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Jüngst auf der Re-Publica sprach mich ein junger Herr an. Ich sei doch der „ehemalige Handelsblatt-Blogger“. Ich bejahte. Er lese die Indiskretion sehr gerne, das freute mich natürlich.

„Warum bist Du dann da weggegangen? Du hast doch bestimmt viel Kohle verdient.“, fragte er.

shutterstock bettler bank zeitung klein(Foto: Shutterstock)

Es ist einer dieser Momente, da mein Herz schmerzt. Denn einerseits möchte man einem jungen Menschen ja die Wahrheit sagen: Dass im Journalismus kein großes Geld zu verdienen ist, ja, es war mit wenigen Ausnahmen nie so viel zu verdienen wie in anderen Branchen. Meine Freunde aus dem BWL-Studium in Münster starteten durchgängig mit besseren Gehältern als ich. Erst recht, weil nach der Uni für angehende Journalisten meist ein Volontariat oder eine Journalistenschule folgt. Und dort wird noch mal weniger gezahlt.

Inzwischen hat sich die Situation sogar verschärft.

Journalistenschülern sind bei einigen Ausbildungsstätten auf einem Gehaltsniveau unterhalb des Tarifvertrags gelandet. Manche dürfen WBS-Scheine beantragen, andere nehmen Kredite auf oder bitten die Eltern um Geld. Und diese Investition fließt in eine Ausbildung, die sie lehren soll, unabhängig zu sein. Man darf das zynisch finden.

Jedes Jahr auf der Re-Publica denke ich außerdem: „Der Matthias Spielkamp“, freier Journalist und Dozent, „ist der beste Moderator der Konferenz.“ Und jedesmal vergesse ich, ihn hier im Blog zu erwähnen.

Das muss sich ändern. Spielkamp hat für Kress.de ein sehr, sehr gutes Stück über die finanziellen Probleme von Journalisten und das Verhalten von Verlagen gegenüber ihren Mitarbeitern geschrieben. Bitte lesen Sie es. Und dann schauen Sie mal bei seinem Blog vorbei.

Das hätte ich gerne jenem Herrn gesagt, der mich auf der Re-Publica ansprach. Ich aber dachte: „Verdammt nochmal, ich kann ihn nicht desillusionieren. Jeder soll doch seine Träume leben. Und Journalismus ist für viele ein Traumberuf. Und ein wichtiger Beruf für die Gesellschaft noch dazu….“

Und so plauderten wir ein wenig über die Medien allgemein. So, als ob nichts wäre.


Kommentare


Lisa 3. Mai 2010 um 8:14

Sie sprechen mir aus dem Herzen! Ich habe auch einige Jahre bei einem großen Online-Medium gearbeitet und werde noch immer gefragt, warum ich den Job „aufgegeben“ habe (meist ebenfalls von idealistischen Nachwuchsjournalisten). Es ist traurig, dass in eine Profession mit solch gesellschaftlicher Relevanz so wenig investiert wird. In Österreich ist die Situation eben so schlimm. Ich sage, jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er/sie die Bedingungen in Kauf nimmt. Irgendwann werden sie auch nachvollziehen können, warum manche Menschen diese Bedingungen nicht ewig in Kauf nehmen.

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Holy Moly » Blog Archive » You claim it , you name it ! 3. Mai 2010 um 8:42

[…] bin ich kein Journalist, der sich trocken Brot knappernd in die Warteschlange der sozialen Versorgungsstelle einreiht und, […]

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Peer 3. Mai 2010 um 8:43

Warum nicht die Wahrheit sagen?
So macht der arme Kerl sich nun Hoffnung er würde bei Einstieg richtig
gut verdienen.

Mal so nebenbei.
Wenn Ihr meint das Journalisten unterbezahlt sind dann geht mal
in die Gastronomie!
Meine Freundin verdient mit halb so viel Berufsjahren mehr als ich.
Und sie arbeitet nur 4 Tage!
Und sie gehört zu denen im Verlagswesen die als Redakteur noch
am wenigsten verdienen.

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Thomas Television 3. Mai 2010 um 10:08

@Peer:

Ich kenne auch noch eine Berufsgruppe, die weniger verdient als Journalisten: 1 Euro Jobber. Damit wäre der Gegenbeweis endgültig erbracht: Journalisten geht es noch viel zu gut 😉

Das man mit dem Beruf jetzt nicht unbedingt reich wird, ist die eine Sache. Das wusste man auch schon vor 20 Jahren. Das Problem mit dem was vielen jungen, idealistischen Journalisten heute begegnet, ist auch das der Beruf unter Rahmenbedingungen wie ökonomischen Zwängen, Boulevardisierung oder Personalmangel immer weniger mit dem zu tun hat, was man sich vielleicht unter Journalismus vorstellt.

