ Kai Schächtele: Ich spendiere ein „bravo“ für den Hinweis auf die Normalverteilung.

@ Thomas Knüwer: Mir geht es nicht um die Tatsache des Risikos, sondern um deren Dimension. Im Grunde liefern Sie ja die Beispiele:

Airbus hat ein neues, ganzganzgroßes …. Flugzeug gebaut. Apple einen neuen ganzganzkleinen Personacomputer(gut – mit dem man auch telefonieren kann) entworfen. Die Kaffeekapsel-Disruption geht auch noch als „gute Idee“ mittlerer Reichweite durch.

Sämtlich sind dies für mich (Weiter-) Entwicklungen, die stattfanden, ohne dass gleich das ursprüngliche Kerngeschäft zertrümmert werden musste. Wir reden hier also möglicherweise über den Unterschied zwischen Evolution und Revolution.

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Thomas Knüwer 1. August 2014 um 8:46

@Dirk Hansen: Da haben Sie natürlich recht. Andererseits ist die klare Absehbarkeit des Kerngeschäft-Aus ja eigentlich ein Grund, den Druck zu erhöhen. Stattdessen erstarren die Verlagskonzerne – aus meiner Sicht keine gute Idee.

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tlevermann 31. Juli 2014 um 20:37

Ich lese hier nur noch kopfschüttelnd… Hey, 20 Jahre Internet in der Medienbranche – in Worten zwanzig !! – „Dieses Internet mal checken“ war mein erster Job vor exakt 20 Jahren in einem großen deutschen Verlagskonzern. Und jetzt schreckt es doch jeden Egghead ab, wenn der Ex-WiWo CR gebeten wird, mal eine genaue Fehlerbeschreibung für einen simplen Bestellvorgang zusammen zu schreiben und unpersönlich in die ewigen Jagdgründe der SZ zu mailen. Ja, geht’s noch? Gut gemeint, ist nicht gut gemacht oder wie kürzlich in einem meiner Workshops eine Teilnehmerin so treffend sagte: „Einmal, nur einmal mit Profis arbeiten!“

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Stefan Plöchinger 1. August 2014 um 21:52

Ja, Thomas: Die Abbrecherquote ist so niedrig, wie es Kai nahelegt. Im Gegenteil, eine Ausgabe kauft man bei uns in den Apps per iTunes, wo es höchstens Probleme mit Apple geben kann — was auch Du wüsstest, wenn Du mal selbst eine SZ zu kaufen versucht hättest. Kann sein, dass es angesichts der Außergewöhnlichkeit des Problems richtig wäre, auf Hilfsangebote zu reagieren, statt bloß zu klagen: weil eine reine „Geht nicht“-Problembeschreibung eben kaum nachzuvollziehen ist, wie auch Du ahnst, hoffe ich. Die genannte Mailadresse ist im Übrigen nicht gesichtslos, sondern wird ständig betreut, wie wir auch das Social Web monitoren. Passt halt aber leider kaum zu Deiner langweiligen Grundthese, dass „die Verlage“, wer immer das ist, nichts verstehen, Du aber alles. These meinerseits: Kann einfach sein, dass Du hier bloß eine Nemesis pflegen willst. Viel Vergnügen dabei noch, und nie sich selbst durch Recherche oder derlei hinterfragen, gell!

PS: Super, das Du die falsche Textstelle, niemand hätte sich geschert, nicht korrigierst. Gäbe es jetzt einen zweiten Thomas Knüwer und wäre dies eine Verlagsseite, würdest Du sicher einen Blogpost schreiben, die Verlage würden das Internet nicht verstehen.

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Thomas Knüwer 4. August 2014 um 10:04

@Stefan Plöchinger: Ich extrahiere mal kurz – Du legst bei einem Hobbyblogger die gleichen Maßstäbe an, wie bei einer Vollredaktion? Oder umgekehrt? So oder so: ein nicht mal intelligenter Versuch, von der eigentlichen Debatte abzulenken.

Nicht ich hatte diese Probleme, sondern ein gebildeter, intelligenter Herr mittleren Alters. Das könnte man jetzt erst mal hinnehmen und sich Gedanken machen. Man könnte sich außerdem fragen, ob eine Redaktionshilfe per Twitter selbst bei einem mittelständischen Unternehmen wie der „SZ“ die richtige Gangart ist.

