Wenn es um Angriffe auf den Datenschutz geht, trampeln Deutschlands Volksvertreter notfalls über Leichen. In die Tendenz der vergangenen Monate, mit der Bestandsdatenauskunft als neuem Tiefpunkt, reiht sich der CSU-Mann Hans-Peter Uhl ein.
Den schrecklichen Anschlag auf den Marathon in Boston nutzt er in Ekel erregender Art, um sein Ziel der Vorratsdatenspeicherung, also der weitreichenden Speicherung einer gewaltigen Menge von Daten der Bürger ohne Verdacht und Anlass, zu fordern. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk sagte er:
„Die Behörden müssen sich immer fragen, und das ist die Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit, haben wir das richtige Instrumentarium. Ist der Staat blind und taub und kann solche terroristischen Vorbereitungshandlungen erkennen oder nicht? Wenn er sagen muss, wir sind nicht in der Lage, die Vorbereitungs- handlungen, die Kommunikation von Terroristen, die dauern ja Wochen und Monate in der Verabredung solcher Terroranschläge, wenn der Staat dies nicht erkennen kann, muss er sein Instrumentarium nachbessern, und das gilt auch für Deutschland…
Schauen Sie, zum Thema NSU, da wurden ja Handys und Computer und Laptops gefunden. Wir alle fragen heute noch, über ein Jahr später: Wie groß ist der braune Sumpf, mit wem haben die kommuniziert. Hätten wir damals schon die Vorratsdatenspeicherung, die wir heute noch nicht haben, die wir aber einrichten müssen, weil die EU uns dazu zwingen wird, mit Recht, wüssten wir sehr viel mehr.“
Auf die Frage, ob Vorratsdatenspeicherung den Anschlag von Boston verhindert hätte, sagt er:
„Das wäre töricht, so was zu sagen. Aber das ist ein Instrument neben mehreren. Dazu gehören solche Dinge wie Quellen-TKÜ. Überhaupt die ganze verschlüsselte Kommunikation von Terroristen, von Gefährdern, die im In- und Ausland unterwegs sind, muss vom Staat begleitet werden und Erkenntnisse müssen zwischen den Nachrichtendiensten ausgetauscht werden. Das ist ja grenzüberschreitender Terrorismus. Es geht nur gemeinsam und da ist nicht ein Instrument wie die Vorratsdatenspeicherung in der Lage, einen Anschlag zu verhindern, aber ist ein wichtiger Baustein und auf den kommt es auch an.“
Was Uhl nicht erwähnt – sehr wohl aber weiß: Die Überwachungsmöglichkeiten der US-Behörden sind weitaus tiefgehender. Gebracht hat es – nichts. Denn es lassen sich nicht alle Anschläge verhindern, es lassen sich nicht alle Wahnsinnigen stoppen und die ganze Welt wird nicht plötzlich zu einem friedlichen Dorf.
Doch das ist ihm egal. Hans-Peter Uhl will den Überwachungsstaat und ist dafür bereit, sogar die Opfer von Boston zu missbrauchen. Verwundern kann das nicht. Schließlich ist Uhl ein Fan des Staatstrojaners, forderte eine Bürgerwehr im Kampf gegen angeblichen Kindesmissbrauch und war ein maßgeblicher Förderer des Verkaufs von Bürgerdaten durch Kommunen.
Ehrlich, Münchener – Ihre schöne Stadt hätte einen verantwortungsvolleren Bundestagsabgeordneten verdient.
Kommentare
itbeobachter 16. April 2013 um 11:21
Max Beckmann hat einmal – zugegeben in einem noch weitaus übleren Zusammenhang – gesagt: „Ich kann gar nicht so viel fressen wie ich kotzen will!“ So langsam ist auch bei mir der Punkt erreicht. Solche Betonköpfe wie Uhl sind anscheinend mit keinem Argument von ihrer abstrusen Sicht der Dinge abzubringen. Es ist jedoch ekelhaft, wenn jedes neue Ereignis wie in Boston in Sekundenschnelle für die Durchsetzung der eigenen Ziele mißbraucht wird!!!
Ob wir es wahr haben wollen oder nicht, egal wie sehr wir uns „absichern“, absolute Sicherheit werden wir nie erreichen. Daher gilt das Augenmerk verstärkt auf dasThema Freiheit zu richten. Und ein Überwachungsstaat á la Uhl ist das genaue Gegenteil davon!
Mainboarder 16. April 2013 um 12:02
Eine Vorratsdatenspeicherung hätte doch auch keinerlei Daten des NSU mehr vorrätig…
Also was genau will er uns jetzt eigentlich sagen?
Uhl fordert Vorratsdatenspeicherung » Rechtsanwalt Markus Kompa 16. April 2013 um 13:19
[…] Vorratsdatenspeicherung zu fordern. Die Pointe vermag allerdings nicht so recht zu zünden, denn in den USA ist die Überwachung ungleich krasser und hat die Anschläge offensichtlich nicht verhindert. Es würde mich auch überraschen, wenn sie […]
Der pawlowsche Hund hat den Knall gehört… | Alarmknopf 16. April 2013 um 14:01
[…] Indiskretion Ehrensache — Die Widerwärtigkeit des Hans-Peter Uhl […]
Andre 16. April 2013 um 14:23
Nicht zu vergessen: Der Herr Zensuhl war der letzte Unionsabgeordnete, der noch für das berüchtigte Zensursula-Gesetz argumentiert hat, als seine Kollegen schon bemerkt hatten, dass das Pferd tot war, auf dem sie ritten.
