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Gestern Abend stellte ich via Twitpoll die Frage, wieviel Prozent einer gedruckten Zeitung wohl einen Tag später online zu finden sind. Das Ergebnis spaltete die Antworterschaft in zwei Gruppen. Rund die Hälfte meint, dass substanzielle Teile des Druckobjektes online landen, die andere Hälfte sieht dies anders:

Dabei warf der geschätzte Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach via Twitter ein, dass diese Frage doch unsinnig sei. Es entwickelte sich dieser Dialog:

Nun ist es aus meiner Sicht nicht so, dass Online-Redakteure nur als „Content-Schubser“ agieren. Doch die Realität in deutschen, zu Zeitungshäusern gehörenden Internet-Redaktionen sieht noch immer so aus: Dort arbeiten durchschnittlich jüngere Mitarbeiter,  ohne einen Tarifvertrag (ein solcher existiert in Deutschland weiter nicht), schlechter bezahlt und meist mit weniger Reiseetat ausgestattet. Dadurch haben sie kaum bis gar keine Möglichkeiten, sich Fachwissen und vor allem Kontakte aufzubauen. Sie sind angewiesen auf Telefon- und Internet-Recherche, gleichzeitig deckt ein einzelner Redakteur ein breiteres Themenspektrum ab – in einigen Redaktionen gibt es solche Fachabdeckungen gar nicht, was dann bedeutet, jeder muss theoretisch über alles schreiben. Das Ergebnis dieser Divergenz zwischen Online- und Print-Redaktionen ist klar: Das Fundament für eine höhere Qualität hat eindeutig die Print-Seite.

Dies aber steht im strikten Gegensatz zum Markenauftritt der Objekte. Die Internetauftritte spielen dem Verbraucher vor, sie hätten die gleiche Qualität wie das Gedruckte – schließlich tragen sie den gleichen Namen. Diese Dachmarkenstrategie ist Alltag in anderen Branchen: Wer einen Mercedes Bus kauft, rechnet mit einem höheren Maß an technischer Qualität und Komfort. Toyota dagegen sah sich nicht ausreichend gerüstet, um Luxuswagen erfolgreich zu verkaufen – und startete die unabhängige Marke Lexus.

Wegen der Ausstrahlung einer Dachmarke also heißen die Onlineauftritte von Zeitungen Sueddeutsche.de, FAZ.net oder Handelsblatt.com. Die „Welt“ hat den ihren sogar umbenannt von Welt Online zu „Die Welt“ – eben genau so wie das Gedruckte.

Den Verbraucher hat dabei vor allem eines zu interessieren: Wenn über zwei Produkten der gleiche Markenname steht, muss sich ihre Qualität auf dem gleichen Niveau bewegen. Ihm darf und muss es egal sein, ob FTD.de anders organisiert ist als die „Financial Times Deutschland“ – wenn er sich mit einem Anliegen an eines der beiden Objekte richtet, muss er erwarten können, dass ihm crossmedial geholfen wird. Vor allem aber: Er muss erwarten können, dass die Qualität crossmedial vergleichbar ist.

Gern übersehen wird dabei, dass nicht ein Unternehmen entscheidet, wie eine Marke wahrgenommen wird. Das Unternehmen kann nur ein Angebot machen, die tatsächliche Markenimage-Bildung passiert im Kopf des Verbrauchers. Dabei generiert sich das Markenimage aus dem, was Verbraucher über ein Produkt wissen, aus der wahrgenommenen Markenpersönlichkeit sowie aus dem Nutzen, den sie glauben aus der Produktverwendung ziehen zu können (Burmann/Stolle: „Markenimage – Konzeptionalisierung eines mehrdimensionalen Konstrukts“; Arbeitspapier des Lehrstuhls für innovatives Markenmanagement, Bremen 2007).

