Nun twittert auch Hugo Boss. Unter @hugoboss. Das ist begrüßenswert. Allein – wie die Bekleidungsmarke das macht ist ein wenig… merkwürdig.
Denn der Autor der Tweets, oder die Autorin, spricht von sich selbst. Wo er oder sie gerade steckt, dass er oder sie Kaffee braucht, welches sein oder ihr Lieblings-Kleid ist. Nur wer ist das, der oder die da schreibt? Nirgends wird das erklärt.
Es scheint, die Verantwortlichen wollten oder konnten sich nicht entscheiden zwischen den zwei Extremen, die ein Unternehmen auf Twitter einnehmen kann. Die eine Möglichkeit ist es, einen oder mehrere klar zu identifizierende Personen als Tweet-Person (bitte denken Sie sich letzteres Wort angelsächsisch gesprochen analog zu Spokesperson) zu installieren. So macht es zum Beispiel Vodafone.
Die gegenteilige Variante ist die entpersonifizierung: Dem Leser wird jede menschliche Information entzogen, es geht allein um Kommunikation mit dem Unternehmen als amorphe Masse – diesen Weg wählte Lufthansa.
Hugo Boss auf Twitter aber ist nicht Fisch und nicht Fleisch. Man versucht einer nicht definierten Kunstfigur eine Persönlichkeit zu verleihen. Oft kommt solch eine Variante heraus, wenn ein Marketing-Entscheider beschlossen hat „Wir müssen auf Twitter“, sich aber nicht fragt warum sein Unternehmen dort sein sollte. Wie die Kommunikationsziele aussehen. Es wird einfach gemacht ohne weiter nachzudenken.
Ich bin skeptisch, ob das so funktioniert. Nutzer sind bereit, anonymisierten Firmen-Accounts zu folgen, wenn sie etwas zurückbekommen: Sonderangebote, Hilfestellung, vielleicht Unterhaltung. Dies gilt auch für personifizierte Accounts – hier aber kann auch das Gefühl der Nähe zu einem interessanten Menschen die Gründe ergänzen, regelmäßig mitzulesen.
Derzeit kann @hugoboss von all dem recht wenig liefern. Und deshalb bin ich gespannt, ob tatsächlich eine substanzielle Zahl von Menschen mitlesen wird.
Nachtrag: „Miss Hugo Boss“ hat auf meine Anfrage via Twitter geantwortet, sie arbeite im „Communication Department (PR & Event Management“. Erstaunlicherweise ging ungefähr zur gleichen Zeit ein Kommentar hier im Blog ein, der im PR-Ton den Twitter-Account lobt. Dies riecht nach Astroturfing, wie wir es auch einst bei Grey erlebt haben.
Kommentare
Claudi 2. Juli 2010 um 18:46
Ich kenne die Person, die da twittert persönlich und muss sagen, dass ich den Kanal sehr unterhaltsam finde. Gerade werden dort auch 2 Tickets für die Modenschau von Hugo Boss verlost und wenn das nichts ist, dann weiß ich auch nicht….
Zudem kann ich es verstehen, wenn Mitarbeiter nicht unter ihrem wirklichen Namen für eine Firma twittern möchten – da ist ein Pseudonym wirklich angebracht!
Thomas Knüwer 2. Juli 2010 um 19:36
„Miss Hugo Boss“ hat auf meine Anfrage via Twitter geantwortet, sie arbeite im „Communication Department (PR & Event Management“. Erstaunlicherweise ging ungefähr zur gleichen Zeit ein Kommentar hier im Blog ein, der im PR-Ton den Twitter-Account lobt. Dies riecht nach Astroturfing, wie wir es auch einst bei Grey erlebt haben.
Rafael Eduardo Wefers Verástegui 3. Juli 2010 um 12:01
Ich bin mir sicher ich würde eine Wette gewinnen die da lautet: „Die Kommentatorin Claudi“ und die Marketingperson von Hugo Boss auf Twitter arbeiten in ein und der selben Abteilung“. Ich gehe sogar noch weiter: Ich würde behaupten „Claudi“ und die bisher noch anonyme Miss Hugo Boss teilen sich weit mehr als nur ein Büro… eventuell sogar den gleichen Bürostuhl?
Markus Merz | Hamburg St. Georg 3. Juli 2010 um 12:30
Ich finde die Lösung bei den Lübecker Nachrichten recht gut: Dort wird quasi anonym, aber mit Kürzel, Persönliches getwittert.
