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Das schlimme an der deutschen Zeitungsbranche des Jahres 2011 ist für mich ihr Versuch, die Öffentlichkeit für dumm zu verkaufen. Dabei würde es dem Überleben der Verlage – nicht der gedruckten Zeitung, die stirbt nun mal – aus meiner Sicht zuträglicher sein, sie spräche ihre Probleme offener an um den Innovationsprozess durch eine zukunftsgerichtete Diskussion zu befeuern.

Heute liefert der Vize-Chef des Hannoveraner Medienhauses Madsack, Thomas Düffert, solch ein Beispiel ab. Meedia hat ihn interviewt. Eigentlich ist es kein schlechtes Interview. Nur muss sich Düffert eben der Branchen-PR beugen und Dinge behaupten, an die er vielleicht selbst nicht glaubt (ich vermute das einfach mal, weil seine Aussagen in der zweiten Hälfte des Gesprächs interessanter und realitätsnäher sind als vieles, was ich aus anderen Verlagshäusern lese).

Gleich die erste Frage muss Düffert mit dem Mantra der Zeitungsverlage kontern: Zeitungen sterben nicht.

So wichtig ist es, diesen Satz von der Brust zu bekommen, dass er ihn ausstößt, ohne, dass er zur Frage passt:

„Meedia: Herr Düffert, Madsack hat jetzt die Märkische Allgemeine von der FAZ gekauft. Was ist der Sinn dieser Akquise und vor welcher besonderen Situation stehen Sie dort?

Düffert: Zunächst einmal: Das Geschäftsmodell der gedruckten Tageszeitungen wird uns noch sehr lange tragen. Das ist die solide Basis. Natürlich sind auch bei uns Auflagen und Anzeigengeschäft unter Druck. Aber die Branche sollte die eigene Zukunft nicht zu pessimistisch sehen. Unsere lokale und regionale Kompetenz – inhaltlich und in der Vermarktung – hat auch zukünftig einen hohen Wert. Davon sind wir jedenfalls überzeugt und machen deswegen beim Abgesang auf das Zeitungsgeschäft nicht mit.“

Tja, nur steht im Madsack-Geschäftsbericht, einzulesen beim Bundesanzeiger, folgendes:

„Die Rahmenbedingungen im Werbemarkt für klassische Tageszeitungen sind weiterhin schwierig. Angesichts der zu erwartenden demographischen Entwicklungen, des technischen Fortschritts im Kommunikations- und Informationsbereich und vor allem wegen der Auswirkungen des Internets auf das Mediennutzungsverhalten, ist ein Ende der rückläufigen Zeitungsauflagen generell derzeit nicht abzusehen. Die Auflagenverluste bei den Tageszeitungen sind danach weitgehend struktureller Natur.“

Sprich: Da wird nichts mehr hoch gehen, es geht um das Melken eines Marktes, dessen Ende absehbar ist.

Genau deshalb pochen die Verlage ja auch auf eine Lockerung des Kartellrechts: Wir erleben den typischen Konzentrationsprozess eines überreifen Marktes. Wenn quer durch das Land im Jahr 2011 Verleger begannen, Verkaufsverhandlungen zu führen, so passierte dies nicht aus Langeweile, sondern aus der bitteren Erkenntnis, dass es ihrem Haus nie mehr besser gehen wird – gleichzeitig aber die Einleitung des Wandels in die digitale Ökonomie verpennt wurde. Diesen nun von Null auf Hundert zu schaffen ist so teuer, dass dieses Unterfangen nur im Rahmen eines großen Medienkonzerns stemmbar scheint.

Dieser Verlust an journalistischer Vielfalt und Qualität wird der Öffentlichkeit dann als tolle Sache verkauft. Nehmen wir noch einmal Düffert:

„Natürlich heben wir dabei auch Synergieeffekte, und ja, wir wollen mit diesem Modell das gesparte Geld produktiver in Qualität und neue Produkte sowie digitale Vertriebskanäle investieren. Es geht also nicht um Kosten sparen um des reinen Sparens willen, sondern um Investition und Reinvestion.“

Der Geschäftsbericht spricht eine deutlichere Sprache: Die Zukäufe dienen zuallererst dem Heben von Einsparungspotenzialen.