Aber, nein, so ist das nicht mit der Kundenfreundlichkeit deutscher Verlage. Wer sie öffentlich kritisiert, begeht Majestätsbeleidigung an der Vierten und wichtigsten Macht im Staat. Da ist es auch egal, dass eine E-Mail-Adresse ohne festen Ansprechpartner keine Identität haben kann.

Immerhin wissen wir jetzt eines: Bei der „Süddeutschen Zeitung“ läuft es schnafte, blendend, wunderbar – obwohl im Printbereich die Abos innerhalb von 2 Jahren um 7,5% und der Einzelverkauf um 15,5% gesunken sind, während sich die Zahl der verkauften E-Paper auf 18 Stück beläuft. Alles ist ganz wunderbar, obwohl der Mutterkonzern Südwestdeutsche Medien Holding 2012 einen Konzernfehlbetrag von 13,8 Millionen und Bankschulden von rund 330 Millionen auswies. Puh. Wir dachten schon, es gäbe in München wirtschaftliche Sorgen und wir müssten mit weiterem Stellenabbau rechnen. Stefan, kann einfach sein, dass Du hier bloß eine Nemesis pflegen willst. Viel Vergnügen dabei noch, und nie sich selbst durch Recherche oder derlei hinterfragen, gell!

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Michael 2. August 2014 um 8:52

Diese teils unangenehme Langsamkeit der Verlagskonzerne ist vor allem der Langwierigkeit des Medienwandels von Print zu Online geschuldet. Es wird noch genug mit Printzeitungen verdient, dass man bereits allzu kreativ in der Entwicklung von Online-Formaten wäre. Not macht erfinderisch. Die Not ist längst noch nicht groß genug, dass die Verlage die Sache konsequent angehen zu müssen glauben. Derweil heißt es über diesem langwierigen Medienwandel auch für Konsumenten, gelassen und locker zu bleiben und sich in ungeordneten Zwischenzuständen einzurichten. Chaotische Übergangszeiten sind unangenehm unordentliche Zeiten. Die Dinge werden sich gemäß den Anforderungen zeitnah richten. Zumal nirgendwo geschrieben steht, dass sämtliche Zeitungsverlage solchen tiefgreifenden Umbruch bewältigen und überleben müssen. Es werden wahrscheinlich auch etliche dabei auf der Strecke bleiben und dafür auch neue originäre eingeborene Onlineakteure entstehen, so what. Das Internet ist viel zu interessant und schon jetzt vielfältiger als alles bisher Dagewesene, als nun ständig über die Behäbigkeit alter, naturgemäß besitzstandswahrender Medienakteure mosern zu müssen. Das kann auch schnell in „unerträgliche Nörgelei“ ausarten.

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Michael 2. August 2014 um 8:59

Nachtrag: Die Zerstörung der Printtitel wird langfristig vermutlich noch viel größere Ausmaße eines regelrechten „Massakers“ und noch viel größeren Wehleidens annehmen. Die Medienverhältnisse dürften also noch viel chaotischer werden, weil der Umbruch so gewaltig ist. Erst dann wird man sich richtig ne Rübe machen. Das Desaster MUSS also erst richtig groß werden, um von ihm zu Neuem angetrieben zu werden. Dass das nicht sehr vorausblickend ist, stimmt natürlich. Aber so sind Menschen und Gesellschaften nunmal – träge.

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Martin Jungfer 3. August 2014 um 16:21

Lieber Thomas Knüwer,
die Antwort auf die Frage nach einem Monitoring, dass proaktiv das Web durchsucht, bin ich noch schuldig. Das gibt es (noch) nicht. Derzeit sind es vor allem die scharfen Augen unserer Community-Redakteure im Zusammenspiel mit dem Kundencenter, die so etwas finden. Sie haben dabei Unterstützung u.a. von HootSuite. Aber wir wollen hier technisch weiter ausbauen.
Viele Grüsse – Martin Jungfer

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Hey, Zeitungsopas, kriegt Euren Arsch hoch! 13. August 2014 um 18:30

