Die schlimmste Plage aller Weblog-Besitzer und Internet-Seiten-Betreiber ist Kommentar-Spam. Das ist nichts Neues für die, die sich viel im Netz tummeln. Für einen Bonner Oberstaatsanwalt schon – er will vielleicht ermitteln. Der Satz lässt mich einen Moment stocken: „Das ist der erste uns bekannte Fall.“ So sagte es gerade Friedrich Apostel, Oberstaatsanwalt in Bonn, zu mir am Telefon. Und ich weiß, dass gleich viele Köpfe Schreibtische knallen, es sind die Häupter derjenigen, die viel im Web unterwegs sind.
Denn bei meinem Gespräch mit Apostel drehte es sich nochmal um die Sache mit dem zugemüllten Online-Gästebuch des CDU-Landtagsabgeordneten Gerhard Lorth. Bei dem waren innerhalb von zwei Monaten tausende der üblichen Werbe-Kommentare aufgelaufen und das hatte der „Express“ entdeckt. Mit Lorth habe ich inzwischen auch gesprochen. Er sagte, bisher hätten er und seine Leute immer E-Mails bekommen, wenn es Einträge im Gästebuch gegeben habe. Dieses System scheine nicht mehr zu funktionieren, deshalb hätten sich die Kommentare derart gehäuft.
Solche Spam-Werbung kommt, das wissen die, die viel im Netz zu finden sind, meist aus fernen Ländern. Weshalb den Verursachern nicht beizukommen ist. Nun aber will sich Apostel als Don Quixote von Klein-Bloggersdorf in die Schlacht werfen: „Wir haben so oft Situationen, die aussichtslos sein sollen – da könnte ich viele Verfahren sein lassen“, sagte er mir.
Nun bin ich auch ein Freund des Nicht-Von-Vorneherein-Abwinkens. Doch befürchte ist, Apostel ist nicht ganz klar, wie das alles so funktioniert im Web. Anderenfalls wäre ihm vielleicht aufgefallen, dass Lorths Plage die Plage hunderttausender Weblogs allein in Deutschland ist. Und dass es vielleicht Gründe gibt, warum bisher niemand etwas dagegen unternehmen konnte.
Nachtrag: Was Herr Apostel wohl zur Spam-Zählung im Lawblog sagt?
Nachtrag vom 21.8.:
Zwischen Herrn Apostel und mir hat sich folgender Mail-Wechsel entsponnen, die ich mit seiner Genehmigung hier dokumentieren möchte:
„Sehr geehrter Herr Knüwer,
mit Erstaunen habe ich Ihren Beitrag „The Staatsanwalt vs. the big Spamer“
gelesen und kann diesen nur unter dem Begriff „unseriöse Berichterstattung“
fassen.
Ihre Anfrage am 20.8.2007 an mich und die ihnen gegebene Antwort bezogen sich allein auf die Tatsache, dass im Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Bonn erstmals uns durch Veröffentlichung bekannt wurde, dass auf der Internetseite eines hiesigen Abgeordneten des Landtags Links positioniert wurden, die auf pornographische Seiten bzw. die Erwerbsmöglichkeiten von Viagra pp. hinwiesen. Diese und nur diese Mitteilung haben Sie von mir bekommen, auf einen Einwand von Ihnen verbunden mit der Feststellung, dass die Bonner Staatsanwaltschaft grundsätzlich nie wegen scheinbarer Aussichtslosigkeit es unterlasse, zumindest den Versuch einer Aufklärung zu beginnen. Nur am Rande sei noch erwähnt – was Ihnen unbekannt zu sein scheint -, dass die Staatsanwaltschaft an das Legalitätsprinzip gebunden ist, d. h. dann, wenn ihr ein Sachverhalt bekannt wird, der den Verdacht einer Straftat begründet, ist sie zum ermitteln verpflichtet.
Ihnen als Journalist sollte zudem bekannt sein, dass die Staatsanwaltschaft Bonn im Bereich der Bekämpfung der Internetkriminalität intensiv tätig ist. Zu unterstellen, hier seien die zahlreichen Spam-Wellen im Internet unbekannt, wirft ein bezeichnendes Licht auf Ihre journalistische Tätigkeit.
Auf Ihre im Anschluss an unser Telefonat übersandte „freundlich“ gehaltene mail können Sie schon deshalb keine Antwort erwarten, da die Staatsanwaltschaft Bonn nicht „in Sachen Spam-Werbung aktiv“ wird.
Ich bitte um eine Richtigstellung Ihres sachlich falschen Berichts.
Abschließend hoffe ich, dass Sie sich beim Aufschlagen Ihres Kopfes auf der Schreibtischplatte nicht verletzt haben.“
Meine Antwort darauf:
„Sehr geehrter Herr Apostel,
jetzt bin ich auch erstaunt. Denn ich hatte bei Ihnen ja gerade nachgehakt und gefragt, warum Sie nun aktiv werden. Außerdem hatte ich Sie darauf hingewiesen, dass tausende deutscher Blogs und Webseiten von Seiten der Spammer zugemüllt werden. Darauf hin sagten Sie mir, davon sei Ihnen nichts bekannt.
