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Internet-Seiten sind wie kleine Kinder: Man darf sie nicht allein lassen. Das bekommt jetzt Gerhard Lorth zu spüren, NRW-Landtagsabgeordneter aus Bonn. Seine Internet-Seite ist heute Aufmacher des Boulevard-Blattes „Express“: „Porno-Attacke auf Politiker“. Ich gestehe: Heute morgen habe ich den „Express“ gekauft. An jenem Verkaufsblechhaufen, den ich schon einmal beschrieb. Der Grund war die Schlagzeile:

„Porno-Attacke auf Politiker
Internetauftritt und E-Mails von Landtagsabgeordneten mit Werbung für Schmuddelsex-Seiten manipuliert“

Jeder, der des Internets ein wenig kundig ist, murmelt jetzt das nahe liegende Wort: Spam.

Politiker haben nun wohl nicht mitgemurmelt. Wir kennen das ja nur zu gut, Stichwort: Generation Web 0.0. Davon zeugt auch Gerhard Lorth (CDU). Eine Netz-Heimat im Standard-Design hat er eingerichtet, mutmaßlich wird auch solches schon als Dienstleistung von den Parteizentralen eingerichtet. Dazu der hübsche Slogan „Lorth vor Ort“.

Dieser rote Button mit der Grundschulwerberei, der derzeit auf der Homepage klebt zeugt von Kommunikationsbereitschaft. Aber bitte nur in der Fußgängerzone und nicht digital. Denn im Netz mag niemand mit Herrn Lorth kommunizieren – und er selbst schert sich auch nicht drum. Derzeit ist sein Gästebuch-Link anscheinend abgeschaltet – doch die Einträge sind nicht gelöscht, wie Google hervorbringt.

Somit bietet sich das Bild, das auch der „Express“-Kollege vor sich hatte, als er vermutlich zufällig über Lorth recherchierte. Am 14.11.2004 hatte der Landtagsabgeordnete sein Gästebuch geöffnet – doch die Gäste wollten nicht eintragen, so sie überhaupt den Weg zu ihm gefunden haben.

Am 12.6.2006 aber gibt es Lob von John:

„Very nice site!“, lobt der und schickt einen Link hinterher – natürlich für eine Seite, auf der man günstig Viagra erstehen kann.

Der Eintrag bleibt stehen. Entweder Lorth und seine Leute haben dies für ein echtes Lob gehalten oder – und das ist wahrscheinlicher – sie haben gar nicht draufgeguckt. Solche Spam-Werbung kennen Blogger und Betreiber von Web-Seiten nur zu gut. Auch diese kleine Veranstaltung ist davon extrem betroffen. Spam-Werbung ist zwar verboten, doch den Viagra-Anbietern und Penisverlängerern in fernen Ländern ist eben nicht beizukommen. Da hilft nur der Einbau von Filtern, das Einführen von Passworten – und/oder Löschen, Löschen, Löschen.

Bei Gerhard Lorth löschte niemand. Monatelang. 2163 Spam-Kommentare liefen auf. „Ich war im Urlaub in Spanien, habe das gar nicht mitbekommen“, sagt der CDU’ler dem „Express“. Doch zwei Monate Urlaub? Nein, es ist davon auszugehen, dass ohne den „Express“-Anruf die Zahl der Gästebuch-Eintragungen munter gestiegen wäre. Weil Lorth sich einfach nicht um seine Seite gekümmert hat.

Das Internet bietet Politikern eine wunderbare Möglichkeit, mit ihren Wählern in Kontakt zu kommen. Sich bekannt zu machen. Gerade also das, was einer wie Lorth brauchen könnte. Denn im März 2005 stellte der „Express“ fest:

„Keiner kennt den guten Lorth

Unglaublich: Am 22. Mai stehen die Landtagswahlen in NRW an – und die Bonner Kandidaten sind den Bonnern nahezu unbekannt. Dies zeigt zumindest eine Umfrage, die der EXPRESS in der City durchführte.“

Nachtrag: Die Geschichte hat eine Fortsetzung: Der Staatsanwalt will sich einschalten…


Kommentare


dirk 20. August 2007 um 11:39

Keiner kannte ihn? Da war Aussitzen doch genau die richtige Strategie…

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StoiBär 20. August 2007 um 12:33

Hab grad eine Spamwarnung bekommen, wahrscheinlich wegen der beiden Links.

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Jörg Friedrich 20. August 2007 um 13:20

Das ist dann jetzt aber nett von dem Express, dass er dem Lorth ein bisschen hilft, bekannter zu werden. Viele seiner Wähler werden jetzt wahrscheinlich verständnisvoll-mitleidig nicken und wieder mal \“Teufelszeug\“ murmeln, wenn sie an Internet denken.

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Matthias Schrade 20. August 2007 um 13:48

Na, da hat sich das Nichts-tun ja jetzt schon wieder gelohnt – hätte er immer brav gelöscht (oder besser: löschen lassen), dann würde ich selbst nebst ein paar Millionen 😉 weiterer deiner Leser den lieben Herrn Lorth immer noch nicht kennen….

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Thomas Knüwer 20. August 2007 um 13:49

Stellt sich aber wieder mal die Frage, ob any PR good PR ist…

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Jörg Friedrich 20. August 2007 um 14:03

Mir ist aus deinem Bericht nicht ganz klar geworden mit welchem Tenor der Express berichtet hat. Die Überschrift klingt ja eher so, als ob er den Lorth als Opfer eines fast terroristischen Angriffs beschreibt.

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Lukas 20. August 2007 um 14:05

\“Internetauftritt und E-Mails von Landtagsabgeordneten mit Werbung für Schmuddelsex-Seiten manipuliert\“ ist jetzt aber sachlich auch nur teilrichtig. Also eher falsch, oder?

Andererseits hat der durchschnittliche \“Express\“-Leser vermutlich noch weniger Ahnung vom Internetz als der durchschnittliche Politiker.

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Matthias Schrade 20. August 2007 um 14:34

@Thomas: ups, war der Ironie-Button nicht deutlich genug? So oder so wundere ich mich über die Aussagen, Gesetzesvorlagen und Urteile angesichts der allzu klar erkennbaren Inkompetenz und Ignoranz mancher Politiker in punkto neue Medien schon lange nicht mehr.

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