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In der vergangenen Woche widmete die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ ein ganzes Buch, also einen Zeitungsteil, dem Thema Frauen. „Die Frauenfalle“ war dieser überschrieben und enthielt letztlich die alt bekannte Argumentation rund um die Frage, warum so wenig Frauen es in Führungspositionen in der Wirtschaft bringen. Das Thema ist uralt und geschrieben wird immer das gleiche – aber jeder Chefredakteur meint einmal jährlich dies groß drehen zu müssen in der irrigen Hoffnung, dies bringe weibliche Leser.

Heute nun berichtet die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ nicht nur über die Reaktionen auf „Die Frauenfalle“, sondern auch über das spanische Kabinett. Es ist eine bemerkenswerte Geschichte. Überschrieben ist sie mit „Zapateros Modepüppchen“, zu sehen sind sechs Ministerinnen und Premierminister José Luis Rodríguez Zapatero. Autor ist Madrid-Korrespondent Leo Wieland.

Sie ahnen, was der Artikel enthält. Die These lautet: „Spaniens Sozialisten kleiden sich gut, allein um Wählerstimmen zu bekommen.“ Einen Beleg dafür hat Wieland außer der eigenen Meinung nicht, seine Argumentation bewegt sich auf dem Niveau der Beobachtung. Offensichtlich müssen Politiker sich nach Wielands Meinung in Sack und Asche kleiden, halt so wie viele Journalisten auch herumlaufen. Zapateros Stellvertreter José Blanco hat sich gar erdreistet, sich die Augen lasern zu lassen – der Hund, der populistische.

Frauen tauchen in diesem Stück übrigens lange nicht auf.

Praktisch die Hälfte des Textes hält sich mit Männern auf. Auch die Oppostion, die nach Meinung Wielands „von der Stange“ kauft (Hugo Boss – die bevorzugte Jeansmarke Zapateros – ist für ihn damit anscheinend nicht „von der Stange – aber wir wollen keine Korinthen kacken bei einem so wichtigen und weltbewegenden Thema).

Dann aber Wieland so richtig den Leo raus gegen die „weibliche Ministerriege“:

„Sie ist die eigentliche Augenweide für die staunenden Betrachter. Neun Ministerinnen – paritätisch besetzt neben neun Ministern – verblüffen vom ersten Amtstag an mit ihrem Mut zur Farbe, (Aus-)Schnitt und teuren Designer-Labels…

Ihr Model-Charakter hat … in einem veritablen Wettbewerb der Eitelkeiten die weibliche Hälfte des Kabinetts in Atem gehalten….

Da ist das Nesthäkchen, die junge „Gleichberechtigungs“-Ministerin Bibiana Aído, die vor der Entdeckung durch Zapatero in Andalusien für die Promotion des Flamenco zuständig war und sogleich auch die Lederjacke in den Schrank sperrte. Inzwischen glänzt Frau „Papa-ich-bin-Ministerin“ mit reizenden Debütantinnenkleidchen, die fast darüber hinwegtäuschen, dass ihr Ressort schon zu einer verblassten und demnächst obsoleten Fortschrittsschminke geworden ist…

Gesundheitsministerin Trinidad Jiménez, als Boutiquen-Schreck auf Madrids Goldener Meile, der Calle de Serrano, bekannt, ist gerade dabei, ihren Kleiderschrank mit dem Ziel ,Volksnähe‘ umzumodeln…“

Vergangene Woche also fragte sich die „FAS“, warum es Frauen so schwer haben. Dabei zeigt sie doch heute in Gestalt ieines „Journalisten“, warum das möglicherweise so ist: Niemand in einer Wochenzeitung, die sich der Qualität verschrieben hat, stoppt solch einen sexistischen Schwachsinn. Niemand fragte Leo „Ey-boa-Opa-ich-bin-bei-de-FAZ“ Wieland ob er noch alle Häschen auf der Wiese hat. Wenn dies das Frauenbild einer führenden Zeitung in Deutschland ist, dann kennen wir jetzt einen gewichtigen Grund für das Problem der weiblichen Hälfte unserer Bevölkerung.

