Was war mancher Unternehmensentscheider atemlos, als Google sein Social Network Google+ eröffnete. Mit aller Macht wollten viele direkt hinein obwohl Google warnte: Die Wirtschaft möge sich noch zurückhalten, es werde ein eigenes Profil-Format für sie geben. Doch so einen euphorisierten Social-Media-Verantwortlichen in seinem Lauf hält so schnell nichts auf. OK, außer Google. Reihenweise löschte der Such-Konzern Firmen-Accounts aus Plus.
Seit gestern nun dürfen sie, die Marken und ihre Lenker: Pages heißen die Unternehmensauftritte – genauso eben wie auf Facebook. Im Firmenblog schreibt Plus-Lenker Vic Gundotra:
„Google+ has always been…“
Always seit Juni 2011 – das ist ein bisschen lustig.
„…a place for real-life sharing, and Google+ Pages is no exception. After all: behind every page (or storefront, or four-door sedan) is a passionate group of individuals, and we think you should able to connect with them too.
For you and me, this means we can now hang out live with the local bike shop, or discuss our wardrobe with a favorite clothing line, or follow a band on tour. Google+ pages give life to everything we find in the real world. And by adding them to circles, we can create lasting bonds with the pages (and people) that matter most.“
Eine Reihe Unternehmen sind schon dabei, Toyota und Pepsi, zum Beispiel. In Deutschland sind gestern nach noch die ersten Profile hoch gegangen, zum Beispiel beim Vorreiter in Sachen Vernetzte Museen, dem NRW-Forum in Düsseldorf.
Alles gut also? Einfach das machen, was bei Facebook gelernt wurde?
Denkste.
Für Unternehmen dürften die Google+-Pages eine größere Herausforderung darstellen als jene im Reiche Zuckerberg.
Facebook ist eine Art Heimathafen für alle, die sich für eine Person oder eine Marke interessieren. Sie laufen dort ein und sehen, wie voll die Kneipen sind, was sich so tut. Und sie können von sich aus aktiv werden und einem Produkt oder einer Marke etwas schreiben.
Dies ist vor allem aus zwei Gründen wichtig: Einerseits befeuern sich Fans so gegenseitig, sie feiern sich und das Produkt. Andere sehen dabei zu und halten es deshalb für erstrebenswert oder zumindest gesellschaftlich konform, dies ebenfalls zu tun. Was ich damit meine, zeigt ein Blick auf die Facebook-Wall von Starbucks. Sie füllt sich im Minutentakt mit Verbrauchern, die Starbucks bejubeln oder sich selbst mit dem koffeeinhaltigen Getränk ihrer Wahl abbilden. Dieses wohlige Gefühl der Verbindung mit einer gemochten oder geliebten Marke ist bei Google+ nicht möglich. Denn dort können Freunde/Kontakte/Fans nichts auf eine Wall schreiben – die eben gibt es ja nicht.
Dies behindert auch einen zweiten Aspekt: den Kundenservice. Ein Erlebnis wie ich es jüngst mit Sixt hatte, also die Klärung einer Kundenbeschwerde via Facebook, ist so bei Google+ nur erschwert möglich. Die einzigen beiden Chancen für Kunden bestehen in einer 1:1-Nachricht – doch dann kann er ja gleich die Servicestelle per E-Mail kontaktieren; oder er kommentiert unter einen Artikel des Unternehmens. Dazu aber müsste er vom Thema des Artikels abweichen, also off-topic gehen. Das tut die geringere Zahl der Kommentatoren im Web, die meisten empfinden es als unhöflich. Gerade so, als drängte man sich auf einer Party in ein Gespräch, an dem ein Arzt beteiligt ist, um ihn zu fragen, was er gegen Rückenschmerzen tun könne.
Gut, der Verbraucher könnte noch über Bande spielen: Die Marke in einem eigenen Post erwähnen in der Hoffnung, dass einer der Verantwortlichen draufschaut. Elegant und leicht zu handhaben erscheint mir das aber nicht.
Somit fallen zwei für Unternehmen interessante Funktionen von Facebook aus. Was ebenfalls fehlt: die Möglichkeit eigene Funktionalitäten zu integrieren, eigene Landing Pages oder Spiele oder Shop-Funktionen. Das betrifft auch die Gestaltung: Einerseits ist das Aussehen der Pages angenehm kühl und rein – andererseits eben auch recht unemotional.