Solch ein Image entsteht nicht von heute auf morgen. Deshalb ist es auch ziemlich blödsinnig, wenn in diesen Tagen Medien glauben, das Image von Red Bull müsse sich durch den Stratossphärensprung jetzt schon verändern.

Das Image der Zeitungsmarken ist über Jahrzehnte durch das gedruckte Produkt geprägt worden. Stück für Stück aber dreht sich dies. Schon immer lasen junge Menschen seltener Zeitung als ihre Eltern. Erst mit der Zeit griffen sie zu dieser Nachrichtenquelle, das beim Konsum entstehende Erlebnis und die Nutzenwahrnehmung prägten das Image der Medienmarken. Die Zeitung war also der Erstkontakt mit der Marke.

Heute findet dieser Erstkontakt mit dem Online-Angebot statt. Ich würde sogar vermuten, der Kontakt mit den Medienmarken passiert heute wesentlich früher also noch in meiner Jugend. Denn während Zeitungen Themen für Kinder und Jugendliche auf spärliche Jugendseiten abschoben, spielen diese Bereiche bei den Online-Angeboten von Tageszeitungen durchaus eine Rolle: Stars und Sternchen, Schulthemen – all das findet online bereits im ganz normalen Nachrichtenprogramm statt. Ich behaupte sogar: Jugendliche von heute konsumieren wesentlich mehr Nachrichten als in den 70er und 80er Jahren. Aber natürlich geht es weniger um Euro-Rettungsschirm oder Mitt Romneys Steuerpolitik – sondern um Gangnam-Style und Minecraft.

Schon bei den Studenten des Jahres 2012 prägte somit der Online-Auftritt das Markenimage von Zeitungen.

Und was finden sie dort?

Dieser Frage werde ich in den kommenden Woche mal nachgehen (dann werde ich auch konkreter via Twitpoll fragen, als dieses mal). Denn tatsächlich hält sich in weiten Teilen der Bevölkerung ja der Glaube, alle Zeitungsartikel landeten auch online. Bei meiner Umfrage oben vermute ich, dass die Teilnehmer medienkundiger sind als der Deutschen-Durchschnitt. Schließlich nutzen sie ein Instrument wie Twitpoll, lesen vielleicht gar auf Twitter Medienmenschen folgen.

Nur: Ist das wirklich so? Landet wirklich ein Großteil der gedruckten Zeitung auch im Web?

Dieser Frage möchte ich in den kommenden Wochen nachgehen. Denn schon der erste Steinwurf ins Wasser lieferte ein deutliches Ergebnis: das „Handelsblatt“. Warum mein Ex-Arbeitgeber? Weil mir der vor kurzem online mit der Veröffentlichung von PR-Material ins Auge fiel.

Die Ausgabe vom 16. Oktober enthielt 68 längere Artikel Autorennamen oder -kürzel. Nachrichtenschnipsel lassen wir mal ebenso außen vor wie reine Agenturgeschichten. Am Nachmittag des 18. Oktobers wurden davon 4 Artikel 1:1 übernommen, weitere 5 wurden modifiziert. Einer war bereits am Tag zuvor online. Das macht zusammengenommen magere 13 Prozent.

Doch wie es so schön heißt: „Nichts ist so alt, wie die Zeitung von gestern.“ Wie sieht es also am gleichen Tag aus? Noch schlimmer, natürlich. Die Ausgabe vom 18. Oktober enthielt 72 relevante Artikel. Am Nachmittag waren davon 4 schon am Morgen vor dem Erscheinen des Gedruckten online, 2 waren übernommen und zwei verändert worden – macht nur 11 Prozent.

Was die Leser von Handelsblatt.com geboten bekommen ist also das, was die unter den oben beschriebenen Umständen arbeitenden Online-Redakteure produzieren, natürlich ergänzt durch eine Flut von Agenturmaterial. Immer wieder hisst auch das „Handelsblatt“ die Flagge des Paid Content. Glaubt die Geschäftsführung tatsächlich, dass unter solchen Umständen der Markenbildung die Bereitschaft zum Bezahlen der Inhalte vorhanden ist?