Thorsten 16. April 2013 um 14:49
Herr Uhl hat vollkommen recht. Der ständige Ruf nach illegalen Downloads ähhhh Bürgerrechten im Internet ist widerwärtig. In den USA sterben Menschen – real, nicht in einem Computerspiel – und hier regen sich Leute darüber auf, wenn man schärfer gegen diese Terroristen vorgehen will. Eine lückenlose Speicherung der Kommunikation ist nun einmal zwingend notwendig. Nur so lassen sich Anschläge, wenn man sie nicht komplett verhindern kann, lückenlos aufklären und die Hintermänner können so gefunden werden.
Meine Stimme hat die CSU sicher. Für ein sicheres Deutschland, für eine sichere Welt.
Dieter 16. April 2013 um 15:33
den NSU Fall als Beispiel zu verwenden ist der größte Witz … die Daten, die entscheidende Stellen hatten, wurden doch vernichtet und man glänzte in Zuständigkeitsgerangel. die Vorratsdatenspeicherung hätte kein anderes Ergebnis gebracht…
Wittkewitz 16. April 2013 um 18:44
Ob es Sinn machen würde den Münchner Abgeordneten daran zu erinnern, dass das mit der Kooperation zwischen Siemens und Nokia so nicht mehr läuft wie früher. Scheint ein Hinweis auf nacheilenden Gehorsam zu sein… Oder sind deren „Monitoring Centers“ und „Intelligence Platforms“ noch aktuell im Verkauf?
Farlion Inside 16. April 2013 um 19:23
Catwalk der Geschmacklosigkeiten – Boston und die Instant-Folgen…
Dass es letzte Nacht (unserer Zeit) in Boston zu zwei Bombenanschlägen kam, dürfte mittlerweile jeder mitbekommen haben. Anschläge, aus welcher Motivation auch immer, gegen unschuldige Zivilisten sind widerwärtig, egal von wem sie verursacht werden. Da…
Peter Uhl (Innenexperte) hatte einen Reflex | stohl.de 16. April 2013 um 19:40
[…] Der Innenexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, hat nach dem Terroranschlag beim Marathonlauf in Boston quasi aus einem Reflex seine Vorderungen bestätigt zu sehen: Uhl plädiert nach Bostoner Anschlag für Vorratsdatenspeicherung. Nur was hätte diese genutzt im Fall Boston? Wohl die Erkentnis danach, dass es welche waren. Mehr zum Thema bei Thomas Knüwer: Die Widerwärtigkeit des Hans-Peter Uhl. […]
richie 16. April 2013 um 23:12
„und hier regen sich Leute darüber auf, wenn man schärfer gegen diese Terroristen vorgehen will.“
Ich komme mir gerade vor wie Sheldon. Ist das Sarkasmus?
Noch Schärfer als bei der NSU meinst du, Thomas?
Der Bestrafer 17. April 2013 um 7:32
@ Thorsten Jawohl!Und in der „bild“stand es auch schon…..!
glamorama 17. April 2013 um 8:57
Sehr schön auch der Hinweis, dass die EU Deutschland „mit Recht“ zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung zwingen würde. Vom Grundgesetz hat der „Innenexperte“ der CDU scheinbar noch nichts gehört.
PS: Das Zitat mit dem Fressen und Kotzen stammt übrigens von Max Liebermann, nicht Max Beckmann.
Jochen K. 17. April 2013 um 9:25
Lieber Herr Knüwer,
Sie haben in der Sache völlig recht, die Aussagen gehen gar nicht. Ich bin mir bloß nicht sicher, ob sie mit ihrer Wortwahl („Widerwärtigkeit“, „ekelerregend“, „missbrauchen“) nicht – auch aus juristischer Sicht, und das kann teuer werden! – ein wenig über das Ziel hinausschießen.
opak 17. April 2013 um 10:40
alte Männer und ihre großen Ängste, der Mann hätte sich damals in der Stasi gut gemacht
Anschläge von Boston lassen Vorratsdatenspeicher-Debatte aufflammen – ComputerBase 17. April 2013 um 13:38
[…] der Netzgemeinde hagelt es ebenfalls Kritik gegen Uhl, zumal die Vorratsdatenspeicherung nach wie vor äußerst umstritten […]
Social Media und Terror || Debatte nach Boston Marathon über den Umgang mit Social Media Daten – Social Media Watchblog 17. April 2013 um 16:19
[…] fast reflexartig wird sowohl in den USA als auch in Deutschland der Ruf nach noch größeren Online-Durchsuchungsrechten laut. Wenn alle Daten, die über soziale […]
Sigmund 17. April 2013 um 17:35
Dabei ist die Pointe doch die: Hätte man früher schon die Möglichkeit gehabt, PC und Handy grenzenlos zu überwachen, dann hätten die Sicherheitsbehörden doch die Handys der Verwandten der Mordopfer überwacht.
