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Ergänzt ein neues Mitglied ein fest geformtes Team, muss es sich erstmal seine Position erkämpfen. Mit allen Mitteln notfalls, und auch in der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt.

„Jetzt bin ich aber mal gespannt“, sagt Jessica und macht es sich in dem grün-weiß gestreiften Liegestuhl bequem. Alexandra stellt den ihren, in blau und weiß gehalten, nah an ihre beste Freundin ran und rückt die Prada-Sonnenbrille zu Recht. Die untergehende Abendsonne wärmt das caipirinhadurchmischte Blut der beiden Frühdreißigerinnen und legt ein leichtes Orange über den künstlichen Strand, den ein kreativer Gastwirt in den Medienhafen der Stadt implantiert hat, an deren Rand die kleine PR-Agentur liegt.

„Ach“, seufzt Alexandra. „Lief schon ganz gut. Ich denke mal, die krieg ich in den Griff.“ Mit leicht hochgezogener Augenbraue folgt ihr Blick einem ansehnlich bodygebuildeten Beau, ihre Lippen spielen sanft mit dem kurzen Strohalm, dann füllt eine angenehme Mischung aus Cachaca, Limettensaft und Rohrzucker ihren Mund.

„Jetzt guck mal nicht den Typen hinterher, sondern werd konkreter! Ich will alles wissen.“

„Also… Der Chef hat erstmal alle zusammen gerufen. Natürlich hab ich an den komischen Blicken sofort gesehen, dass die sich gefragt haben: Wer ist diese Tusse? Und dann hat er verkündet, dass dieses Internet-Casino absolut begeistert war vom Einsatz der Agentur.“

„Das war die Sache mit dem Flitzer beim Confed-Cup, oder?“

„Ja, genau. Außerdem hätten sie auch noch den Scalix-Etat geholt, das ist so nen Linux-Unternehmen. Und deshalb können sie sich jetzt mich leisten.“

„Das müssen ja ordentliche Etats sein. Ich kenn doch Deine Gehaltsvorstellungen.“

Alexandra grinst. „Ja, ist doch erstaunlich, dass es noch Internet-Unternehmen gibt, die richtig Geld haben.“

„Ist ja für Dich mal ne Abwechslung.“

„Geld hatten sie ja alle. Nur haben sie kein neues dazubekommen“, sagt Alexandra trocken. „Dann hat der Chef meine Bio vorgesungen. Klang toll, ich war schon fast ein bisschen stolz auf mich: Studium in Passau, Bologna und Wien, Master am Walden College, dann PR-Referentin beim Dachverband Löten und Schweißen. Anschließend Consultant bei Laut & Leise-PR, Head of Communications beim Online-Portal Howdoyoudo.com und noch nen MBA oben drauf.“

„Brauch ja keiner wissen, dass Du den nur gemacht hast, um nicht ALG-II-Opfer zu werden.“

„Pschschscht“, sagt Alex grinsend und legt den Zeigfinger mit dem blutrot lackierten Nagel vor die Lippen.
„Natürlich hatte ich mein dunkelblaues Jill-Sander-Kostüm an…“

„Das spießige?“

„Genau, das oberspießige. Und keine Kontaktlinsen sondern meine schwarze Hornbrille, dazu nen züchtigen Pferdeschwanz. Je konservativer, desto besser am ersten Tag. Prompt hat eine von denen getuschelt, ich sei noch trutischiger als deren Oberbiedermeierin, diese Sabine. Dabei muss die gerade ruhig sein. Die heißt doch wirklich Tanja-Anja! Und ist so ne überdrehte Junior mit Baggy-Hosen.“

Die beiden rollen sich fast in den betonunterlegten Sand des Strandes vor lachen über den Doppelnamen.

„Ich mich dann vorgestellt, Du weißt schon, leicht nasaler Ton, etwas piepsige Stimme – sollen mich erstmal unterschätzen. ,Hallo, ich bin Alexandra‘, hab ich gesagt, ,aber nennt mich ruhig Alex. Ich freu mich sehr auf eine gedeihliche Zusammenarbeit.'“

„Nääääää“, prustet Jessica los, „Du hast nicht gedeihlich gesagt!“

„Doch. Immer schön omahaft bleiben. Und dann hat der Chef verkündet, dass ich beim Scalix-Etat mitarbeiten soll und wir sind direkt ins Meeting.“

„Wie sind denn die Kollegen sonst so? Ist wenigestens ein Schnittchen dabei?“, fragt Jessica

„Der Chef ist ein gelgeglättetes Ekelpaket mit Hang zur Selbstüberschätzung. Dann gibt’s halt diese zickige Tanja-Anja, die spießige Sabine und…“ Genießerisch bewegt Alex ihre Wangen, als koste sie einen besonders komplexen Bordeaux. „Der Lars, der ist schon süß. Hat allerdings wohl was mit der Praktikantin Julia am laufen. Versuchen es zu verbergern, weiß aber die ganze Agentur.“

„Gedenkst Du eine Änderung herbeizführen?“, fragt Jessica mit einem Tonfall der so prall gefüllt ist mit Ironie wie eine Billigfritte mit Fett.