Natürlich ist dieses Vorgehen auch schädlich für die Online-Einnahmen. Denn weniger guter Content bedeutet eben auch weniger Traffic bedeutet weniger Werbeeinnahmen. Diese werden zurückgestellt zu Gunsten der potenziellen Möglichkeit, dass diese Inhalte für Leser so reizvoll sein könnten, dass sie dafür zahlen. Vor allem aber müssten sie auch noch wissen, dass sich Print- und Online-Inhalte maßgeblich unterscheiden – doch das teilt ihnen natürlich niemand mit.

Gehörige Kollateralschäden gibt es natürlich auch noch. Die Artikel werden dem gesellschaftlichen Diskurs entzogen. Weder können sie öffentlich diskutiert, noch können sie weitergereicht werden. So wie früher halt, als es nur Zeitungen gab. Doch sind wir eben nun ein paar Jahre weiter, wir nennen das Fortschritt.

Zum anderen sind da die Journalisten. Kürzlich sagte mir ein Redakteur einer überregionalen Tageszeitung, ein Kontakt habe ihm gesagt „Sie schreiben ja gar nichts mehr.“ Doch, habe er versichert, aber in Print. Der Gesprächspartner bekam zwar noch das gedruckte Objekt – blätterte es aber nur flüchtig durch. Setzt sich diese Wahrnehmung durch, verlieren die heutigen Print-Redakteure ihren Einfluss – und auf Dauer auch ihre Karriere.


Kommentare


Helmut Springer 19. Oktober 2012 um 11:49

Der Autor ignoriert konsequent wie immer die taz, die bereits seit vielen Jahren im Volltext tagesaktuell online ist und damit ein interessantes Vergleichsobjekt liefert…

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Holger 19. Oktober 2012 um 12:15

Ich hatte Schwierigkeiten mit der Schlichtheit der Fragestellung. Meine Regionalzeitung, die Lübecker Nachrichten, stellt zum Beispiel vor allem ihre eigenen Lokal-Berichte online – die aber naturgemäß nur etwas mehr als ein Viertel der gesamten Zeitung ausmachen (inklusive „Mantel“ und Anzeigenteile bzw. Beilagen). Da ich nicht wußte, wohin die twittpoll-Frage zielte, dürften meine 25% also vom Fragesteller letztendlich falsch interpretiert werden. Die benachbarte Ostsee-Zeitung stellt alle Lokalmeldungen online, auch die Fitzelchen – aber nur für die Abonnenten. Die sich zwar einloggen müssen, um diese lesen zu können, dafür aber seit Jahren keinen Euro zusätzlich zahlen. Für Nicht-Abonnenten gibt es hingegen nur eine Auswahl der Lokalartikel frei verfügbar. Welche Zahl soll man hier anklicken? Und letztlich gibt es beide Zeitungen ja noch als ePaper und ePaper-App. Über twitpoll irgendwie schwer zu erfassen …

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Matze 19. Oktober 2012 um 12:22

Ich finde, man sollte unterscheiden, um was für Artikel es geht. Stellte man alle Artikel immer sofort Online, dann würden sie zum einen wie in der Zeitung gar nicht einzeln wahrgenommen (weil es zu viele auf einmal wären), zum anderen (das ist wichtiger) gäbe es dann wirklich für noch mehr Menschen keine Motivation mehr, eine Zeitung zu kaufen.

Und zum Beispiel eine aufwendig recherchierte Reportage (z.B. die aus dem Samstags-Feuilleton der F.A.Z.) erst nach ein paar Tagen online zu stellen, finde ich absolut nicht verwerflich, sondern ziemlich verständlich.

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Benedikt 19. Oktober 2012 um 12:30

Bei der Welt gehen alle Texte online – in den meisten Fällen vor dem Verkaufsstart der Printausgabe. Bei Welt am Sonntag kann das bis Montag dauern.

