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Nehmen wir einmal an, Sie, lieber Leser, hätten ein befreundetes Paar, das sich in einer schwierigen Situation befindet. Dieses Paar hat ein Kind und es braucht jemand, der an diesem Wochenende auf den Nachwuchs aufpasst.

Sie, lieber Leser bieten sich an, machen das gerne. Sie sind ein zuverlässiger und ordentlicher Mensch von konservativer Gesinnung. Doch die Freunde geben das Kind nicht an Sie – sondern an einen anderen Freund, jemand, der schon mal in Konflikt mit dem Gesetz geraten ist, der vielleicht gar ein wenig verlottert wirkt und in einer abgerissenen Wohnung lebt.

Mal ehrlich: Würde Ihnen das nicht zu denken geben? Mir schon, aber ich bin ja nicht Kanzleramtsminister Thomas de Maizière von der CDU. Als einst die Bundeshauptstadt von Bonn nach Berlin zog, frohlockte mancher, dass nun die Politik ins Leben falle – und mit ihr die Politiker. An der Spree seien sie näher dran am Menschen und das werde Wirkung zeigen.

Mir scheint: Das komplette Gegenteil ist der Fall. In diesen Tagen entwickeln Volksvertreter gleich reihenweise sonnenkönigliche Ambitionen. Jüngster Fall ist jener Kanzleramtsminister Thomas de Maizière. Der fiel schon mal in Ungnade, weil er mutmaßlich den sächsischen Verfassungsschutz nutzte, um Daten zu sammeln, die dieser wohl nicht sammeln durfte.Und nun gibt er der „Leipziger Volkszeitung“ ein Interview, in dem er sich doch bitte jede Kritik an der Datensammelwut des Staates verbittet:

„In der Debatte um schärfere Gesetze gegen den Datenmissbrauch rügte de Maizière den Internet-Umgang vieler Bürger und lobte den Umgang mit Daten durch den Staat. Ihm sei schon lange klar, dass beim Datenschutz die größere Gefahr vom Privatsektor ausgehe und nicht vom Staat. „Wie wir jetzt sehen, sind Daten beim Staat allemal besser aufgehoben als bei Privaten“, sagte der Minister. Die beste Sofortmaßnahme gegen Datenmissbrauch hätten die Bürger selbst in der Hand, indem sie nicht so viele Daten über sich ins Internet stellen. „Es ist schon sehr erstaunlich, dass besonders Jüngere große Angst vor Überwachung durch den Staat haben, aber freiwillig Bilder, Briefe und andere intime Daten ins allgemein zugängliche Internet bringen“

Tja, dem Staat mögen die Bürger die Daten nicht geben, Unternehmen schon. Das könnte den Staats-Männern zu denken geben. Muss es aber nicht. Ansonsten würden sie vielleicht vom Sonnenkönig-Thron purzeln.

(Übrigens, liebe Kollegen von der „Volkszeitung“: Gern hätte ich auch das Interview auf Eurer Internet-Seite verlinkt. Die aber ist ja wohl ein Komplett-Desaster. Gefunden habe ich das Gespräch auf jeden Fall nicht.)


Kommentare


Lukas 21. August 2008 um 18:39

\“Es ist schon sehr erstaunlich, dass besonders Jüngere große Angst vor Überwachung durch den Staat haben, aber freiwillig Bilder, Briefe und andere intime Daten ins allgemein zugängliche Internet bringen\“

Wie kann man solche Sätze äußern, ohne selbst über das entscheidende Wort zu stolpern? Eben: Freiwillig.

PS: Ist der Thomas de MaizièreMaizièreMaizièreMaizièreMaizièreMaizière Absicht oder ein Copy-and-paste-Unfall?

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Alexander 21. August 2008 um 18:50

Die einzigste Nähe zum Bundesbürger besteht doch nur wenn mal wieder eine Wahl ansteht. Ab und zu mag mal ein Abgeordneter auf eine E-Mail antworten, aber sonst ist von denen nix zu hören.
Drum frag ich mich auch, was denken sich Politiker, wenn sie eigentlich für das Volk dienen sollen, aber erstmal eigene Interessen vertreten.

ps: Danke das sie den LVZ-Onlineauftritt ansprechen und zurecht negativ. Als Ausenstehender lohnt es sich wirklich nicht die Seite zu besuchen. Schon verwunderlich vor allem, das es RSS Feeds gibt, trotz des Mangels an Web 2.0 und Texten aus der aktuellen Ausgabe

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7an 21. August 2008 um 19:42

So Unrecht hat Maizière nicht. Das Handhaben von persönlichen Daten ist in Zeiten des Internets durchaus heikel, wenn nicht gar schizophren. Auf der einen Seite möchte man sich vielleicht im Netz präsentieren und mit anderen Menschen austauschen. Auf der anderen Seite möchte man nicht, dass Daten in die falschen Hände kommen. Es ist immer ein Gang auf Messers Schneide. Vor allem, da man nie absehen kann, welche Daten man in der Zukunft von sich veröffentlicht sehen möchte, die man jetzt ins Netz stellt.

Zum anderen Punkt: Ja, ich sehe meine Daten im Zweifel lieber in Händen des Staates, als in den Händen von Datenhändlern.