„Die seit Jahren von der Geschäftsführung verfolgte Strategie der konsequenten Weiterentwicklung des digitalen Workflows als Grundlage für Kostensenkungen sowie die Sicherstellung des Unternehmenswachstums über Beteiligungen zur Erschließung von Synergien und größenabhängigen Skaleneffekten hat sich bewährt. Mit den Beteiligungszukäufen in 2009 und 2010 wurde diese Politik wesentlich vorangetrieben. Die Schaffung von Synergien und Skaleneffekten sowohl bei betrieblichen Prozessen als auch auf der Produkt- und Vermarktungsseite für den vergrößerten Unternehmensverbund ist der Schwerpunkt der Geschäftsaktivitäten der Gegenwart und näheren Zukunft.“

Nur noch mal zum Nachschmecken: Die Schaffung von Synergien und Skaleneffekten… ist der Schwerpunkt der Geschäftsaktivitäten.

Das bedeutet im Klartext: Wer Mitarbeiter eines von Madsack zugekauften Unternehmens ist, darf sich auf eine Kündigungswelle einrichten. In Sachen inhaltliche Qualität der Zeitungen gibt es ebenfalls klare Prioritäten. Der Geschäftsbericht lobt dort als zukunftsträchtig: „Sonderbeilagen, Sonderwerbeformen, ergänzender Mehrwertdienste und verstärkt hochwertiger magazinartiger Supplementprodukte“. Was bedeutet: Im Lesermarkt ist nichts mehr zu wollen, es geht vor allem darum, die vorhandenen Leser besser mit Werbung zu beschallen.

Was nun diesen digitalen Wandel betrifft, so dreht sich sehr viel im Interview darum. Tatsächlich aber besitzen die Zukäufe in diesem Bereich für Madsack nur tertiäre Bedeutung, wie der Geschäftsbericht andeutet:

„Beteiligungen vor allem auf den Verlags-, Logistik- und Internetmärkten sind für die Mediengruppe Madsack von grundlegender Bedeutung zur Sicherung von Ertragskraft und Wachstum im Konzern.“

Erstens also geht es um Verlagszukäufe, zweitens um Postdienstleistungen und dann noch irgendwie um das Internet. Dabei ist Madsack ja ein Verlag, der nicht ganz so übel in diesem Feld aussieht. Und auch wenn jenes Unterhaltungselektronikgeschäft, Media Store genannt, bei meinem letzten Hannover-Besuch vor allem durch Leere hervorstach, so ist auch dies kein übler Versuch.

Doch wünsche ich mir einfach den Verlagsmanager der den Mut hat, klare Kante zu zeigen. Einer, der sagt: „Tageszeitungen werden nicht überleben, wir müssen zusehen, dass die Verlage das überstehen. Und dafür brauchen wir Mut, Ideen und ein verdammt gutes Durchhaltevermögen. Und all das wird noch sehr, sehr hässlich werden.“


Kommentare


Ray 19. Dezember 2011 um 18:49

So sieht es wohl aus. Leider werden dabei einige Unannehmlichkeiten für arbeitende Menschen auch ins Internet hinüber getragen. Die Content-Agenturen (und als solche verstehen sich ja wohl auch Firmen wie dpa) verkaufen ihren Billig-Content in zunehmendem Maße auch im Internet. Was das für die schreibende Zunft bedeutet, dürfte klar sein.

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Jens Best 20. Dezember 2011 um 1:55

Wenn man einen Verlagsvertreter ohne kritische Rückfrage Lügen wie “ Nur weiterhin alles zu verschenken, macht sicher keinen Sinn.“ sagen lässt, sollte man seinen Job als Journalist an den Nagel hängen. Seit wann ist werbefinanziert = verschenken?

Die Schmerzen in den Verlagen müssen wohl noch heftiger werden, bevor man versteht, dass die Zeiten sich geändert haben.

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Lesenswertes vom 20.12.2011 | Floyboy – Florian Heinz, Journalist 20. Dezember 2011 um 7:03

[…] indiskretionehrensache.de: Madsack zwischen PR und Wirklichkeit: Thomas Knüwer hat das Interview mit Thomas Düffert analysiert und auseinandergenommen: Eigentlich ist es kein schlechtes Interview. Nur muss sich Düffert eben der Branchen-PR beugen und Dinge behaupten, an die er vielleicht selbst nicht glaubt (ich vermute das einfach mal, weil seine Aussagen in der zweiten Hälfte des Gesprächs interessanter und realitätsnäher sind als vieles, was ich aus anderen Verlagshäusern lese). […]

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Tim 20. Dezember 2011 um 11:38

Derzeit erscheint das ziemlich schmerzbefreit. Was ich bei einer Anzeige im Stellenmarkt einer regionalen Metropolenzeitung feststellen durfte. Obwohl Zielgruppe und Verbreitung sicher ganz gut gepasst hätten. Der Preis ist jenseits von Gut und Böse. Also erschien die Anzeige in Stellenportalen im Internet muit ganz guter Resonanz.