„Schauen wir mal… Die kleine studiert in Berlin. Und es wäre doch echt schade, wenn sie dahin zurück müsste, weil ihr so dumme Sachen im kindlichen Übereifer unterlaufen.“

„So dumme Sachen?“

„Ja. Zum Beispiel war sie ja auch bei der Scalix-Sitzung. Und da wollte der Chef Ideen haben, wie die Agentur sich einführen kann bei den Medien: kreativ, cool und nicht zu teuer. ,Also besonders cool ist ja gerade Nordafrika‘, hat das Mäuschen da gepiepst. Prompt brüllte der Chef: ,Riesenidee! Sommernächte in Nordafrika! Und wir bringen dieses Feeling zu den Schreibern! Julia, Alex, Sie fokussieren das mal!'“

„Und habt Ihr schön fokussiert?“

„Klar. Wir haben uns hübsch am nächsten Tag zum Lunch zusammengesetzt, natürlich in dem billigen Salat-Laden, kann sich ja nicht so viel leisten, die Prakti-Sklavin. Hab ihr hinterher sogar noch den Latte im Coffee-Shop bezahlt. Und währenddessen hab ich ihr als neue beste Freundin eingeredet, dass eine Flasche tunesischer Wein das richtige könnte. Der ist erstaunlich gut und nicht zu teuer.“

„Aber das ist doch toll! Dann steht Julia großer Karriere nichts entgegen.“

Alex legt ihren Kopf schief, schaut Jessica einen Moment an. „Na ja… Der Wein soll die Pressefuzzis milde etwas milder stimmen, wenn sie die andere Hälfte des Paket sehen. Ich hab dem Schneckchen nämlich die Nummer von Ahmed gegeben…“

„Deinem Ex-Lover? Dem mit dem Knackarsch? Soll der sie abwerben?“

„Nein! Ahmed steht auf dunkelhaarig.“

„Und Julia ist blond“

„Aber bis ins Herz. Nein, Ahmed hat doch dieses Einrichtungsgeschäft aufgemacht, nachdem er sein Startup vor die Wand gefahren hat.“

„Ach so! Und direkt nach dem Essen hast Du Ahmed angerufen…“

„Genau. Und hab ihm gesagt, dass er dem Blödchen das hässlichste Teil aufschwatzen soll, dass er aus dem Bereich Nordafrika bekommen kann. Und das soll er mit kräftigem Aufschlag verkaufen. Na ja, Du weißt ja, wie charmant Ahmed sein kann. Wenn das die Journalisten morgen bekommen, glauben sie das bei Scalix Schreibtische aus Kiefer stehen und Gelsenkirchener Rokoko das bevorzugte Firmenambiente ist. Natürlich gibt’s noch nen Scalix-Mouse- Pad mit nem Goldfisch obendrauf, damit das Ensemble besonders gaga wirkt. Tja, und dann bin ich zum Chef gegangen und hab Julia in den höchsten Tönen gelobt, weil sie so selbstständig sei. Ich selbst hätte nämlich unglücklicherweise sooooo eine Migräne gehabt und hätte mich ausklinken müssen. Nur den Wein, den hätten wir noch gemeinsam ausgesucht. Ein Augenaufschlag, einmal Oberschenkel auf den Schreibtisch, den Rock nen Zentimeter hochgeschoben – und er ist weggeschmolzen.

„Du Luder!“, ruft Jessica aus. „Und was hat sie nun gekauft?“

Alex greift unter den Liegestuhl und holt das Paket hervor, das morgen bei den Medienvertretern quer durch die Republik eintreffen wird. Jessica öffnet es, nimmt das Geschenk heraus, betrachtet es mit einer Mischung aus Anerkennung und Bewunderung für die strategischen Fähigkeiten ihrer Freundin.

Dann stellt sie es in den Sand und ruft „Auf eine gute Zeit in der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt“.

Zwei Gläser klirren aneinander und ein wenig Caipirinha benetzt einen kleinen, unschuldigen Mohren der so gerne zwei Kerzen halten würde.

Weitere Abenteuer der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt:

Kurz vor Mitternacht
Koffeein-Schock
Mai-Ausflug
Frühlingsgefühle
Wahlkampf
Marcelinho
Arbeitsverweigerungskampf
High-Society
Verzweiflungstat


Kommentare


Don Alphonso 17. Juli 2005 um 0:55

Äh, ich darf vielleicht hier anfügen, dass das zufolge der Einrichtungstend von AD bis Elle Decoration im Moment der Bringer schlechthin ist, ein absolutes Must Have.

Soll ich mal ein Bild meinen siebenflammigen, lebensgrossen Mucki (so heissen die in der Antikdealersprache) posten?

Antworten

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