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In der Serie “Netzwert Reloaded” verfolge ich jeden Montag, was das Team von Handelsblatt Netzwert vor exakt 10 Jahren über das digitale Geschäft schrieb. Alle Netzwert-Reloaded Folgen finden Sie hier.

Kleiner Diensthinweis: Wegen hoher Arbeitsbelastung musste ich Netzwert Reloaded wieder ein wenig verschieben. Deshalb erst heute, am Freitag, was am Montag schon entstehen sollte.

Wenn ein Geizhals mit einem Mal großzügig wird, dann geht es ihm entweder sehr, sehr gut – oder sehr, sehr schlecht. Zweiteres traf zu angesichts der großzügigen Redaktionsbesuche und Interviewangebote, die das Netzwert-Team im Februar 2001 erreichten. Alle wollten sie nun reden in der Hoffnung auf gute Presse. Sehr schnell entpuppten sich dann schaumige Zukunftspläne als platzende Seifenblasen.

In der Ausgabe vom 19.2. verkündete Netzwert die Hinfälligkeit eines Interviews aus der Vorwoche: Icon „Bei uns gibt es keine Massenentlassungen“ Medialab hatte sich von seinem Deutschland-Chef getrennt – atmosphärische Störungen zwischen ihm und der schwedischen Mutter. Und ein Vorbeben dessen, was da kommen sollte.

Peter Kabel hatte gar über seine Kommunikationsabteilung gefragt, ob er vorbeikommen könne, in Düsseldorf. Im Konferenzraum machte er zunächst eine Netzwert-Blattkritik und stellte sich dann den Fragen des Teams. Einige seiner Aussagen zeigen, wie sehr er glaubte, dass Kabel New Media überleben würde – und wie falsch er damit lag:

„Ich wüsste nicht, warum sich Kabel New Media derzeit übernehmen lassen sollte. Wir haben gezeigt, dass wir unsere Prognosen umsetzen, haben ein schönes Wachstum und schreiben nach einer 24 Monate dauernden Phase wieder schwarze Zahlen…

Bei glatter See und Sonnenschein kann jeder segeln, ich finde es spannend, wenn es stürmisch wird…

Wir haben erhebliche Mittel investiert, um ein SAP-System aufzubauen, das es uns zum Beispiel ermöglicht, die Arbeit eines Mitarbeiters in Aachen zu prüfen. Damit ist für mich transparent, was im Unternehmen passiert.“

Doch nicht die Mitarbeiter in Aachen waren das Problem – sondern der Rest der Welt. Und von dem glaube Kabel sich abgekoppelt. Auf die Frage, wann die Kündigungswelle sein Unternehmen erreiche, antwortete er:

„Erstens: Wir stellen weiterhin Personal ein. Zweitens: Der allergrößte Teil unserer Kunden kommt aus der klassischen Wirtschaft. Und was die Dotcoms angeht: Online-Medien werden nie in die schöne Situation kommen, Geld zu verdienen. Wer Inhalte im Internet produziert, kann sich langfristig nicht über Werbung finanzieren. Irgendwann werden die Online-Medien den Nutzern sagen müssen: Es ist Schluss – Du bezahlst jetzt.

Wenn die Medien ihr Angebot personalisieren würden, könnten sie für die Inhalte Geld verlangen. Ich will morgens in der Küche auf einem Display die wichtigsten Nachrichten lesen, auf dem Weg zur Arbeit hätte ich dann gerne die Börsenkurse meiner Mitbewerber, im Büro würde ich mir die Branchennachrichten wünschen und in der Mittagspause Vermischtes. So ein Angebot wird es aber erst geben, wenn man Geld damit verdienen kann.“

Verwerfungen erlebte in diesen Tagen auch die TV-Branche. Sie stand am Rand der Digitalisierung. Während diese in anderen Ländern wie Großbritannien oder Frankreich digitales Fernsehen schon eine substanzielle Größe darstellte, hing Deutschland weit zurück. Noch dazu geisterte hier Leo Kirchs D-Box herum – eine bemerkenswerte Totgeburt. Trotzdem träumten die Manager auch in Deutschland vom interaktiven Fernsehen, bei dem Zuschauer sich mit der Fernbedienung bei Gewinnspielen beteiligen oder Bestellungen tätigen. Ein Traum der sich bis heute so nicht erfüllt hat.

Ebenfalls verkalkuliert hat sich die Musikindustrie. In jenem Februar 2001 verpflichtete ein US-Gericht die Musiktauschbörse Napster, damals schon in der Hand von Bertelsmann, illegale Tauschmöglichkeiten abzustellen. Die Plattenfirmen glaubten sich auf dem Weg zum Sieg. Der Dresdner Informatikprofessor Andreas Pfitzmann aber warnte schon: „Die Industrie hat panische Angst vor der Selbstvermarktung der Künstler.“ Er ahnte, was da kommen würde in Form von Livenation.

Lesen Sie kommende Woche: Helau!


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