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Micro payment 24. Dezember 2011 um 14:26

Das muss nicht hässlich werden. Das kann durchaus profitabel werden. Die hunderttausenden Arbeitslosen Zeitungs-Austräger und Buchhändler und Kioske werden ein gigantisches Problem. Aber das habe ich schon vor Jahren gesagt.
Hässlich ist es nur, weil die Presse ständig neue Leute ausbildet, das Boot aber (auch schon vor EReadern) längst voll ist. Fachschaften und Gewerkschaften sind die zigtausenden Freischreiber egal.

Die erste Pferdekutschen-Versorgungs-Kette die damals auch Benzin für die „bösen“ Explosionsmotoren oder Wasser für die Dampf-Wagen (Jay Leno sammelt die) angeboten hat, wurde sicher auch angefeindet. Also kann man als Verlag niemals sagen das E besser ist als das „doofe“ Papier was auch noch ständig teurer wird. Springer kauft bald russisches Papier aus frisch geschlagenen Bäumen soweit ich das verstanden habe. Danke Trittin für die Ebook-Preisbindung.
Gute Blogger würden verbindliche Aussagen der Top-Manager und mittleren Managements bei Youtube einsammeln und dafür sorgen, das diese Leute beim Platzen der Blase von keinem Unternehmen mehr aufgenommen werden und von ihren Ersparnissen bis ans Ende leben müssen. Keine Sparkasse sollte Unternehmen die solche Zukunfts-Versager einstellen welche Millionenschäden zu verantworten haben, noch Kredite geben.

+ Leuchtende 60-Euro-Farb-Reader sind möglich beweist Hugendubel. Leider sind die anderen Staaten auch nicht besser oder 60 Euro sind zu viel, sonst wäre Print dort überall gerade live täglich sichtbar am aussterben.
+ Werbefinanzierung geht auch am Internet. RTL und Pro7 beweisen, das man sogar werbefinanzierte TV-Sender PROFITABELST!!! betreiben kann. Siehe auch #2 Jens Best. Wenn die Freischreiber besser wären, würden sie eine Art Genossenschaft gründen und die E-Texte dann legal und zum Vorteil aller ohne Gebühren-Schneiderei von irgendwelchen Inselstaaten oder Hong-Kong vertreiben. Leider ist Kimble wohl nicht interessiert.
– Man kann stattdessen natürlich auch die VG-Wort ausbauen und alle Drucker und Toner-Patronen Haushalts-Leistungs-Schutzabgaben bezahlen lassen. +100000% Einnahmen für die VG-Leistungsschutz. An die Autoren gehen -10% gegenüber früher wegen erhöhter Verwaltungs-Aufwendungen.
+ Man kann Texte viel länger und öfter mit frischer aktueller Werbung verkaufen. Siehe Stiftung Warentest für einzelne Tests. Oder Texte jährlich auffrischen wie „Checkerselftests für Bewerbung 2012“. Davon verkauft man übers Jahr hinweg zigtausende an BWLer vor Kölner,… Bewerber-Kongressen statt nur 1 Woche im Jahr in der Print-Zeitschrift.
– Dummerweise sind die Micro-Payment-Systeme noch nicht wirklich micro. Ich hab da viele Ideen aber Juristen durchfüttern will ich nicht. Also trivialpatentieren Amerikaner sich sowas wie QR-Codes scannen und per Handy die Bezahlung losschicken. Um Gebühren und voll abzukassieren muss man es mit *iro-*ay oder NFC-Super-Chips oder sonstigen Gebührenkrallern verknüpfen. Obwohl es auch Gebührenfrei oder gebühren-arm ginge.

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Im Gasthaus „Zum Prinzip“ im Herzen Hannovers 12. März 2012 um 19:31

[…] hat Düffner vor einiger Zeit schon einmal bewiesen, dass er schöne, PR-konforme Sätze formulieren kann, die durch Realität und den Geschäftsbericht […]

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