Das ist doch Crux im NSU-Drama.
Carsten 17. April 2013 um 17:45
@ Jochen K.
Was ist denn an der Wortwahl auszusetzen? Das Verhalten dieses Herrn ist nunmal so und dann sollte man das auch sagen dürfen.
Das, was ich zu diesem Herrn zu sagen hätte, das behalte ich wegen des StGB allerdings für mich.
cusdom 18. April 2013 um 7:56
Der soll mal ein Wochenende statt in Bogenhausen im einem Prolembezirk verbringen. Dann sieht auch er vielleicht mal die richtigen Probleme dieses Landes…Man kann sich nicht gegen alles absichern, Herr Uhl, oder laufen sie den ganzen Tag mit einem Helm auf dem Kopf durch die Gegend? Schließlich fallen täglich mehrt als tausend kleine Meteoriten vom Himmel….
Der Tag – 18.04.2013 | nevermo.re 18. April 2013 um 11:15
[…] für Deutschland gefordert hat. Dieser Blogbeitrag bringt es noch einmal gut auf den Punkt: Die Widerwärtigkeit des Hans-Peter Uhl – “Wenn es um Angriffe auf den Datenschutz geht, trampeln Deutschlands Volksvertreter […]
sportinsider 19. April 2013 um 10:25
Ich bin ja in der DDR sozialisiert worden. Das System ist auch durch seine psychopatische Installation eines Überwachungsstaates kaputt gegangen. Als wir endlich den Mut hatten aufzubegehren gegen das Ostberliner Regime und in unseren Heimatstädten damit anfingen nach der Arbeit unsere Demorunden zu laufen knipsten die Bezirkszentralen der Staatssicherheit ihre Lichter aus. Sie hatten Angst vor friedlichen, unbewaffneten Demonstranten.
DIe Vorratsdatenspeicherung der Staatssicherheit in der DDR war pervers, unmenschlich, neurotisch. Am Ende ging der sozialistische Laborversuch in die Hose.
Jetzt macht sich ein CSU Politiker, unter Verweis auf das Brüsseler Bürokratieregime, stark für eien Vorratsdatenspeicherung …
Die CDU und die Schwesterpartei CSU war in den letzten 22 Jahren nie eine Wahloption für mich. Das wird sich auch 2013 nicht ändern.
Bei einem Anschlag auf den Marathon in Boston wurden … | sb'log 19. April 2013 um 18:02
[…] Update: Da lässt sich Hans-Peter Uhl natürlich nicht lange bitten. […]
Die Propaganda der Sicherheitsgichtlinge | Ich sag mal 20. April 2013 um 19:50
[…] Die Widerwärtigkeit des Hans-Peter Uhl. […]
Endlich noch mehr Überwachung, Folge 455 | Metronaut.de 21. April 2013 um 21:35
[…] Während die Trümmer noch rauchen und das Blut noch nicht von der Straße geputzt ist, werden die Opfer von Anschlägen genutzt, um eine sicherheitspolitische Agenda durchzudrücken. Das ist widerwärtig. […]
altautonomer 24. April 2013 um 8:34
Gute Nachricht: http://www.publikative.org/2013/04/23/dresdner-handygate-war-illegal/
Meine Lesetipps: Mai 105 Links – Webdesign-Doll 1. Mai 2013 um 14:38
[…] Die Widerwärtigkeit des Hans-Peter Uhl: Wenn es um Angriffe auf den Datenschutz geht, trampeln Deutschlands Volksvertreter notfalls über Leichen. In die Tendenz der vergangenen Monate, mit der Bestandsdatenauskunft als neuem Tiefpunkt, reiht sich der CSU-Mann Hans-Peter Uhl ein. – by Thomas Knüwer – https://www.indiskretionehrensache.de/2013/04/hans-peter-uhl/ […]
20 Fragen zu Datenschutz, Bestandsdatenauskunft und Vorratsdatenspeicherung 10. Mai 2013 um 7:26
[…] Knüwer stößt der Mißbrauch von aktuellen Ereignissen ‒ Boston-Marathon ‒ für die Argumentation von Vorratsdatenspeicherung auf. […]
m 13. Mai 2013 um 17:45
Ich frage mich dabei immer: was steckt dahinter? Was sind deren Motive? Ist es Angst? Ich kann es mir nicht erklären, war aber auch noch nie auf deren Seite der Politik.
Vorausschauende Kommentare | Tante Jays Café 6. Juli 2014 um 17:57
[…] Nun ja. *hüstel* […]
Social Media und Terror || Debatte nach Boston Marathon über den Umgang mit Social Media Daten | social media watchblog 6. August 2014 um 9:55
[…] fast reflexartig wird sowohl in den USA als auch in Deutschland der Ruf nach noch größeren Online-Durchsuchungsrechten laut. Wenn alle Daten, die über soziale […]