Viele der deutschen hier am germanischen Stammtisch in den Reihen 2 und 3, rechts vom Podium, freuen sich besonders auf die Vorstellung der Mobile-Startups. Also schauen wir mal… Mytopia ist der erste Kandidat und präsentiert eine Spielplattform, die über jede Web- und Mobil-Landschaft spielbar sein soll. Durch die Programmiersprach Rugs soll es möglich sein, nur eine Version des Spiel aufzusetzen und sie automatisch für andere Fundamente anzupassen.
Das klingt für mich gut, aber richtig beurteilen kann ich es nicht.
Die Jury fühlt sich auch nicht recht sicher und stellt einige Fragen. Zum Beispiel, ob sich Mytopia als Tool oder Spieleanbieter sieht. Der Gründer weicht offensichtlich aus: „Wir haben gerade Seed-Kapital bekommen.“ Tim O’Reilly sagt es korrekt: „Wann werdet ihr rausfinden, wie ihr Geld machen wollt“? Die Skepsis ist groß, nur Evan Williams findet das optisch „pretty damned impressive“.
Vielleicht hat ja Tonchidot mehr zu bieten, auch wenn der Firmenname klingt wie eine Beleidigung. Der Gründer ist ein schwarz gewandeter Japaner, der aussieht wie ein durchgeknallter Dirigent und redet wie ein asiatischer Diktator und muss gegen viel zu laute Musik andiktieren. Großer Jubel für den mutigen und bisher skurrilsten Auftritt der Konferenz. Dann aber kommt doch noch ein Amerikaner um zu erklären, worum es geht – und das ist… irre.
Hier das Demo-Video:
Es geht um eine Iphone-App, die einem anzeigt, was um einen herum ist. Aber das passiert über das Bild in der Kamera. Auf der Kö in Düsseldorf würde also in das Bild aus der Kamera des Iphones bunte Tags angezeigt, wo welche Geschäfte sind. Dann gehe ich zu Saturn und filme das Regal. Mir werden Produkt-Tags gezeigt mit Kundenbewertungen. All diese Tags sollen von Nutzern generiert werden.
Das ist wirklich WOW! Jubel im Saal und der ist verdient für ein höchst spannendes Produkt. Unter großem Applaus springt der Gründer noch ein wenig über die Bühne. Calacanis: „We have a fan favorite“
„Eines der coolsten Dinge, die ich hier gesehen habe. Wird ein Helm mitgeliefert?“, meint Josh Kopelman. „Bevor Google Sie kauft…“, meint er und der Tonchidot-Gründer fällt unter Applaus ein: „Never! Never!“
O’Reilly fragt sich, woher die Daten kommen – eine wirklich gute Frage. So recht gibt’s keine Antwort darauf. Die Frage sei auch: „Can you build it? And are you doing it the right way?“ Nicht eine Person habe das Web gebaut und deshalb zweifelt er, ob ein Unternehmen solch eine neue Form des Web bauen könnte.
Und der Dialog, der sich dann entspinnt, ist zu schnell und zu lustig um ihn mitzuschreiben. Jubel, Standing Ovations von Teilen des Publikums, das sich aus dem Kabelgewirr rauswinden kann. „Haben sie jetzt schon gewonnen?“, fragt Jason Calacanis. Heiko Hebig twittert: Vielleicht sind das Schauspieler? Wenn nicht – blown away!
Ich wäre jetzt ungern in der Rolle von Mobclix – die sind jetzt dran. Die machen Werbekampagnen für Iphone Apps, natürlich mit Targeting und Statistikanalyse. Klingt langweilig, ist es aber nicht. Sie zeigen eine coole Coke-Anzeige, bei der Nutzer ihre eigene Flasche gestalten können. Oder eine Anzeige, die nur in der rechten oberen Ecke einer Iphone-App sitzt und aufgefaltet werden kann ähnlich dem Stasi 2.0-Design. „Geben Sie uns 15 Minuten und wir bringen Ihre Iphone-App auf eine neue Ebene“, sagt der Chef.
Die Jury zweifelt ein wenig, weil Mobclix nicht allein im Markt ist und das mögliche Einnahmevolumen begrenzt ist. Die Mobclix-Leute wollen aber auch auf Symbian und Windows Mobile aktiv werden.