Tim 3. Juli 2010 um 13:15
Ich kenne die Person, die sich da „Claudi“ nennt, persönlich, und muss sagen, dass ich ihren Kommentar sehr unterhaltsam finde.
Andreas Wollin 5. Juli 2010 um 8:35
@Claudi: Wieso sollte ein Mitarbeiter einer Firma nicht mit seinem Namen twittern wollen? Sonst wird doch wohl auch überall offiziell kommuniziert, wer für der PR/Presse zuständig ist. Je besser man erreichbar ist (z.B. für Journalisten), desto besser?
Eine bessere Eigen-PR gibt es ja eigentlich auch nicht. Würde ich offiziell für Huga Boss twittern… aber hallo würde ich das öffentlich machen.
Hendrik Kraft 5. Juli 2010 um 10:11
Ich weiß nicht wer Claudi ist.
Interessanter Artikel jedenfalls. Aber zwischen personifizierten Accounts und Firmen-Info-Accounts müsste Miss Hugo Boss nicht zwangsläufig erfolglos bleiben. Ich finde das nicht gut, aber vielleicht will die Firma über ihren Twitter-Account hier den Eindruck einer Art Maskottchen oder Avatar vermitteln, eine Art Ronald McDonald von Boss. Das muss nicht erfolglos bleiben, es wäre eine virtualisierte Personifikation der Firma, nur fürs Netz. Ich glaube, viele stehen darauf. Weder zu menschlich, noch zu fö(i)rmlich.
Ulf Weihbold 5. Juli 2010 um 10:14
Sehe ich ganz genau so! Sollte ich offiziell für Hugo Boss twittern, würde ich meinen eigenen (echten) Namen als erstes posten. Pseudonyme sind doch seit den 80ern nicht mehr aktuell.
Ohne eine reale Person, die hier vernünftig die Updates für @HugoBoss schreibt, kann man diesen Account auch nicht ernst nehmen. Wenn das so bleibt ist das ein gesichtsloser Corporate Account der verzweifelt versucht Twitter zu verstehen und dabei wunderbar scheitert.
Marco Schüller 5. Juli 2010 um 11:48
Grundsätzlich finde ich personalisierte Firmen-Accounts bei Twitter attraktiver, weil die es wesentlich einfacher machen, eine emotionale Beziehung aufzubauen. Man redet halt ungern mit einer Marke, gerne aber mit einem interessanten Vertreter der Marke. Interessant finde ich zudem, dass auf der Corporate Website von HUGO BOSS nirgendwo ein Hinweis oder ein Link zu @hugoboss auf Twitter auftaucht. Jedenfalls habe ich keinen gefunden …
Roland Panter 5. Juli 2010 um 13:40
Spannend ist doch, was passiert jetzt? Lernt Hugo Boss durch diese Diskussion dazu und verändert das Verhalten? Dann wäre es nicht unbedingt ein schlechter Weg, denn auch Vodafone hat ja durch Fehler sehr wertvolle Erfahrungen gemacht. Bin gespannt.
Andreas Wollin 5. Juli 2010 um 14:21
@Hendrik Das mit dem Maskottchen kam mir auch kurz in den Sinn. Jedoch sollte dann irgendwo erklärt sein, wer die Miss soundso ist. Bei Ronald McDonald ist klar: das ist die und die Figur blabla… WENN, dann sollte man diese Kunstfigur auch erklären.
Und dann am besten noch, wer diese aktuell mit Infos füttert (irgendein Twitter-Team).
Stephan Elders 6. Juli 2010 um 9:42
Auch und gerade ein Corporate-Account sollte authentisch sein – denn es geht nicht nur um Informationen, sondern auch um Vertrauen. Wir twittern jetzt bereits seit einem Jahr für unser Unternehmen mit einem Firmenaccount unter dem Namen @ECOMARS . Nach anfänglich holperigem Einstieg – Ausrichtung auf Business oder Privates haben wir uns auf eine subjektiv empfunden gesunde Mischung einpendelt. Im Profil führen wir auf, wer bei uns twittert und versuchen so eine persönliche Note in einen anonym wirkenden Corporate-Account zu bringen. So gelingt dann auch meist die Gratwanderung zwischen Marketing und mit einem Kaffee in der Sonne sitzen…