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Maurice Shahd 19. Oktober 2012 um 13:18

Die Frage, welche Artikel die Redaktionen aus dem Print-Produkt ins Internet stellen sollen, ist so alt wie es Online-Ausgaben von Zeitungen gibt. Es wurde und wird alles probiert: von „online first“ bis „paywall total“. Den Königsweg hat noch keiner gefunden. Klar dürfte sein: Wenn alles online geht, kauft keiner mehr die Zeitung. Insofern negiert der Beitrag die wirtschaftlichen Zwänge der Verlage.
Problematisch finde ich, dass den Online-Redakteuren pauschal unterstellt wird, sie liefern schlechtere Qualität. Ich habe den Eindruck, dass die Online-Angebote der Zeitungen immer besser werden und zunehmend ein eigenes Profil entwickeln. Das ist notwendig und aus meiner Sicht der richtige Weg. Die Online-Ausgaben von Zeitungen werden überwiegend von anderen Menschen gelesen als das Printprodukt. Zudem haben Online-Leser andere Bedürfnisse, z.B. wenn sie sich in der Mittagspause einen kurzen News-Überblick verschaffen wollen.
Daher halte ich es nicht für besonders fortschrittlich, die gesamten Inhalte der Printausgabe blind online zu stellen.

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Thomas Knüwer 19. Oktober 2012 um 13:26

Das sehe ich anders. Der Kauf einer Zeitung ist doch unabhängig von der Frage, ob alles online ist. Die Menschen sind heute wesentlich unabhängiger von solchen Fragen. Sie werden Zeitungen kaufen, wenn eine Zeitung für sie einen Nutzen erbringt. Das Dumme ist aber, dass die Technologie Zeitung eben von der Technologie Internet abgelöst wird. Zeitungen sterben. Nicht in 20, 30 Jahren – sondern ganz real heute in Deutschland.

Ich unterstelle den Online-Redakteuren nicht pauschal, schlechtere Qualität zu liefern. Nur das Fundament, von dem aus sie arbeiten, ist durchgängig schlechter als das ihrer Print-Kollegen.

Auch behaupte ich: Zeitungen werden nicht von anderen Menschen gelesen, als die Online-Angebote. Diese Trennung trifft nur auf ältere Menschen ohne Online-Zugang zu – nicht gerade eine wachsende Klientel. Wenn – laut Forschungsgruppe Wahlen – 99% der 18- bis 34-jährigen Deutschen im vergangenen Monat online waren, dann existiert die Trennung nicht mehr.

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Georg Watzlawek 19. Oktober 2012 um 15:04

Ein ungewohnt unausgereifter Beitrag, lieber Ex-Kollege. Hätte gar nicht gedacht, dass Du seit dem Verlassen der Handelsblatt-Redaktion den Kontakt so stark verloren hast. @luebue hat natürlich Recht: die Zeiten, als Onliner das brachten, was in der Zeitung vom Vortag stand, sind vorbei – zumindest beim Handelsblatt.

Und dennoch steckt Handelsblatt drin, wo Handelsblatt draufsteht, allerdings in unterschiedlichen Dareichungsformen. Was heute morgen im gedruckten Handelsblatt steht, haben wir bereits gestern berichtet und kommentiert. Heute sind wir einen oder zwei Schritte weiter.

Überhaupt nicht nachvollziehen kann ich Deine Trennung in Online- und Printjournalist. Wir wird sind Journalisten. Punkt. Wo unsere Texte publiziert werden, ist zweitrangig: print, online, digital, egal.

Wer das anders sieht und sich krampfhaft in der Printwelt festklammert, der wird tatsächlich einen Kollateralschaden erleiden, Newsweek lässt grüßen. Aber das kann doch kein Argument sein, heute auf Handelsblatt Online die Zeitung von gestern abzubilden. Ganz im Gegenteil.