PS: Die aktuelle Ausgabe der „FAS“ ist ohnehin in einigen Punkten äußerst schwach. Da ist ein undifferenziertes und eher in höfischer Unterordnung geführtes Gespräch mit Stephanie zu Guttenberg und eine merkwürdig unfertig wirkende Geschichte über einen deutschen Juden der in Stalins Russland floh – warum die „FAS“ diese Geschichte nun berichtet, wird aber überhaupt nicht klar.


Kommentare


Angelika 19. September 2010 um 21:46

danke, habe ich gerne gelesen.

als selbst-bewusste frau weiss ich z.t. garnicht mehr was ich sagen oder denken soll – nach aussen, in einem kommentar usw. usf.
ich dachte, das hätte sich „erledigt“. oups.
backlash in vollem verbalen/pseudo-journalistischen-sprach-gebaren.
in dld. im jahre 2010. aua.
„am besten nix neues“.

luise f. pusch anyone ?

beste grüsse

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Mel 20. September 2010 um 9:02

Wat denn, die kennt ausser mir noch jemand?

*staun*

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prüfer 20. September 2010 um 10:02

Meiner Wahrnehmung nach ging es in dem Artikel eher um den veränderten Kleidungsstil der Sozialisten. Früher noch mit Blaumann und Lederjacke bei der Gewerkschaftsversammlung, jetzt im Maßanzug auf der Regierungsbank.
Wie auch immer: völlig überflüssig!
Der Artikel von Schirrmacher zur intellektuellen Kompetenz unserer Politiker gleicht das ansonsten schwache Bild aber etwas aus.

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Ich empfehle diesen Kram… | Endgueltig 20. September 2010 um 11:41

[…] Der alltägliche Sexismus der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” […]

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Chefkoch 20. September 2010 um 16:44

Knüwer, sie schreiben doch selbst tendenziös von Journalisten, die am liebsten in Sack und Asche laufen würden. Wenn ich nen Job als Anzugträger bevorzugen würde, wäre ich jedoch zur Bank gegangen …

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Heute in den Feuilletons: Man sagte “die, die weggebracht wurden” 21. September 2010 um 9:29

[…] Buch über ihn geschrieben, denn davon gebe es, so Krämer, schon genug."Thomas Knüwer ärgert sich über den Sexismus der “FAS”. Deren Spanien-Korrespondent Leo Wieland hatte […]

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Jakob 21. September 2010 um 14:44

Eine andere Form des Sexismus pflegt die FAZ seit Jahren. So ist nach wie vor ständig von „Frau Merkel“ die Rede, aber nie von „Herrn Gabriel“.
Aus dem heutigen Kommentar „Ein Stück weiter“:
„Gabriel ist Frau Merkel schon ein ganzes Stück voraus.“
Bei Männern verzichtet die FAZ auf die Nennung des Geschlechts. Mir ist völlig unbegreiflich, warum…

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Angelika 24. September 2010 um 17:54

@ Mel – hm ist LFP denn SO wenig bekannt in Dld. im 21. Jhd. ?
*selbststaun

@ Herr Knüwer, wie bewerten Sie die Überschrift/Titel „Oben ohne durch die City“ ?

Im Artikel geht’s dann um „Verkehr/Der Tram-Hersteller Bombardier testet … eine neue Strassenbahn-Technologie. Trams bewegen sich künftig ohne Oberleitungen.“
(Titel/Frontpage einer Stadtzeitung)

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Mädchenmannschaft » Blog Archive » Neues aus der Blogwelt 25. September 2010 um 9:51

[…] Wie die Art und Weise der Zeitung, mit diesem Thema umzugehen, zu beurteilen ist, das hat Indiskretion Ehrensache unter dem Namen „der alltägliche Sexismus der FAS“ […]

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