Und nun Fitbit. Wieder was mit Gesundheit: „We want to make America a healthier place“ – denn man too… Sie zeigen eine sehr hübsche Grafik von einem Symposium für Linux-Programmierer: 1999 war der Anteil der XXL-T-Shirts unter 10 Prozent, 2008 bei über einem Drittel…
Fitbit ist ein fingergroßer „Tracker“, den man überall tragen kann, entweder angeklippt an den Gürtel oder ein Armband. Und er misst ständig die Bewegungen. Somit hat man einen ganztägigen Überblick darüber, wie viel man sich bewegt hat. Die Übertragung der Daten erfolgt drahtlos. Online gibt es dann die Umrechnung in Kalorien, kombiniert mit Ernährungstipps, denn was man gegessen hat, kann man auch eingeben. Das Buzzword Social Network darf nicht fehlen: Man kann sich zu Gruppen zusammenschließen. Und es wird auch Premium-Abos mit Zusatzfunktionen geben.
Die Live-Demo der Schrittzählung funktioniert innerhalb von Sekunden – exzellente Technik, große Begeisterung im Saal. Ich finde es sehr überzeugend.
Die Jury scheint ebenfalls angetan. „Awesom“, meint Evan Williams. Josh Kopelman fragt nach dem Unterschied zum Nike-Ipod-Teil. Antwort: „Das kann man nicht den ganzen Tag tragen.“ Allerdings soll die Zielgruppe auch nicht bei Aktiv-Sportlern sein, sondern bei normalen Amerikanern „um sie von der Couch zu bekommen“.
Das Gerät soll 99 Dollar kosten – und schreibt dann schwarze Zahlen.
Und das beschließt die bisher stärkste Session bisher. Die höchste Kreativität scheint derzeit beim Mobile-Bereich zu fließen.
Kommentare
David Noel 10. September 2008 um 0:42
Habe die Fitbit Präsentation gerade auch im Stream gesehen und bin begeistert. Eine Frage, die ich den Gründern gestellt hätte, wäre, wie sie gedenken, das Gerät + Service an die breite Masse zu bringen – da werden erhebliche Marketingbudgets nötig werden, um \’den normalen Amerikaner von der Couch zu lösen\‘.
Ein zweiter Gedanke: die angesammelten Daten bilden ein gutes Gesundheitsprofil eines Menschen und könnte interessant für Krankenkassen sein. Wenn man seine Daten aus dem System mit seinem \’Konto\‘ bei seiner Krankenkasse syncen würde, könnte man einen Bonus in Form von Beitragssenkungen erreichen als Belohnung fürs \’In-Form-bleibe\‘. Ähnliche Offline-Modelle gibt es ja bereits. Vielleicht ein Gedanke für einen weiteren Revenue Stream für Fitbit.
René Seifert 10. September 2008 um 18:10
Als fester Bestandteil des \“Germanischen Stammtischs\“ (auf 6 Uhr, 80 cm hinter dem Autor) erlaube ich mir meine Mindermeinung zur Präsentation von Tonchidot zum Ausdruck zu bringen 🙂
1. Entweder das war eine perfekte Verarsche, so wie der Klassiker Hape Kerkeling als Königin Beatrix.
oder
2. Der Typ ist absolut größenwahnsinnig und glaubt die heiße Luft, die er verbreitet. Immerhin handelt es sich um ein Problem, dessen Lösung sich am Rande der Science Fiction als in diesseitigen Innovationsschritten abspielt.
Aber einfach mal selbst kucken, rund eine Minute von diesem bizarren Auftritt, wo ich mal mit der Kamera draufgehalten hab.
http://in.youtube.com/watch?v=4Db3GuGlTkY
Das Leben ist ein Picnic 7. Juli 2010 um 13:32
[…] Und Tonchidot versprach, man würde die auf dem Display seines Handys nicht nur das Bild sehen, das die Kamera des Gerätes gerade aufnimmt, sondern dies würde angereichert durch zig Informationen. In einer Straße würde dann zu sehen sein, wo welches Restaurant liegt, wie es bewertet wird, oder welche Speisekarte es hat. […]
Augmented Reality plus Foursquare 7. Juli 2010 um 17:59
[…] 2008: Während der Startup-Konferenz Techcrunch50 bejubelt die Silicon-Valley-Szene Tonchidot. Die Japaner zeigen Augemted Reality: Iphone-Nutzer sehen auf dem Bildschirm ihre Umgebung […]
SXSW Day IV: Saal-Rocker 15. März 2011 um 11:47
[…] Tonchidot. Vor zweieinhalb Jahren hatte ich den hitleresk englisch sprechenden Japaner bei der Techcrunch 50 erlebt. Auch weiterhin hat er die Ausstrahlung eines durchgeknallten […]