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Thomas Knüwer 19. Oktober 2012 um 15:38

Nette Replik – läuft aber ein wenig ins Leere. Denn: Besteht somit das Handelsblatt nur aus Nachrichten, die sich schon bei Veröffentlichung in Print überlebt haben? Keine Reportagen, Hintergründe oder Kommentare, die es sich lohnen würde, nach dem Gedruckten zu veröffentlichen?

Und natürlich geht es ja nicht nur darum, dass irgendwas irgendwie berichtet wird. Es geht auch darum, ob die Top-Experten darüber schreiben. Schaut man sich die Autorenprofile bei Handelsblatt.com an, könnte man den Eindruck gewinnen, die Branchenexperten haben ruhige Tage – denn so fürchterlich müssen sie nicht publizieren. Tatsächlich aber landen eben viele Artikel, die sie verfassen nicht online.

Lustig finde ich, dass Du eine Trennung von Print und Online negierst. Natürlich hat auch das Handelsblatt Onlineredakteure und Printredakteure. Die einen haben einen Tarifvertrag, die anderen nicht. Schon vor Jahren habe ich geschrieben, dass diese Trennung weg muss – aber natürlich ist sie immer noch da. Ein Beweis gefällig? Das Impressum des Handelsblatts: http://www.handelsblatt.com/impressum/

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Martin Dowideit 19. Oktober 2012 um 15:17

Übrigens gibt es auch sehr viele Artikel, die online erscheinen und nicht in der Printausgabe. Das gilt etwa für Live Blogs und – oh Wunder – unsere Video-Kommentare.

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Jordanus 19. Oktober 2012 um 15:38

Also, ich fände es gut, wenn mehr Artikel von GESTERN auch im Online-Auftritt zu finden wären. Ein Printprodukt von gestern ist vielleicht nicht so interessant, aber wenn ich spezielle Informationen auch später noch finden und davon profitieren kann, stärkt das auf jeden Fall meine Bindung an die Zeitung.

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Georg Watzlawek 19. Oktober 2012 um 15:43

@Jordanus: Kann ich mir vorstellen, dass Sie das nett fänden, die Printartikel KOSTENLOS online zu finden. Werden Sie aber nicht, sondern digital nur KOSTENPFLICHTIG als ePaper oder in der Datenbank http://www.genios.de/

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Thomas Knüwer 19. Oktober 2012 um 15:47

Und somit nicht online. Denn sie können nicht weitergereicht oder diskutiert werden.

Außerdem ist Handelsblatt.com nicht kostenlos. Die Leser zahlen mit dem wertvollsten, was sie haben: ihrer Zeit. Früher konnten Verlage diese Zeit über Werbung monetarisieren. Das haben sie verlernt. Nun machen sie ihr eigenes Problem zu dem ihrer Kunden – und das funktioniert im Internet-Zeitalter nun einfach nicht mehr.

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Georg Watzlawek 19. Oktober 2012 um 15:53

@Thomas: Klar, beim Handelsblatt arbeiten in der Printredaktion und in der Onlineredaktion unterschiedliche Leute, wie das Impressum ausweist. Aber das sind Journalisten, die alle Kanäle bedienen, mit Nachrichten und Kommentaren. Wie würdest Du mich denn bezeichnen? Bin ich etwa ein Onliner, weil mein Stuhl gerade dort steht? Verdiene ich weniger als früher, als er in der Printredaktion stand?!? Na ja, auf jeden Fall verdiene ich Zeit. Ist doch aus etwas. Schönes Wochenende!

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Thomas Knüwer 19. Oktober 2012 um 16:14

Georg, Du weißt genau, dass die Mitglieder der Online-Redaktionen der Republik unter schlechteren Bedingungen arbeiten als Print-Redakteure. Das heißt nicht, dass sie schlechtere Journalisten sind – aber Journalismus braucht ein gewisses Fundament. Nun bist Du ja aus der Print-Redaktion gekommen, mutmaßlich gilt noch Dein alter Tarifvertrag. Aber das ist eben nicht die Regel in deutschen Online-Redaktionen. Die Regel ist: Kein Tarifvertrag, schlechtere Bezahlung, keine Reisen, weniger Zeit zum Recherchieren. Und damit eine klare Kluft zwischen Online und Print.

