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Eine Prognose manches Marketing-Propheten lautet: Der Gewinner der Wirtschaftskriste wird die Online-Werbung sein.

Diese Annahnme ist nicht von der Hand zu weisen. Online-Werbung ist günstiger und ihr Erfolg zumindest scheinbar leichter messbar – zwei gute Argumente in Zeiten, da jede Ausgabe vom Unternehmens-Controlling hinterfragt wird.

Sind die Web-Aktivitäten dann noch erfolgreich, so die Vorhersage, haben die Firmen wenig Grund zur Werbung auf klassischem Weg zurückzukehren. Trifft es so ein, wäre das ein harter Schlag für die klassischen Medien.

Zu beobachten ist bereits jetzt, dass Online-Werbung nicht so drastisch einbricht, wie ihr klassisches Gegenstück, mehr noch: Je nach Statistik wächst sie sogar weiter.

Und noch etwas passiert: Unternehmen beginnen zu experimentieren, selbst jene in absoluten Krisenbranchen. Jüngstes Beispiel: Ford – mit einer höchst spannenden Idee, die am Ende ihren Weg in die Marketing-Lehrbücher finden könnte. Ich war ein großer Freund der Opel-Blogger-Aktion im Jahr 2006. Damals stellte Opel vier Bloggern für ein paar Wochen jeweils einen Astra inklusive Aufwandsentschädigung mit der einzigen Bedingung, dass diese über ihre Erlebnisse mit dem Wagen schreiben sollten.

Heraus kamen viele nette und unterhaltsame Artikel und eine Reihe langweiliger Beiträge. Viel zu verlieren hatte Opel nicht: Die Kosten für die Aktion waren höchst überschaubar. Und was hätte schlimmstenfalls herauskommen können? Verrisse – die aber wären angesichts des zerfledderten Opel-Images zu erwarten gewesen und wären in diesem Fall unterhaltsam ausgefallen. Die Urteile aber waren, wie zu erwarten, wohlwollend positiv. Denn trotz der heruntergewirtschafteten Marke produziert Opel ja solide Fahrzeuge.

Damals fragte ich mich schon: Was wäre passiert, wenn die Blogger die Wagen nicht für ein paar Wochen gehabt hätten – sondern für ein Jahr? Auch hier hätte es, runtergerechnet auf Marketingwährungen wie Kontakte, Seitenabrufe und TKPs eine höchst effiziente Kosten-Nutzen-Rechnung gegeben.

Opels, oder in diesem Fall: General Motors, Gegner Ford geht nun in den USA einen Schritt weiter. Aktive Web-Nutzer konnten sich um Botschafter-Posten bewerben. Wer angenommen wurde, 100 Stellen waren frei, bekommt ein halbes Jahr lang den Ford Fiesta. Den gibt es in Europa zwar schon, in Übersee aber wird er erst 2011 auf den Markt kommen.

Ob diese Botschafter auch noch Geld bekommen, diese Information kann ich nirgends finden. Die Seite, auf der all ihre Werke zusammenlaufen, aber ist sehr appetitlich gemacht.

Natürlich ist seit 2006 verdammt viel passiert. Also gibt es mehr Videos und schon gleich das erste macht sich ein wenig lustig über den Fiesta:

Klar, getwittert wird auch viel, die Zahl der Blog-Artikel dagegen ist bisher zurückhaltend.

Jeden Monat soll es bald eine Aufgabe für die Testfahrer geben. Aber nicht nur deshalb wird es spannend sein, die Aktion zu verfolgen. Denn wie Social-Media-Berater Jason Baer schreibt, gibt es eines, was diese Kampagne zum Testfall für das Online-Marketing macht: Außer Fiesta Movement soll der Wagen keine große Werbe-Unterstützung erfahren. Ein gewagtes Experiment – und ein extrem spannendes.


Kommentare


Hildesheimer 25. April 2009 um 13:46

Kann mann nur hoffen das es so kommt wie die Marketing Propheten prophezeien. Und wenn das Internet weiter wächst lässt es sich garnicht vermeiden das der Onlinewerbemarkt wächst. TV Spots und Printmedien sind auch sehr teuer im vergleich zu Onlinewerbung. Mich als SEO kann es nur freuen wenn das Internetmarketing bei den Unternehmen bzw auch bei den Mittelstand und Gewerbetreibenden fruchtet.