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Lena 3. Mai 2010 um 11:29

Interessante Überlegungen, und danke auch für den Verweis zu den „ähnlichen Beiträgen“.

Ich glaube jedoch, was die Reaktion gegenüber dem Fragenden angeht: Braucht es für guten Journalismus neben Idealismus nicht auch eine große Portion Realismus? Und sollte der nicht vielleicht bei einer realistischen Einschätzung der eigenen Gehalts- und Karrierechancen beginnen?

Klar ist es wichtig, Träume zu haben. Aber vom Träumen zahlt sich keine Miete, und wer schon mit einem offensichtlich doch etwas falschen Berufsbild startet, dessen Landung auf dem harten Boden der Realität fällt vermutlich noch unsanfter aus als wenn von vornherein klar ist, wie das Berufsfeld Journalismus inzwischen aussieht.

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Matthias Spielkamp 3. Mai 2010 um 17:40

Vielen Dank für Lob und Link – ich werd‘ ja ganz rot 🙂

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Jo 3. Mai 2010 um 20:31

Welchen Weg gäbe es denn sonst, das Überangebot an ehemals Träumenden in Eurer Branche zu regulieren?
Auch andere Traum- und/oder Prestigeberufe wie Architekt oder Arzt gehören entzaubert. Elendig viel Arbeit, extrem hohe Verantwortung, aber wenig Kohle, weil es zu viele Anbieter gibt.

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Andreas Wollin 4. Mai 2010 um 8:39

Ich gebe zu, dass ich über Sie, Herr Knüwer, in Sachen „Jobaufgabe“ ebenfalls so gedacht habe. Bzw. ich hätte Sie dasselbe gefragt. Als freier Mitarbeiter ist Journalismus wirklich kein Spaß mehr. Aber – so dachte der junge Mann sicher – Sie waren ja fester Redakteuer und ein Redakteur verdient jetzt nicht übermäßig, aber auch nicht sooo schlecht. (By the way an den Rest: ich war’s nicht, der ihn angesprochen hat, wenn das so rüber kommen kann… war nicht auf der rp).

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spltny 4. Mai 2010 um 12:20

Was wäre so schlimm daran, jemandem mit der Wahrheit die falschen Vorstellungen zu nehmen? In angesagten Jobs gibts halt entsprechend weniger zu verdienen.
Vor allem auch: Was sind die Alternativen für Printverlage? Jetzt nochmal richtig Geld in die Hand nehmen und in einen absterbenden Wirtschaftszweig investieren? Oder doch eher dem Markt die Aufgabe überlassen, das Angebot an Arbeitskraft zu regulieren?

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Matthias W. 4. Mai 2010 um 15:36

@ Thomas Knüwer (und Andreas Wollin): Der „junge Herr“ hat sich, wie Sie den Fall schildern, weder auf Ihr damaliges Anfangsgehalt bezogen noch auf das Anfangsgehalt heutiger Berufseinsteiger, sondern auf das, was Sie beim „Handelsblatt“ zuletzt verdient haben, also mindestens den Tariflohn von 4400 Euro pro Monat für einen Redakteur mit mehr als 10 Jahren Berufserfahrung.

Ich spekuliere, dass das „Handelsblatt“ vielleicht sogar über Tarif bezahlt hat oder dass es für Ihre Teamleitungsfunktionen oder die Bloggerei diverse Zulagen gab. Hinzu kommen wahrscheinlich etliche Vergünstigungen von großzügigen Reisespesen bis zu Journalistenrabatten (einen Teil davon kann man ja in Anspruch nehmen, ohne sich zu kompromittieren). Dann noch ein mittlerer dreistelliger Betrag von der VG Wort (pro Jahr), schon sind wir eher bei 5000 Euro monatlich.

Und das soll nicht „viel Kohle“ sein?

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f.niederländer 4. Mai 2010 um 17:35

Journalismus ist ein Traumberuf, weil Journalisten Träumer sind. Das ist schlecht. Was soll man von Journalisten halten, die uns erzählen wollen, wie die Wirklichkeit aussieht, aber nicht mal die Wirklichkeit in ihrem eigenen Verlagshaus kennen?