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southpark zeigt den Weg 20. Oktober 2012 um 0:29

Southpark gibt’s legal wohl kostenlos im Netz.

Ich würde als Abonnent begrüssen wenn Artikel zb nach 100 Tagen kostenlos mit dynamisch wechselnder Werbung online zu haben sind. Ebenso, das man Artikel und/oder zb testberichte freikaufen kann. Denn ehrlich gesagt ist die Verwertung und gigantomanische Einnahmen und geldflüsse bei ziemlich allem eher nicht bis 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Und speziell bei Periodika (News, Zeitungen, fach-Zeitschriften) wären Artikel in digital-newsstand viel länger und (Garten, kochen, Technik, …) wiederholter verkaufbar als im gedruckten heft.
wenn man in der fremden Stadt ist, würde man in der Print-Zeitung schauen wo man so hingegen kann. In der App und online hingegen könnte man alle Restaurant-eröffnungsberichte seit x jahren en bloc sehen.
Die einzigen die wieder-vermarkten ist das Warentest-Jahrbuch. Bei allen anderen verrotten die Artikel im Archiv und sind mangels Archive.org bzw digital-Bibliothek oft auch gelöscht.

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Ratlos [Mobile] 21. Oktober 2012 um 5:42

Grundsätzlich hast Du recht, Thomas. Ich arbeite in einem Verlag mit mehreren Titel, darunter die FR. Anhand der Leserkommentare und Briefe kann ich Dir zustimmen, dass „da draußen“ nicht zwischen Print und Online unterschieden wird. Bei der FR ist der Anteil übernommener Printartikel für die Online-Version sehr hoch. Variiert etwas von Tag zu Tag, aber er liegt sehr selten unten 75-80%. Gleichzeitig bleibt die Sorge von Printkollegen berechtigt, dass Print überflüssig wird. Interview- und Gesprächspartner fragen, ob der Text auch online erscheint (sprich: dann brauche ich mir keine Zeitung zu kaufen). Leser rufen an und fragen, ob wir nicht einen bestimmten Text, von dem sie gehört haben, online stellen könnten. Sie sagen dann sogar geradeaus, dass sie keine Zeitung für einen Text kaufen wollen. Nach wir vor beschäftigt mich aber die Frage, wie mit Online Geld zu verdienen ist. Du und viele andere Medienblogger werfen den Verlagen seit Jahren vor, sie hätten verschlafen ihr Geschäftsmodell der neuen Internetzeit anzupassen. Gleichzeitig kenne ich keine Modell weltweit, das online funktioniert; und die Kritiker scheinen da auch ideenlos zu sein. Sicher, jeder Printverlag hätte eBay, google oder Craigslist werden können… Man hat sich ausgeruht und ist jetzt mit Schock aufgewacht. Es ist doch kein Zufall, dass die paywall as einziges Mittel – hier wieder weltweit – ausprobiert wird.
Dass SpOn funktioniert ist eher eine Ausnahme, denn ein Beweis. Ich muss immer wieder lachen, wenn ich daran denke, wie lange der Mutterkonzern die Online-Redaktion subventioniert hat und das Magazin gleichzeitig jahrelang gegen Subventionen und für HartzIV angeschrieben hat. Echt orwellsche Verhältnisse da in HH.
Ich denke, das ist mit ein Grund, warum manche Häuser versuchen mit Print und Online und Tablet-Ausgaben unterschiedliche Akzente und Inhalte zu bieten. Es wird nur leider völlig unterschätzt, dass „da draußen“ keine Unterscheidung gemacht wird.