Sollten Unternehmen also die Finger von Google+-Pages? Nein, aber mal darüber nachdenken, was man dort tun möchte – das sollten sie. Wie Gundotra in seinem Blog-Eintrag schreibt, geht es bei Plus vor allem um das Teilen von Inhalten und deren Filterung für den persönlichen Konsum. Dafür ist die Plattform exzellent aufgesetzt.
Damit wären wir bei einer Entwicklung, die sich seit einiger Zeit abzeichnet, die bei Deutschlands Unternehmen aber noch nicht vollkommen angekommen ist: Marken, Firmen, Dienstleister werden immer mehr zu Informationskuratoren, zu Filtern, zu Medien (mehr zum Zeitalter der Kuratorn im Artikel vom Mai). Und Kuratoren sind in einer Zeit mit immer mehr Inhalten und immer mehr Individualierungsmöglichkeiten beim Inhaltekonsum gern gesehen.
Die meisten Unternehmen glauben aber, sie hätten nicht mehr Inhalte als Pressemitteilungen, Produktkataloge oder Beipackzettel. Ihnen kommt nicht in den Sinn, dass Verbraucher gerne hinter die Kulissen schauen oder eine Marke akzeptieren als fachkundigen Informationsfilter, gar Informationsproduzenten in einem spezifischen Feld (wie die Zukunft solch einer neuen Form der Unternehmenskommunikation aussehen kann, zeigt seit Anfang des Jahres mein Kunde Schwarzkopf).
Wer solche Inhalte hat, wer bereit ist, sich als Kurator zu engagieren, für den sind Google+-Pages ein interessantes Instrument. Wer glaubt auch auf Google+ Fans einsammeln zu können mit „Was macht Ihr am Wochenende?“ und „Unser Erdbeer-Joghurt nächste Woche 20 Cent günstiger“ dürfte recht wenig Erfolg einfahren.
Also, theoretisch. Denn praktisch scheint es als sei die Aktivität auf Google+ erheblich zurückgegangen (Disclosure: Ich war nie recht begeistert von Plus, nutze es aber.). Dies aber ist eine sehr subjektive Beobachtung.
Kommentare
Jakob 8. November 2011 um 17:47
Dazu folgende Bemerkungen: #1 Grund für das „Liken“ und „Fan“-Werden von Privatnutzern ist nicht – wie ich ursprünglich dachte – die hohe Identifikation mit der Marke („Durch Marken zeige ich, wer ich bin“), sondern Rabatte, Daily Offers usw. Es geht, leider, nur um den geldwerten Vorteil. Siehe dazu: http://ht.ly/1fxCCv Das geht auf Google+ nun genauso wie auf Facebook.
Und weiterhin: „Was ebenfalls fehlt: die Möglichkeit eigene Funktionalitäten zu integrieren, eigene Landing Pages oder Spiele oder Shop-Funktionen.“ – es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis Google hier nachzieht. Wieso sollte eine Marke sich *ernsthaft* um seinen Google+ Account kümmern, wenn man auf Facebook weitaus mehr Interaktion, Möglichkeiten und vor allem ja (potenzielle) Fans hat?
buzzme 8. November 2011 um 17:53
Gut und passend geschrieben!
Ich dachte zuerst, dass hier nun wieder so ein typisches „blabla“ Gesülze kommt, was es in letzter Zeit von all den neunmalklugen gibt, aber du hast es gott-sei-dank passend auf den Punkt gebracht!
Jakob 8. November 2011 um 18:08
Die Diskussion des gleichen Themas, wenn auch mit anderen Ansätzen wird im Übrigen hier begonnen: http://adage.com/article/digitalnext/pages-google-facebook/230856/
Marc Nemitz 8. November 2011 um 20:14
Hallo,
man muss als Firma schon eine gewisse Größe haben, damit man bei Facebook oder G+ eine gute Page bekommt, bzw. diese mit Rückmeldungen füllen kann. Für den Mittelstand gilt immer noch die Deivse, es muss sich lohnen.
Ich selbst habe zwar auch Pages auf FB und G, bevorzuge aber für eigene Kritik durchaus eigene Webseiten. Hier kann mir kein Verantwortlicher so einfach meinen Beitrag löschen.
Für mich bieten die Unternehmensseiten bis jetzt noch keinen Mehrwert für Unternehmen, sondern einfach zusätzliche Arbeit für die Betreuer.
mfG
Marc
Marcel Janus 8. November 2011 um 21:47
Was ich nicht ganz verstehe ist das der Kundenservice nicht so wie auf Facebook möglich sein soll. So wie ich es bisher verstanden habe ist das genauso wenn nicht sogar besser möglich – es sind sogar Hangouts mit den Kunden möglich. Ebenso kann ich mich und meine z.B. Starbuck Café ablichten und diesen auf dem Foto tagen.