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@bugsierer 5. Mai 2010 um 8:24

ich finde es falsch, den jungen leuten nicht die wahrheit zu sagen und es ist ein mythos, dass man den jungen ihre illusionen lassen soll. in den meisten branchen ist die realität genau umgekehrt, bei vielen berufen gibt es eine knallharte auswahl. wer keine hitze erträgt kann nicht koch werden und wer in mathe eine null ist kann nicht ingenieur werden. in diesen berufen wird den youngsters der tarif schon im zarten jugendalter durchgegeben, da nützt auch geld nur in den wenigsten fällen.

in der medienszene und anderen „kreativen“ branchen sehe ich aber reihenweise leute, die völlig talentfrei einer illusion nacheifern und an keiner schule schenkt ihnen jemand reinen wein ein. keine ahnung, was daran gut sein soll.

eine typische pervertierung dieses „lassen-wir-den-jungen-ihre-illusionen“ sind übrigens die vielen talentshows à la DSDS.

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Kort 5. Mai 2010 um 11:22

„Viel Geld“ ist sicher relativ. Das zeigen nicht zuletzt Vergleiche mit Gehältern in Investmentbanken. Aber die Bedingungen für Berufsanfänger sind heute dramatisch schlechter als bei Kollegen, die noch vor zehn Jahren den Beruf ergriffen haben. Mir sagte jüngst eine Kollegin Mitte 60 mit einem eher mitleidigen Blick ganz ehrlich: „Ich habe die besten Zeiten mitgenommen.“

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Sebs 6. Mai 2010 um 12:50

Hallo

ich bin zwar aus der IT Ecke, aber inzwischen auch in einem Verlag. In meinem Bbereich gibts/gabs da aber auch einen großen Delta was die Gehälter angeht. Ich höre immer noch was von 12 EUR/Std. und natürlich viel Geheule aus der Ecke was die Qualität angeht. Ganz ehrlich, es ist auch ne Frage das mal ne Ansage gemacht wird und weniger Leute bei Mama und Co. die Subventionen für die Verlage abholen.
Dann können sich die Chefredakteure dieses Landes ihren „Unique Content“ halt woanders einkaufen. Bis sie auf die Nase fallen oder auch nicht. Ich sehe auf jeden Fall öfter Journalisten die sich zu niedrigen Gehältern beugen als welche die dann eben ganz simpel f*** off sagen und woanders hingehen/was anderes machen. Der eigene Marktwert ist meist höher als das was einem der eigene Chef sagt.

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Lesetipp: Die Gutsherrenart der Verleger « Medienjunkie 7. Mai 2010 um 10:09

[…] (via) Hinterlasse einen Kommentar […]

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_Flin_ 14. Mai 2010 um 12:45

Tut man Menschen nicht einen Gefallen, wenn man sie desillusioniert? Bemüht sich jemand um Aufklärung, und möchte sich aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit befreien, sollte man ihn darin doch unterstützen. Sonst wird man doch selbst schuld an seiner Unmündigkeit.

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Caesar 16. Juni 2010 um 17:51

Ich kann dem nur zustimmen, dass schreiben immer ärmer macht. Arbeite seit einigen Jahren als freier Journalist, u.a. für eine einst renomierte, süddeutsche Tageszeitung. Nach geisteswissenschaftlichem Studium (schon länger Voraussetzung für den einstieg in den Journalismus) und Auslandsaufenthalt als Erasmus-Stipendiat muss man heute wahrhaftig Idealist sein, um noch auf die Idee zu kommen, diesen einst so spannenden Beruf zu ergreifen. Bei Zeilenhonoraren bei Tageszeitungen zwischen 10!! und 90 Cent steht man am Ende des Monats nicht nur am finanziellen Abgrund sondern ist mit mindestens mit einem Bein bereits abgestürzt.

Mensch, Kolleginnen und Kollegen, steht doch endlich für eine angemessene Bezahlung auf und geht auf die Barrikaden. So kann es doch nicht mehr weitergehen!!

CB

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Dogs, Cows, Stars und Zeitungen 20. Januar 2011 um 19:29

[…] das alles andere als schön. Journalisten verrichten eine Arbeit, die angemessen bezahlt gehört, wie ich schon mal anlässlich der vergangenen Re-Publica schrieb. Aber: Aus Sicht des Unternehmens als Ganzem ist dieses Vorgehen bei Tageszeitungen schlicht […]

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Zeitungsstreik: fluegel.tv dokumentiert Realitätsverlust bei Redakteuren | pushthebutton.de 7. August 2011 um 23:07

[…] DJV – Freie Journalisten: Wie ihr Alltag aussieht und wie sie die Branche verändern Indiskretion Ehrensache: Haste mal ne Mark für den Journalisten? DJV – Vergütungsregeln Aufstehen für die Freien Ruhrbarone: Ahlener Tageblatt II: […]

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