Bei Ihrer jetzigen Argumentation stellt sich mir die Frage, was die privat betriebene Homepage eines Landtagsabgeordneten unterscheidet von der privat betriebenen Seite eines Lehrers oder Programmierers?“
Er schrieb:
„Sehr geehrter Herr Knüwer,
natürlich unterscheiden sich die von Ihnen erwähnten verschiedenen Seiten insoweit durch nichts. Andererseits gehen wir nicht hin und durchforschen das Internet, wo sich noch etwas tut. Das wären Ausforschungen, die unzulässig sind.
Bekommen wir aber offiziell – noch verfolgbare – Sachverhalte zur Kenntnis gebracht(und sei es durch detaillierte Presseveröffentlichungen) , die über die ärgerliche Spam-Werbung hinaus Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Handeln beinhalten, werden wir tätig. Dies haben wir auch in der Vergangenheit bei privaten Strafanzeigen so gehandhabt.“
Kommentare
Jörg Friedrich 20. August 2007 um 16:48
\“die Plage hunderttausender Weblogs allein in Deutschland\“?
Warum müssen Journalisten immer übertreiben? Wenn hunderttausende Weblogs diese Plage haben, wie viele Weblogs gibt es dann insgesamt? Die Mehrzahl der Weblogs ist so wenig verlinkt, da landet nie ein Spam-Kommentar (Ich betreibe selbst ein WebLog mit Authority=2 in technorati…) Wenn ich das hochrechne, dann gibt es wahrscheinlich Millionen von Bloggern in Deutschland?
Meine Schätzung: vielleicht 3000 Blogger in Deutschland sind wirklich Kommentar-Spam-Angriffen ausgesetzt, davon haben die meisten einfache oder kompliziertere Filter oder Barrieren dagegen eingerichtet. Ich kenne nur ein Blog, bei dem ich regelmäßig Spams sehe.
Insofern ist es nicht so überraschend, dass ein Staatsanwalt hier seinen ersten Fall von Kommentar-Spam hat.
nimue 20. August 2007 um 16:54
na , so ganz stimmt das aber auch nicht… ich hab einen blog praktisch unter ausschluß der öffentlichkeit unt trotzdem im monat um die 400 spameinträge.
Max 20. August 2007 um 16:59
Wenn du in der glücklichen Lage bist keinen Spam zu bekommen, dann ist da vermutlich ein guter Spamfilter am Werk von dem du einfach nichts weisst. Selbst reine Testblogs, die ich lediglich zum Entwickeln aufsetze werden innerhalb von ein paar Wochen zugespamt.
Harald 20. August 2007 um 17:00
Zum Einstieg ins Internet und lästige Spam Werbung könnten Sie dem Staatsanwalt und dem armen Abgeordneten ja diesen Sketch aus der Dave Chapelle Show zeigen in dem die vielen kleinen Eigenheiten des Netzes in einem realen Kontext gezeigt werden (obwohl dabei wohl alle Vorurteile wie böse das Internet sei bestätigt würden):
http://thatvideosite.com/view/155.html
Ich freue mich dann schon mal auf die Meldungen \“Staatsanwaltschaft Bonn ermittelt gegen gefälschte Potenzpillen aus China\“ und \“Verschärfter Gesetzentwurf der CDU gegen Weblog-Spam\“.
Jörg Friedrich 20. August 2007 um 17:09
Hallo nimue und Max,
ich habe keine Ahnung, wie Kommentar-Spam-Software arbeitet, aber wahrscheinlich spielen da viele Dinge rein. Die Seite, die ich bei meinen Namen bei Kommentareinträgen verlinke, ist selbst programmiert und arbeitet mit einem einfachen Verfahren (Additionsaufgabe). Mein Blog ist wie gesagt kaum verlinkt, ist aber ein Standard-Wordpress-Blog und seit Anfang dieses Jahres am Netz.
Mir ging es aber vor allem um die \“hunderttausenden blogs allein in Deutschland\“ diese Zahl ist in jedem Fall viel zu hoch
Jochen Hoff 20. August 2007 um 17:22
Apostel, Apostel. Ja doch der wird es richten. Ich habe vollstes Vertrauen in den Mann. Jedes Mal wenn ich den Namen gelesen habe, gab es was zum Lachen.
Peter 20. August 2007 um 17:23
Sicher? Selbst dieser Mensch, der letztens in der Süddeutschen Blogs ausführlichst verdammt hat, ist von 100.000 Blogs ausgegangen. Auch blogcensus.de erfasst über hunderttausend deutschsprachige Blogs… und wenn schon ein im Zeitlupentempo arbeitendes No-Profit-Projekt so viel erfasst, wie viel schaffen dann tausende von geschäftsmäßig betriebenen Spambots?
Marc | Wissenswerkstatt 20. August 2007 um 17:25
Abgesehen von den Diskussionen, ob potentiell hundertausende Blogs und Webseiten im Fokus von Spammern stehen oder eben faktisch nur 10.000 – Staatsanwalt Friedrich Apostel ist einer der ganz großen seines Fachs. Egal ob es um Wirtschafts- und Finanzkriminalität oder etwa die Ermittlungen gegen Jan Ullrich geht: Apostel läßt sich von niemandem den Mund verbieten und hat auch den Mut \“heiße Eisen\“ anzupacken.
