Totgeburt in Münster

Am vergangenen Wochenende weilte ich in meiner münsterländischen Heimat. Und einen Moment lang dachte ich, als ich über den Prinzipalmarkt spaziert: „Ups, da haben die ,Westfälischen Nachrichten‘ ja eine 10 Jahre alte Ausgabe im Schaukasten hängen.“ War aber nicht so. Denn die Schlagzeile ist tatsächlich wahr: Im Jahr 2007 startet Münsters führende Lokalzeitung einen Internet-Auftritt. Also nicht Relauch-mäßig oder so – es gab vorher keinen. Es gibt eine Reihe ausländischer Handelsketten, die sich bei ihrem Deutschlandstart zunächst in Münster versuchen. Das hängt mit der Einwohnerstruktur zusammen, dank derer vieles ausprobiert und feingeschliffen werden kann.

Nun darf die Region auch als Versuchsort in Sachen Neue Medien gelten. Das Experiment lautet: „Kann ein Verlag im Jahr 2007 im Internet von Null auf anfangen – und erfolgreich sein?“

Gemeint ist das Verlagshaus Aschendorff, Mutter der „Westfälischen Nachrichten“, dem Zeitungs-Platzhirsch in Münster. Deren Konkurrenz, die „Münstersche Zeitung“ demonstrierte durch ihren Verleger Lambert Lensing-Wolff ja bereits, dass vorausschauendes und langfristig angelegtes Management keine in Lokalzeitungsverlagen gepflegte Tugenden sind: Knall auf Fall tauschte Lensing-Wolff die gesamte Redaktion auf ekelerregende Weise aus.

Die „Westfälischen Nachrichten“ möchten ihre Partnerschaft mit diesem Haus nun wohl auch lösen. Denn bisher war der Internet-Auftritt der „Westfälischen Nachrichten“ im Lensing-Wolff-Angebot Westline enthalten. Nun wurde mit viel Tammtamm und einer Sonderbeilage Westfaelische-Nachrichten.de eingeweiht – eine eigene Homepage.

Das Ergebnis ist so, wie man es erwartet: Die Seite scheint aus dem Jahr 1997 entsprungen. Sauber gestaltet, ja, einigermaßen. Aber: äußerst langsam, miserable Seitenstruktur, teils uralte Meldungen, um Rubriken aufzufüllen, keine interaktiven Elemente, und, und, und. Diese Homepage ist bei ihrer Geburt zehn Jahre zu spät dran.

Schon die Überschrift der Beilage verrät, woran es der Redaktion mangelt: Internet-Wissen. „Im Internet surfen ist ziemlich super“, steht da. Doch. Ehrlich. Woher soll es auch stammen? Jahrelang wurden die Texte der Print-Ausgabe rübergeschaufelt an Westline, nun sollen alle mitdenken in Sachen Netz. Die Nutzer aber sind längst entfleucht, sind andere, bessere Seiten gewöhnt. Warum eine Christian-Klar-Meldung bei der „WN“ lesen, wenn sie doch nur Agentur ist?

Die einzige Chance besteht aus meiner Sicht in der kompletten Lokalisierung der Inhalte. Nix mehr mit hoher Politik und Siemens-Chef-Suche – allein Münster und seine Region dürfen zählen. Denn da es derzeit noch an einem unabhängigen Lokalinformationsdienst mangelt (schade, dass die abgebauten Kollegen der „Münsterschen Zeitung“ da nicht aktiv geworden sind), ist dies das einzige, mit dem die „WN“ noch punkten kann.

Denn so, wie sie da jetzt im Netz steht, trägt Westfaelische-Nachrichten.de sein Gütesiegel schon auf die Stirn tätowiert: Totgeburt.

50hz sieht die Seite übrigens nicht ganz so negativ, darauf wies mich der Pottblogger hin.