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Thomas Knüwer 22. Oktober 2012 um 8:48

Der Mythos, Verlage verdienten im Internet kein Geld, ist genau das – ein Mythos. Ich habe das mal ausführlicher aufgeschrieben: https://www.indiskretionehrensache.de/2009/11/wie-verlage-im-internet-geld-verdienen/

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southpark kommt zurück 21. Oktober 2012 um 8:24

@ratlos: danke für bestätigte Vermutungen. Vieles ist auch nicht neu, wird von der Masse aber nicht wahrgenommen. Wer Investments nutzt (e-Autos an der Ecke oder Print-Berichte für welche Lohn gezahlt wurde) muss sich auch an der Refinanzierung beteiligen.

RTL und google verdienen mit Werbung zillionen. Es gibt mo-sa (6*) kostenpflichtige Abo/kaufzeitungen mit mischkalkulation vk-preis&werbe-Einnahmen und mi&sa zwei (also 4* pro Woche) kostenlose Zeitungen im Briefkasten die rein werbefinanziert sind. Man muss Drucken, verkürzen für prints platzbeschränkungen, fixe fristen usw endlich mal als Einschränkungen sehen und online und lokalradio „beneiden“ weil sie updaten und berichten können, wenn die Story passiert bzw fertig ist. Siehe auch Fußball oder Parteitage als beispiele für neartime-Berichte.

Endlich mal einer der auch craigslist als Beispiel heranzieht.
Die haben (hatten) wohl nur 60 Mitarbeiter. Aber in Europa kommen sie wohl auch nicht auf die Beine. Möglicherweise weil das Regionen-Konzept gut für USA passt, aber im eng-besiedelten Deutschland nicht gut klappt und Postleitzahlen und Umgebung vielleicht besser wären.

Wie hier vor ein paar Tagen berichtet wurde, sind Single-man-software-Projekte wie das genannte foursquare-Spiel problemlos möglich. Galaxy-wars und andere Projekte hatten auch nie Hunderte Mitarbeiter. Wenn man allerdings abgemahnt oder bis zum Verfassungsgericht verklagt wird, studiert man lieber BWL oder Jura und gründet Startups deren Zweck nur steueroptimierung und selbstbezahlung ist und das angebliche produkt und die Kunden eher nur bei der selbstbeweihräucherung (also beim Posen (engl) ) stören. Ein Kommentar zum Facebook-pagerank erkennt also leider nicht, das die Konzernspitze irgendwelche boni(leistungs)Metriken vorgibt und diese dann erfüllt werden. Aktionäre und Kunden sind dabei eher egal. Die Hintergedanken zu Entscheidungen werden von einer Praktikanten-Wirtschaftspresse eher selten erklärt. Dort geht es oft nur um Symptome während bei cnbc und vermutlich sonst überall jeder gesagt kriegt, das Merkel „kicks the can“. Also das Problem vor sich herschiebt bis die Wahl ist.

Die meisten Zeitschriften erscheinen nur im Abo und entstehen beim Herausgeber im Wohnzimmer. Denen würde ich gerne was organisieren worauf sie von Post, Adobe, Kindle, Apple schon lange warten.
Diese Abo- und vereinszeitschriften wie ADAC würden lieber elektronisch vertrieben und unterwegs am retinapad und von mallorcarentnern gelesen und gekauft werden! Sowas sind auch gigantische Anteile an Rezeption und mediennutzung während „Ivw-Presse“ und Berichterstattung (meedia, Blogger,…) diese Basis des Eisberges ignorieren obwohl sie täglich Kataloge, Vereins- und kundenzeitungen in der Hand halten. Softwarehilfen wären trivial und nützlich.

