Von Montag bis Mittwoch dieser Woche verkündete es das Handelsblatt im Tagesabstand: Deutsche Autohersteller wollen in den USA angreifen. Ob das gelingt? Ob es überhaupt die richtige Idee ist? Denn ob die Wirtschaftskrise in Übersee tatsächlich vorbei ist, da bin ich skeptisch.
Egal, das Vorgehen ist ein in der Branche bekanntes: Nah am Markt produzieren und mit neuen, tollen Modellen die Menschen begeistern. Es ist die alte Denke der deutschen Ingenieure, die auf leistungsfähige Maschinen setzt, gepaart mit dem hochwertigen Image der Marken. Die Menschen sollen Autos kaufen als Demonstration gegenüber ihrer Umwelt. „Vorsprung durch Technik“ ist nicht umsonst in den USA der bekannteste deutsche Satz.
Derweil geht ein Unternehmen einen anderen Weg und für mich ist es eine kleine Revolution der Autoindustrie, es ist deren Verappelisierung. So wie Apple vor allem von der Frage ausgeht, was Kunden bei der Benutzung seiner Produkte hilft, so scheint auch Ford sich in diese Richtung zu bewegen. Das Unternehmen protzt derzeit in den USA mit einem System namens Sync. Es handelt sich um einen drahtlose Integration der Kommunikationselektronik. Ein Handy kann angeschlossen werden, ebenso handelsübliche MP3-Player. Dies wird gepaart mit einer Spracherkennung die, glaubt man den Nutzern in den USA, fabulös funktionieren soll. Das System lässt sich ergänzen durch Apps und so aufrüsten wie ein Iphone. Somit lassen sich sogar Tweets absetzten und E-Mails vorlesen. Touchscreen? Logisch.
Hier ein Bericht dazu von Tekzilla:
Doch nicht die Technik ist für mich das Sensationelle, sondern die Denke dahinter. Für mich lässt Ford einen Hauch Apple erkennen. Der Konzern fragt sich, was seine Käufer während der Produktnutzung interessiert. Und seien wir ehrlich: eine der großen Gefahren im Straßenverkehr, der wir uns trotzdem immer wieder aussetzen, ist die Kommunikation am Steuer via Handy, SMS oder sogar Twitter. Da ist es nur logisch, dass Ford auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas massiv präsent war.
Und natürlich eine Social-Media-Offensive gestartet hat, zu der es ein interessantes Interview bei Off the Record gibt. Sicher, Sync und Social Media allein retten ein Unternehmen dieser Größe nicht. Doch sie gehören zu einem Strauß von Dingen, die Ford derzeit richtig macht (mehr dazu gibt es beim Handelsblatt). Ach ja, die Autohäuser sollen sich auch ändern – und mehr aussehen wie Apple-Shops, berichtet Socialnomics.
Ich behaupte: Deutsche Autobauer wären auch in der Lage solche Funktionen zu bieten. Doch sie interessieren sich nicht für diesen Bereich, weil sie im Kopf Kunden haben, die stolz lächelnd neben ihren Fahrzeugen stehen wollen um ihren Freunden zu berichten: „Der ist neu!“ Das funktionierte in der alten Welt prima. Doch der globale Markt verändert sich. Die Zahl der Geschwindigkeitsbeschränkungen steigt, Umweltfreundlichkeit ist ein ernsthaftes Thema, die Preisbereitschaft wird absehbar niedriger liegen – auf diese Melange der Veränderungen scheint die deutsche Autoindustrie nicht recht reagieren zu wollen
Ich bin gespannt, wann es bei VW, Mercedes oder BMW klickt – und auch sie sich ändern. Und ob sie überhaupt dazu in der Lage sind. Denn das was Ford da vormacht ist mehr als nur eine Produktoffensive – es ist ein Kulturwandel.
Kommentare
Ulrich Voß 14. Januar 2010 um 17:11
Die Abzocke der deutschen Automobilhersteller für jede Art von Elektronik ab Werk ist schon lange unverschämt und gehört eigentlich umgehend bestraft. Das Navi ab Werk ist oft schlechter und kostet locker das dreifache eines Nachrüstgeräts. Der Kauf eines Kartenupdates für festeingebaute Navis übersteigt den Preis eines ganz neuen Geräts.
Am schlimmsten Mercedes: Die verkaufen Radios OHNE Aux/Line in oder gar CD-Wechsler-Anschluss. Nachrüstung nur über das Bus-System. Da tut sich nix unter 300 oder 400 Euro für ’ne simple iPod Integration. Und das allerfrechste: Auf der Platine des Radios sind die Anschlüsse da, die werden nur nicht nach außen geführt. Das kostet ein paar Hundert Euro mehr und dann bekommt man die Anschlüsse nach hinten herausgeführt. Oder Bohrer, zwei Lötstellen und Material für 5 Euro und dann geht’s auch.