Oder sehe ich das jetzt grundlegend falsch?
Kosmar 8. November 2011 um 22:09
Mit einer Marke per +mention reden, ich glaube durchaus, das wird bald effektiv so sein. Ist bei Twitter nicht anders.
Thomas Knüwer 8. November 2011 um 23:03
@Jakob: Ich spreche nicht vom Liken sondern von dem, was auf Pinnwänden stattfindet – also die echte Nutzeraktivität. Und da ist auch ohne Gewinnspiele und Rabatte teilweise die Hölle los – sieh Starbucks.
Thomas Knüwer 8. November 2011 um 23:04
@Marc Nemitz: Auch Mittelständler können auf Facebook eine Menge schöne Dinge veranstalten und die Kommunikation mit den Kunden auf eine neue Ebene bringen. Beispiele sind sicherlich Krones aber auch mein Kunde die Keksfabrik Freitag.
Google+ Brand Pages: Für selbständige Kuratoren | Das Textdepot 9. November 2011 um 14:05
[…] unter anderem, weil diese nur von einem User gemanaged werden können. Auch Thomas Knüwer ist skeptisch: Er argumentiert vor allem, dass bestimmte Konzepte, die bei Facebook selbstverständlich sind […]
Markus Breuer 9. November 2011 um 14:29
Ich glaube nicht, dass das mit der direkten Interaktion zwischen Kunde/Fan und Firma/Marke auf Google+ wirklich so viel umständlicher werden wird wie auf Facebook. „Anders“ vielleicht. Zumal die Pages momentan ja noch eine sehr rudimentäre Funktionalität haben, die sicherlich nicht so bleiben wird. Und ob die Pinnwand die beste aller denkbaren Lösungen für diesen Zweck ist, wird nur die Zeit zeigen.
Ich bin mir aber gar nicht sicher, dass die Google+ Pages eine 1:1 Konkurrenz zu FB Pages darstellen sollen. Um zu verstehen, warum Google diese funktional sehr simplen Pages jetzt released hat, muss man m.E. die Kombination mit dem zeitgleich vorgestellten Direct Connect sehen:
Die Mehrzahl der Menschen beginnt jede Suche mit Google. Auch für Marken ist es sehr einfach, diesen Menschen beizubringen: “Tippe +MARKE und du kommst garantiert auf eine verifizierte Seite von uns” Das ist sowohl für den Suchenden als auch die Marke eine ziemlich elegante Lösung.
Faszinierender Nebeneffekt. Google versucht, aus dem +MARKE eine Ikone zu formen, die wie die Ikone @NAME oder Verben wie googeln und liken Teil unserer Kultur wird und untrennbar mit Google verbunden ist. Wenn das gelingt, wäre das – rein markentechnisch gesehen – genial!
Wer Google+ allein als Angriff „gegen“ Facebook zu verstehen versucht, springt m.E. zu kurz. Strategien „gegen“ springen fast immer zu kurz und sind selten erfolgreich, weil sie dem “Gegner” die Initiative, das Gesetz des Handelns überlassen. Sie verharren in der Defensive, der Reaktion.
Google fährt einfach eine ganz andere Strategie: Sie agieren. Sie machen das weiter, was sie gut machen (Search und Online Advertising). Sie versuchen, die Felder Identity und Sharing zu besetzen – aber nicht „gegen“ Facebook sondern „für“ ihr Kerngeschäft. (Search und Online Advertising).
siehe: http://notizen.steingrau.de/2011/11/09/google-plus-direct-connect-google-strategy/ 😉
» Google+ Pages: Das müssen Sie wissen 9. November 2011 um 16:02
[…] und für Menschen, die sich untereinander verknüpfen. Doch, wie auch Thomas Knüwer auf seinem Blog beschreibt, fehlen Google+ Pages eine essentielle Eigenschaft, die Facebook Pages eigentlich […]
Der Ruhrpilot | Ruhrbarone 10. November 2011 um 8:04
[…] Internet I: Brauchen Unternehmen Google+-Pages?…Indiskretion Ehrensache […]
Unter nehmen 13. November 2011 um 15:08
Google könnte sich bottom-up statt top-down bei google+ orientieren: Bei Facebook ist vielleicht wenn die FDP die Werberegeln machen würde. Einige wenige bedauerliche Einzellfall-Kunden würden 20-jährige LTE-Verträge und diverse Nebenkosten im Kleingedruckten kritikwürdig finden und sonst wäre nur Party im Dorf und alle würden sich gegenseitig liken… und Top-Down-Werbung und Gewinnspiele und noch mehr Newsletter und noch viel viel mehr Werbung . Bei Google haben die Kunden vielleicht sogar mal Rechte und daher wird stärker reguliert, was Marketinglern, Abzockern usw. nicht recht ist. Wer heute Windows7 kauft, muss morgen Windows8 nachkaufen. Bei Apple hingegen haben Kunden Rechte und kriegen sogar Updates für ältere Handies. Als Kunde wird man bei Apple eher nicht abgezockt oder als billiges Stimmvieh behandelt und das wissen die Kunden. Da kann google sich problemlos als mal funktionierender „Verbraucherschutz“ positionieren wo Kritik nicht wie in Syrien mundtot gemacht („deleted“) wird. Siehe sixt-Bericht hier letztens.