Das nur der Vollständigkeit halber, denn es wäre verkehrt, diesen Mann zu belächeln, weil er evtl. in Sachen Spam (bislang!) nicht informiert ist…
Thomas Knüwer 20. August 2007 um 17:32
Ups, ich muss mich in der Tat korrigieren. Ich wollte \“hundertausende weltweit\“ schreiben, dann aber lieber nur Deutschland nehmen. Richtig müsste es heißen: \“zehntausende in Deutschland\“. Wobei ich schon davon ausgehe, dass jedes deutsche Weblog mindestens einmal schon Spam-Besuch hatte. Das habe ich bei meinem kleinen Privatblog schon wenige Tage nach dem Start.
Jörg Friedrich 20. August 2007 um 17:43
Irgendwie hatte ich mir das gedacht. Hatte eigentlich erst eine Mail schreiben wollen, mach ich nächstes Mal.
@Peter: Wie der Blogcensus zu seinen Zahlen kommt, ist nicht transparent. In den Verzeichnissen sind jeweils ein paar Tausend eingetragen, das ist für mich das Maß. Wenn wirklich 1 % der deutschen Bevölkerung aktive Blogger wären, wäre das Phänomen viel bekannter. Zum Vergleich: es gibt ca. 120.000 Marathon-Läufer. Ich kenne in meinem persönlichen Bekanntenkreis einige, jeder, den ich frage, kennt auch welche. Aber wenn ich mal frage, ob jemand ein Blog kennt, oder sogar einen Blogger – Fehlanzeige.
Chat Atkins 20. August 2007 um 17:44
Immerhin – \’unter den Blinden ist der Einäugige König\‘, heißt es im Sprichwort. Oder: \’Spät kommt ihr, doch ihr kommt, Graf Isolani, der lange Rechtsweg entschuldigt euer Säumen …\‘
Jörg Friedrich 20. August 2007 um 17:45
es sollte 0,1 % heißen!
mbr:points 20. August 2007 um 19:13
So viele Blogger gibt es in D, A, CH u. Südtirol zusammnen nicht? Woher stammen den die Zahlen? Auch ist halt das Thema Spam im Moment in. Ausgehend von den USA wird ja Jagt auf Spammer gemacht. Spams an sich sind ja auch ein soziales Problem, weil oft die Mafia dahinter steht und den Jugendlichen aus den Slums durchaus Jobs gibt. Das nur mal so nebenbei…
Aber wer bekommt den wirklich Kommentar-Spam. Jeder Blogger geiert ja regelrecht darum, den Verlinkung ist ja bekanntlich alles…
Bin ich jetzt auch ein Kommentar-Spammer? Schreibe nicht oft, aber bei den monatlichen Recherchen der Bloggerszene doch hin und wieder. UND: Wie kann ich mich auf meinem Blog vor Kommentar-Spammern schützen? Ich sage es euch: Gar nicht. Wer überall hinschreibt, nur damit er verlinkt wird, ist selber schuld.
Hans 20. August 2007 um 20:27
***Hier stand ein Kommentar, der nur beleidigte und nichts zu Diskussion beitrug.***
Alphager 20. August 2007 um 22:22
@Jörg Friedrich:
Der Technorati-Authoritywert sagt _garnix_ aus.
Ich habe einen Blog mit Authority 3, der inzwischen täglich um die 200 Spamkommentare bekommt. Mein anderer Blog mit Authority 7 bekommt weniger als 10 pro Tag. Beide Blogs mit denselben Sicherheitseinstellungen auf demselben Server mit derselben WordPress-Installation.
Chat Atkins 21. August 2007 um 9:26
Könnten wir uns wenigstens darauf einigen, dass es mehr Blogs als Zeitungen gibt?
Rainersacht 21. August 2007 um 12:28
Mal ehrlich: Auf den Herrn Apostel lass ich auch nichts kommen. Ich kann jetzt zwar wegen schwebender Verfahren nix Genaues sagen, aber der Mann packt wirklich virtuelle Sachen an, von denen das Gros seiner Kollegen nicht mal weiß, dass es sie gibt.
Aber ob die Spam-Sau aus dem Oberbergischen in sein Amtgebiet fällt, weiß ich nicht. Wenn doch, dann sollte sich der Fizzi-Bär aber schnell aus dem Staub machen.
Hans 21. August 2007 um 17:59
***Auch dieser Kommentar argumentierte nicht, sondern beleidigte nur. Und das nicht mal intelligent oder unterhaltsam.***
Jörg Friedrich 11. Oktober 2007 um 16:09
Eine alte Sache hab ich hier nochmal rausgekramt, weil es eine neue Studie zu der Frage gibt, ob es nun zehntausende oder hunderttausende Blogger in Deutschland gibt:
http://duberichtest.de/einzelgeschichte.php?id=272&art=geschichte