Über so tolle Sachen wie Audio Streaming über Bluetooth wagt man gar nicht erst zu träumen …
gsohn 15. Januar 2010 um 0:08
Da verabschiedet sich Ford schneller vom industriekapitalistischen Fordismus als die deutschen Konzerne tun. Da gibt es doch noch eine Menge Alternativen. Automobilhersteller könnten nach dem Vorbild der Mobilfunk-Provider ihre Geschäftsmodell umstellen. Warum kaufe ich ein Auto bei A, versichere es bei B und gebe es bei C zum Service? Und warum bezahle ich alle Leistungen extra? Zuzüglich Sprit und Abschreibung ist ein Auto heutzutage die blödeste Alternative sich fortzubewegen. Neue Services bringen Kunden: Man könnte einen Mobilitätsvertrag abschließen und bekommt dafür je nach monatlichem Beitrag ein Auto. Als Käufer bestimme ich die Kosten, Luxus- und Service Level – der Hersteller erledigt alles andere für mich. Die deutschen Automobilhersteller müssten sich zwei wichtigen Themen stellen. Erstens: Die Kunden benötigen in erster Linie Mobilitätslösungen – dann Produkte. Zweitens: Der Hersteller mit den innovativsten Lösungen wird das Rennen machen – nicht derjenige, der die schönsten und schnellsten Autos baut. Das Beispiel mit Ford geht in die richtige Richtung.
Tweets die Ford – eine kleine Autorevolution erwähnt — Topsy.com 15. Januar 2010 um 1:56
[…] Dieser Eintrag wurde auf Twitter von Thomas Knuewer, Marcus Lindemann, Michael Ludwig, Marc Schmidt, André Paetzel und anderen erwähnt. André Paetzel sagte: RT @tknuewer: Ford – eine kleine Autorevolution: http://ow.ly/Wrmg […]
Fred 15. Januar 2010 um 8:41
Hallo Herr Knüwer, ich finde, das stimmt nicht. Ein Auto hat einen Primärnutzen, das ist das Herumfahren mit Leuten oder Sachen drin. Und dieser Primärnutzen muss stimmen. Alles andere ist Beiwerk. Und das ist es auch, was Apple macht. Sie fokussieren sich auf den Primärnutzen und nicht auf sinnlose Zusatzfeatures.
Wie stellen Sie sich das bei dem Auto vor? Schlechte Straßenlage, hoher Verbrauch, lautes Innengeräusch – aber hey, ich kann vom Lenkrad aus twittern? Und das kaufen die Leute dann?
Sie verkaufen ja auch keine Massivholzmöbel mit dem Argument, dass sie viel besser und sauberer verbrennen als Pressspanmöbel.
lead/marke | ralf schwartz 15. Januar 2010 um 9:18
Ford: The Next Media Company?…
Craig Daitch, Senior Vice President at Converseon and AdAge author writes: „… Ford CEO Alan Mulally in his red sweater vest, who introduced an updated version of the in-dash, in-car technology game changer, Ford Sync. The 2010 edition of Sync……
Felix Nagel 15. Januar 2010 um 12:31
*gähn* Gibt schon lange, wenn auch in Dland (wegen der FM Frequenz und Lizenzen) erst recht kurz: FM Sender fürs iPhone. Benutzt ein Kollege in Japan schon seit Jahren.
Und ich muss Ulrich recht geben: Wer Unterhaltungselektronik ab Werk käuft ist selbst dran schuld und MUSS einfach verarscht werden. Ich errinere mich an den Volvo V70 meines Dad mit CD, Radio + Handy. Abgesehen davon das der CD Player weder MP3 noch CD-Text beherrscht (das kann jeder 35€ no-name Discman), ging irgendwann das Handy nicht mehr. In der Vertragswerkstatt wurde geprüft und die Elektronik für kaputt befunden. 1.800€ Reperatur da alles ausgetauscht werden müsse. Mein Dad meinte das wäre ihm zu teuer für ein Handy, dann bleibts wies ist.
Ein 3/4 Jahr später viel ihm auf das eplus seit der Vertragsverlängerung die 2. SimKarte nicht mehr berechnet. Die 2. Karte war abgeschaltet, daher ging es nicht. Nachdem wir ne neue hatten funktionierte alles wie gewünscht. Von wegen geprüft und kaputt…
Tom 15. Januar 2010 um 12:55
Ich habe es andernorts gelesen, war auch erst erstaunt und dachte: „wow“. Aber der Kollege meinte dann doch nur lässig: „Na und? Das hat mein Auto auch schon. Und zwar schon lange.“
Fiat hat es auch längst schon. Mercedes sowieso. Alles nichts Neues.
Ford hat also gar nicht umgedacht und ist auch kein Vorreiter. Sie ziehen einfach nur mit einer Technik nach, die andere längst haben.
Arne 15. Januar 2010 um 17:07
Dieser „Hauch von Apple“ wurde übrigens von Microsoft implementiert und basiert auf der Microsoft Auto 4.2-Plattform, was letzten Endes nichts anderes als Windows CE ist.
Die Anwendungen werden auf dem .NET Compact Framework entwickelt: damit läßt Microsoft seine Millionen von .NET-Entwicklern auf den Automotive-Markt los, der bislang für Anwendungsentwickler vollkommen abgeschottet war – das ist die eigentliche Revolution.
Fiat und Kia werden demnächst mit demselben System herauskommen.
Was Autohersteller in den USA falsch machen 20. Januar 2010 um 17:27
[…] sind auch die neuen Denkansätze von Ford die Thomas Knüwer in seinem Blog vorstellt. […]