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Arnulf 21. August 2008 um 20:07

Man muss de Maizière sicherlich nicht mögen (und es gibt sogar sehr viele gute Gründe, es nicht zu tun), aber diese beiden dürren wörtlichen Zitate aus dem Interview könnten genauso gut aus dem Mund jedes Datenschützers kommen.
Haben Sie, Herr Knüwer, denn das Original-Interview gelesen, oder geben Sie hier nur ungeprüft die PR-Mitteilung der \“Leipziger Volkszeitung\“ wieder, die mit Begriffen wie \“rügen\“ und \“loben\“ natürlich Aufmerksamkeit erzeugen will?

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Markus 21. August 2008 um 20:31

Naja, wie sicher die Daten beim Staat sind haben wir ja gesehen, (http://www.tagesspiegel.de/berlin/Landespolitik-Datenpanne;art124,2557287) und dass man die vorratsgespeicherten Daten mit Russland oder Aserbaidschan teilen wird (http://www.heise.de/newsticker/Staatssekretaer-Es-gibt-keine-Vorratsdatenspeicherung-bei-Vater-Staat–/meldung/98214/from/rss09), erwähnt de Maizière ja auch nicht – allerdings wollte ich sie auch den deutschen Behörden allein nicht geben.

Außerdem: Wenn doch die Büger angeblich sowieso alles von sich preisgeben – warum dann noch die staatliche Datengier – googeln sollte den Antiterrorermittlern doch dann reichen.

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Thomas Knüwer 22. August 2008 um 9:29

@Lukas: Das war ein Versehen und ist korrigiert.

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sicherheitsblog.info 22. August 2008 um 11:44

Wieder einmal ein politischer Beitrag zum Thema \“Staat gut – Wirtschaft böse – Bürger doof\“. Man sollte nicht vergessen, dass Presseberichte keine Statistiken sind. Die Tatsache, dass mehr Datenverluste aus der Wirtschaft gemeldet werden als von Behörden hat auch etwas mit Öffentlichkeitsarbeit zu tun. Am Ende wird nur ein verschwindend geringer Teil der Datenverluste gemeldet, insbes. bei unklaren Fällen wie CD-ROMs, die in der Post verloren gehen oder USB-Sticks, die jemand einfach nicht mehr findet. Und solche Fälle sind leider Alltag.

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spätburgunder 22. August 2008 um 13:45

Das Problem ist doch, dass ich a) grundsätzlich freiwillig meine Daten an Unternehmen gebe und b) von diesen mir Vorteile verspreche, vom Staat aber regelmäßig Probleme bekomme, wenn er mich überwacht.
Stichwort Steuerehrlichkeit – da haben doch geschätzte 90 Prozent der Einkommenssteuerpflichtigen kleine, vielleicht läßliche, Sünden begangen. Kümmert keinen – wenn aber der Staat eventuell pauschal Mails scannt, wo der Steuerpflichtige darüber schreibt, kommt das eher übel an.
Weiteres Stichwort Ermittlungsverfahren: Wenn gegen einen Bürger ermittelt wird, es wird eingestellt, aber gespeichert: Später wird das von einer anderen Stelle, die die Daten verknüpft – verknüpfen darf? – gegen mich verwandt (Da fiele mir die \“Operation Himmel\“ ein – so hieß sie doch?).

Das ist das Problem – Folgen des Mißbrauchs oder sogar der \“Nutzung\“ meiner Daten und Geheimnisse. Von Unternehmen geht da eher eine geringere Gefahr aus, der Staat kann ganz schnell mal meine Existenz vernichten.

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ich 22. August 2008 um 18:54

Traurig, wenn ein Journalist für Thomas de Maizière schon Copy and Paste braucht und damit hier auffliegt, Allgemeinbildung scheint wohl kein Einstellungskriterium mehr zu sein.

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Sven 22. August 2008 um 19:51

\“Zum anderen Punkt: Ja, ich sehe meine Daten im Zweifel lieber in Händen des Staates, als in den Händen von Datenhändlern. \“

Aber dieses \“entweder – oder\“ ist ja allein schon eine freche Konstruktion, die mit der Realität nix zu tun hat. Ich sag da z.B. \“weder – noch, warum soll ich mich zwischen zweien entscheiden, die ich so beide nicht will?\“ – muss ich nämlich auch nicht. Ist aber, zugegeben, ein beliebter, wenn auch durchsichtiger, rhetorischer Trick, um sich eine Zustimmung zu erschwindeln: konstruiere zu dem, wozu man eine Zustimmung möchte, einfach etwas, das man vernünftigerweise ablehnen müsste und tu so, als wären dies zwei (einzige) Alternativen, zwischen denen sich ausschließlich mit ja oder nein und automatischem nein oder ja zu entscheiden sei. Der \“Bericht aus Bonn\“ ist voll davon.

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anonym 25. August 2008 um 16:51

Der hier zitierte Politiker ist eine dubiose Figur und schon in Sachsen auffällig geworden, ohne daß er sich irgendwie hätte für sein Handeln verantworten müssen. Ich mißtraue daher allem, was er sagt (selbst wenn es mal einer Stelle richtig klingen sollte).

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Das digitale Wahrnehmungsproblem der CDU 7. September 2010 um 13:30

[…] also mag ihn mancher deshalb immer noch nicht ernst nehmen – obwohl das noch viel weniger scharf klingt als früher. Auch, weil de Maizière zwischen den Zeilen Privatsphäre mit Datenschutz gleich […]

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