Wenn ich Wirtschaftsminister wäre, hätte ich das längst eingeführt: Anonym könnten Kunden (wie aktuell wegen O2) oder Kleinaktionäre und natürlich Mitarbeiter voten um Probleme aufzudecken („Der Akku vom Ipod explodiert“ „Der Unterboden rostet schneller durch als wir es gewohnt sind“ und alle KFZ-Werkstätten voten mit). Sowas gehört eigentlich auch zur Testierung und ISO9000.
Stattdessen (wenn auch mit anderer Intention) könnte Google sich als Kundenkontakt-System etablieren wo man nicht wie im Callcenter beschwichtigt und hingehalten wird. Dann wird Anstand bei Großfirmen vielleicht mal normal. Eine Welle wie „ich will 3monatige LTE-Verträge“ wäre begrüßenswert.
Ich würde Markus Breuer (#9) beipflichten. „+google“ wird zum Standard werden. D.h. man muss dort mitmischen und sich den Kunden täglich stellen wenn man groß genug ist.
„+marke“ gabs schon mal als Vorschlag fürs DNS-System bzw. die Browser. Dann würde man im Browser ‚coca cola‘ oder ‚Thomas Knüwer‘ eingeben und die !behördlich! offizielle Liste aller Cocacola-Server, Cocacola-Vereine und Cocacola-Gegner-Vereine bzw. alle Thomas Knüwers weltweit und lokal sortiert gelistet sehen wenn sie so erscheinen wollen oder sollen (Kapitalgesellschaften, Vollkaufleute, …) und dürfen (also nicht Pepsi Cola wenn man Coca Cola sucht) . Egal welche Domain mit welchen Schreibweisen bzw. Sonderzeichen man reserviert hat. Sowas wie Gelbe Seiten wo keiner einen Konkurrenten rauswerfen kann und man nicht mehr zig TLDs reservieren muss. Aber das wollte natürlich keiner machen. Dann würden Juristen ja weniger einnehmen und z.B. Ubahn-Fan-Sites u.Ä. nicht mehr abmahnen können. Es darf nur einen HandwerksMeister-Müller im Web geben und er muss für 250 TLDs und zig Schreibweisen reservieren und die Domaingebühren bezahlen.
Danke Deutschland.
Die Wochen in Social Media (KW 44 – Ende 2012) | SocMed.de – Social Media Blog 15. Dezember 2011 um 2:16
[…] der Auffindbarkeit bei Google eine solche zu starten (natürlich nicht ohne Konzept / W&V) ist Indiskretion Ehrensache skeptischer, allein schon, da es dort keine Pinnwand gibt, wo Kunden einerseits Anfragen drauf […]
Fundraising Wochenrückblick vom 07.-13.11.2011 | sozialmarketing.de – wir lieben Fundraising 13. März 2012 um 21:09
[…] Media Monitoring mcschindler: Chancen von Social Media für die Kirche 2.0 Indiskretion Ehrensache: Brauchen Unternehmen Google+-Pages? allfacebook: 15 Best Practices: Facebook Profilbilder mit Hinweis auf Unterseiten allfacebook: Es […]
Museen ab jetzt “einkreisbar” – 1. Tag Google+Pages und die deutschen Museen dort « MUSEUM & SOCIAL WEB 18. Februar 2013 um 10:36
[…] (wie alle anderen kommerzielle Page-Nutzer auch) überlegen, was sie dort inhaltlich machen wollen. Thomas Knüwer schreibt in seiner ersten Zusammenfassung, dass Page-Betreiber kuratieren müssen (und nennt als Beispiel für die erste Page-Nutzung […]