[…] “Die Informationen” nivelliert jede Form von Inhalt. Tatsächlich zahlen Nutzer ständig und in wachsendem Umfang für mediale Inhalte. Nur eben nicht für Zeitungsjournalismus. Vielleicht haben sie früher einfach gezahlt, weil sie die physische Wertschöpfung des Zeitungsdrucks und die Verteilung der Produkte honorierten? Oder ist es der anhaltende Dilettantismus der Verlage in Sachen Paid Content? […]

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Christian 16. August 2014 um 12:31

Zum Thema Risiko:
@ Dirk Hansen

Es ist so leicht das Risiko anderer als „war ja eigentlich keins“ abzutun. Insbesondere bei Themen die im nachhinein als Erfolg gewertet werden können. Ideen sind plötzlich so nahe liegend nachdem andere bewiesen haben das sie existieren und erfolgreich sein können, gell?.

A priori waren diese Ideen leider nicht ganz so offensichtlich erfolgversprechend.

Apple z.B. hat 4,5 Milliarden US Dollar, was 2007 in etwa alles war was Apple noch an Vermögen hatte, in die Entwicklung des iPhones investiert. Dabei hat Apple auf Erfolg in einem Markt gewettet, der zu 80% Nokia gehörte und wo es Leute gewohnt waren ihr Telefon für 1 Euro mit Vertrag zu bekommen. Ich kann ihnen dutzende Zitate von ‚Branchenexperten‘, Brancheninsidern und Konkurrenten nennen, die alle dem iPhone wenig Erfolg bescheiden wollten und in dem Risiko letztlich Apples Ruin sahen. Heute sind Nokia und Blackberry Pleite und Apple hat 90% des ‚Profit Share‘ im Mobilfunkmarkt.

Tesla hat 1 Milliarde Dollar nur in Forschung und Entwicklung ihrer Akkutechnik und Ladetechnik investiert und insgesamt 5 Milliarden Dollar Venture-Kapital und Privatvermögen von Elon Musk aufgewendet um ein Auto zu bauen, das BMW, Audi und Daimler mittlerweile im Segment der oberen Mittelklasse und Oberklasse Marktanteile abnimmt von dem aber die Konzernspitzen von VW und Daimler bis vor einigen Jahren noch behauptet hatten, dass das technisch gar nicht machbar sei und sich auch nicht durchsetzen werde.

Airbus wurde für die Idee des A380 heftigst kritisiert. Es galt selbst unter Branchenexperten als absolut unsicher ob Flugzeuge der Art A380 überhaupt gebraucht würden. Zusätzlich mussten auch noch die Flughäfen umgebaut werden, um Starts, Landungen und die Abfertigung der Flugzeuge zu ermöglichen. Boeing als direkter Konkurrent zu Airbus z.B. hat auf eine andere Art von Produkt gesetzt und sich damit ziemlich verspekuliert. Nichtsdestotrotz hat Airbus den A380 gebaut und alleine dafür 12 Milliarden Euro an Entwicklungskosten spendiert.

BMW hat mehr als 2 Milliarden Euro in die „i-Reihe“, also den i3 und den i8 investiert obwohl noch nicht absehbar ist ob sich das rechnet, etc. pp.

Das ist Risiko, das sind Investitionen die die beteiligten Konzerne in ernsthafte Schwierigkeiten oder an den Rand des Konkurses gebracht hätten, wenn sie sich nicht ausgezahlt hätten. Nichtsdestotrotz wurden sie gemacht.

Jetzt wo der Pulverdampf verzogen ist und sich diese Ideen als erfolgreich entpuppt haben kann man das natürlich als Kinkerlitzchen abtun.

Im Vergleich dazu ist jedenfalls die Risikobereitschaft der Verlagshäuser quasi nicht mehr messbar da quasi nicht vorhanden. Da hört man nur das Heulen und Zähneklappern von Memmen und vehementestes argumentieren darüber warum sich nichts ändern soll, warum sich nichts ändern darf und das man weder das Geld noch die Bereitschaft habe ein wirkliches Risiko einzugehen.

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Was deutsche Verlage aus The Innovators lernen können 19. Januar 2015 um 18:59

[…] Geholfen wird höchstens einem prominenten Journalisten, wenn er sich öffentlich aufregt, wie im Fall von Roland Tichy – und dann von Seiten der Redaktion, die für Online-Abo-Support eher nicht zuständig sein […]

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