Wenn man aber Wischgestenpatente, Abmahnungen und Klagen bis zum Verfassungsgericht und leistungs-Abgabe („link-steuer“) zahlen soll, spart man sich diesen Ärger und erkennt das Desinteresse von Piraten, FSF und digiges an Erbringung (Crowd-basiert) problemlösender demokratischer konstruktiver Software. Das man die Abstimmungen erst total anonym macht und drannimmt Namen wiederholt um es offiziell zu machen und das ja/nein-verhältnis nicht zu unterschiedlich sein sollte kennt jeder von Partnerschaft>zusammenziehen>Hochzeit . Da kein wirksames Interesse an liquid besteht. Man muss den Konkurrenten liquid verschaffen. denn deren Basis will auch netzneutralität, vollversorgung, WiFree und ein gemeinsames billiges UMTS/LTE-Netz. Abschaffung der rot-grünen Ebook-Preisbindung, online-Lastschrift-Banking, usw.

Wenn ich Gewerkschaft wäre, würde ich die lebenslöhne der Journalisten ausrechnen und dafür sorgen das keine neuen Journalisten ausgebildet werden, bis der vorhandene bestand seine Ziel-lebenslöhne erreicht hat. Parteien, Vereine, Organisationen, Verlage und Blogger nutzen das Internet eher nicht zur Organisation. Web2.0 ist bestenfalls Kommentare und Facebook-Likes/Kommentare. Web3.0 (konstruktive legale verbessernde demokratische Crowd-power) wird alle kalt erwischen wenn Engländer oder Amerikaner in 2-10 Jahren endlich mal auf meine in Diktaturen nicht realisierbaren Ideen selber kommen oder liquid sich weiterentwickelt und „erwachsener“ wird.
Je länger das herausgezögert wird mit desdo mehr journalisten können dann vielleicht hartz4 beantragen oder als freischreiber PR-berichte für Konzerne schreiben.
Das Boot ist für viele berufsgruppen voll. Die presse interessiert es wohl nicht und Blogger interessierten altersarmut oder prekäre arbeitssituation eher wenig. Ausnahmen sind zb die wenig beachteten freischreiber.

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Mr. Video 23. Oktober 2012 um 14:04

Der netzaffine Herr Knüwer macht es sich leider wie oft zu einfach. Eine Zeitung und ein Medienwandel sind kein D-Zug. Das will sachte und besonnen angegangen werden. Die Zeitungen lernen gerade erst (seit einigen Jahren) Internet und befinden sich natürlich in einem Spagat zwischen alten wegbrechenden Printeinnahmen und neuer Internet-Infrastruktur. Sie werden schon selbst wissen und können es auch nur selbst bestimmen, wie schnell sie in diesem Wandel von einem alten zum neuen Medienkanal vorgehen. Die einstigen Printmedien haben dabei immerhin den riesigen Vorteil jahrzehntelanger journalistischer Erfahrungen und Infrastrukturen – die sind auch nicht zu unterschätzen und wollen von völlig Neuen Medien auch erstmal aufgebaut werden.

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Was deutsche Medien von Vox Media lernen könnten 30. März 2016 um 10:43

[…] Spiegel Online und “Der Spiegel”; Stern.de und “Der Stern”; FAZ.net und “Frankfurter Allgemeine”; Handelsblatt Online und “Handelsblatt”; RP Online und “Rheinische Post” – dies sind nur einige der Publikationen, bei denen Onlineauftritt und gedrucktes Objekt wenig miteinander zu tun haben. Sie sind anders positioniert, die Internetten haben nur unvollständigen oder gar keinen Zugriff auf Zeitungsinhalte, das Markenbild ist so scharf gestochen wie der Blick eines Seniors mit fortgeschrittenem Augenlinsenkatarakt. Vor sechs Jahren habe ich das mal ausführlicher aufgeschrieben, nach Bankoffs Auftritt scheint mir … […]

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Der Spiegel-Innovationsreport: hoffnungsarme Erschütterung 31. März 2016 um 14:47

[…] bei Verlagen: “Wo Zeitung draufsteht, ist nicht Zeitung drin” […]

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