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Rainersacht 26. April 2009 um 13:02

Wie der Kollege schon implizit sagt: Der Online-Werbemarkt ist deshalb noch nicht eingebrochen, weil die Zahl der möglichen Werbeflächen immer noch exponentiell wächst. Wer sagt, der Erfolgs von Online-Werbung sei besser messbar, lügt.

Übrigens: Nur bei den Plakatklebern wird in der Evaluation mehr betrogen als bei den Online-Werbern. Denen wird es dann eben erst Ende 2010 tödlich an den Kragen gehen.

Werbung ist praktisch tot, und die Aktivisten haben jetzt viel Zeit, die Leiche schön zu schminken, dass sie aussieht wie lebendig.

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mark793 26. April 2009 um 13:58

Rainer und sein voreiliges Totenlied auf die Werbung mal wieder. Ich nehme mal an, einen validen Befund oder Obduktionsbericht willst Du auch diesmal wieder nicht liefern, oder? Sondern nur rumraunen von irgendwelchen unter Verschluss gehaltenen Studien, die zeigen (oder eben nicht zeigen), wie dramatisch das alles ist?

In einem Punkt darf ich Dir aber uneingeschänkt recht geben: Dass Online-Werbung so viel besser zu messen/bewerten wäre, ist in der Tat ein Mythos.

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Armin 26. April 2009 um 14:42

Waechst die Zahl der moeglichen Werbeflaechen wirklich exponentiell?

Auf den ersten Blick vielleicht, da es immer mehr Seiten im Web gibt. Wenn man genauer hinsieht moechte ich das bezweifeln. Die wirklich interessanten Seiten wo die Werber auch wirklich Werbung schalten moechten duerfte relativ konstant sein, die grossen Sites halt mit bekannten Namen und vielen Besuchern. Das 87millionste Katzenbilderblogforum mit 5 Lesern eher nicht.

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Rainersacht 26. April 2009 um 15:47

@mark793: Nein, mit dem offiziellen Totenschein kann ich nicht dienen, empfehle aber die einschlägige Fachpresse für die Indizienspur. Natürlich WEISS ich nicht, dass die Werbung wohl demnächst volltot sein wird, aber ich ahne es. Besser so? ;–))

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mark793 26. April 2009 um 20:23

Rainer, über die einschlägige Fachpresse kann man viel schlechtes sagen – unter anderem, dass ich da auch gelegentlich mit Artikeln vertreten bin. 😉 Mit dem kreativen Part der Werbung kenne ich mich nicht soo super aus, eher mit Mediaplanung, der Wahl der Kanäle und wie Kunden/Agenturen Erfolge und Misserfolge evaluieren. Und natürlich weiß jeder, dass es immer schwieriger wird, in dem allgemeinen Werbelärm und in der immer fragmentierteren Erlebniswelt der Medienkonsumenten noch durchzudringen mit den bewährten Methoden der Vergangenheit. Diese Fragen nach dem schwächer werdenden \“bang for the buck\“ stellen sich, aber in der zum Teil sehr problemorientierten Fachpresse manchmal mehr als in der täglichen Werbepraxis.

Wenn Werbung nur halb so wirkungslos verpuffen wurde wie Du es immer hinstellst, dann wäre die heimische Binnennachfrage nach Konsumgütern doch schon vor Jahren zusammengebrochen. Es wundert mich immer, wieso Du da einen so eklatanten blinden Fleck hast, wo Deine Diagnosen zum Konsmismus und verwandten Phänomenen meistens den Nagel ziemlich genau auf den Kopf treffen. Und in diesem größeren Zusammenhang betrachtet ist Werbung, selbst wenn sie mich jetzt nicht dazu bringt, Produkt A zu brauchen und zu kaufen, alles andere als wirkungslos. Und noch ein gutes Stück entfernt davon, das Zeitliche zu segnen.

Schreib doch mal was grundsätzliches drüber, wie Du Dir die Welt nach der klassischen Werbung vorstellst. Das würde mich wirklich mal interessieren.

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Daniel 27. April 2009 um 13:33

Ich denke dass ein Autokauf immer noch etwas persönliches ist. Informieren wird man sich sicher im Internet, aber das wird ja heute auch schon gemacht. Naja zu wünschen ist es Ford auf jeden Fall.
Der Aktienkurs hat sich ja gut erholt, wird allerdings im Allegemeinen eher als überkauft angesehen.

Hier wird von einem Kursziel von 3,25 ausgegangen, aktuell haben wir 3,75 Euro.

http://www.sharewise.com/aktien/US3453708600-ford-motor/analysen-empfehlungen

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Rainersacht 27. April 2009 um 16:43

@mark793: Ich persönlich glaube an den Schweinebauch als die jetzt und in Zukunft erfolgreichste, weil nützlichste Form der Reklame, also die Werbung, die dem Verbraucher sagt, wann was wo und zu welchem Preis zu haben ist. Das dann gern auch online, wo sich der Konsument selbst aussuchen darf, was er wissen will.
Tatsächlich richtet sich meine totschreibende Abneigung vor allem gegen diese immerwährende versuchte Gehirnwäsche, also die Instrumente der klassischen Markenbildung und -pflege, mit denen ja nicht nur der Verbraucher ver*****t wird, sondern vielmehr das beauftragende Unternehmen.

Der aufgeklärte und selbstbestimmte Konsument braucht dergleichen nicht. Mein Eindruck ist, dass sich die Zielscheiben der Reklame immer weniger am Hirn waschen lassen, also immer weniger anfällig für diesen ganzen Kreativmüll werden.

Die Zukunft wäre in diesem Sinne ähnlich wie die Vergangenheit (BRD vor etwa 1960), und ihr käme Werbung vor in Form hübscher, dezenter Emailleschilder, hier und da einer Litfassäule, Schweinbauchanzeigen und Produktinformationen in Print, TV, Hörfunk und im Web.

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mark793 28. April 2009 um 9:10

Rainer, ich teile (in Teilen) Dein Unbehagen gegen die \“Gehirnwäsche\“. Ich sehe das Thema allerdings in einem größeren funktionalen Zusammenhang (es ist auch nicht so, dass die werbungtreibenden Unternehmen nicht von der Partizipation an dieser Gehirnwäsche profitieren würden). Und selbst wenn ich konzediere, dass Du, ich, unser Umfeld, einen konsum- und werbekritischen Lifestyle pflegen, der uns etwas resistenter macht, so sehe ich doch Konsumentengenerationen nachwachsen, die nicht mal mehr ansatzweise in der Lage sind, den Verblödungszusammenhang (ich sage nur Markenklamotten, Handies, Klingeltöne etc.) zu reflektieren.

Von daher halte ich Deine Projektion einer nostalgisch anmutenden Zukunft der seriösen Preisinformationen und netten Emailschilder für reines Wunschdenken. Ich sehe vielmehr das Bemühen, die Radarschirme auch von kritischen Konsumenten zu unterfliegen wo es geht, Marketingbotschaften noch in die letzten Ritzen der Wahrnehmung zu quetschen – und ich sehe vor allem nicht, dass dieses Tun auf breiter Front von der Kundschaft mit Konsumboykott geahndet wird. Darüber, ob der \“aufgeklärte und selbstbestimmte Konsument\“ in der Realität öfter vorkommt als der Yeti oder der Bigfoot, könnte man lange diskutieren, aber das würde an dieser Stelle wirklich zu weit führen.

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Bob 5. Mai 2009 um 9:21

Wenns dabei nur um die Botschaften ginge… klar, das eine ist die Gehirnwäsche, aber das andere ist google…

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Ford – eine kleine Autorevolution 14. Januar 2010 um 16:33

[…] natürlich eine Social-Media-Offensive gestartet hat, zu der es ein interessantes Interview bei Off the Record gibt. Sicher, Sync und […]

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