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ch ärgere mich gerade. Über mich. Weil ich einmal kein Foto gemacht habe. Gestern war ich eingeladen zu einer Veranstaltung im Düsseldorfer Restaurant „Monkey’s West“. Es gehört dem Kunstberater Helge Achenbach und ist deshalb ordentlich gefüllt mit zeitgenössischer Kunst.
Seit geraumer Zeit war ich schon nicht mehr dort gewesen, weshalb mir ein großes Wandgemälde neu war, eine Mischung aus Graffiti, Manga und Popart aus – vermute ich – der Sprühdose von Martin Denker. Eine Art Weltenbild habe ich wahrgenommen und mittendrin schweben zwei Mobile-Me-Icons aus dem Hause Apple.
Das zeigt zwei Dinge: Längst ist die Digitalität im Kunstleben eingetroffen (sehr lesenswert dazu ein Text von Holm Friebe in der aktuellen Ausgabe von „Monopol“). Zum anderen ist Apple ein ikonographischer Bezugspunkt von erheblicher Sexiness.
Letzteres ist auch der Grund warum sich zwei Goliaths des Feuilleton auf die Präsentation des Ipad werfen: „FAZ“-Mit-Herausgeber Frank Schirrmacher und „Süddeutsche“-Vorzeigekopf Andrian Kreye.
Beide sehen dunkle Wolken für das World Wide Web herbeiziehen – und beide demonstrieren das Problem des deutschen Feuilleton mit dem Thema Internet: Es mangelt oft genug an Recherche. Oder es werden Zeugen herbeigeschrieben, die nicht unproblematisch sind.
Bei Schirrmacher trifft beides zusammen. Der Grund für seinen Artikel in der gestrigen „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ ist die Sorge um die „Bürokratie“ der digitalen Gesellschaft. Damit umschreibt er die technische Infrastruktur unseres Lebens: Die werde sich ändern, wenn Apple künftig die Welt regiert.
Es ist ein schönes Bild. Aber ein schiefes. Denn Apple produziert eben Hardware und nimmt mit dieser Einfluss auf die Software. Und somit könnte man auch eine den Straßenbau als Veränderung des Straßenverkehrsrechts interpretieren.
Trotzdem ist die Idee, dies als These herbeizuziehen nicht dumm. Leider vergibt Schirrmacher im weiteren die Chance, das Thema intensiv anzugehen. Denn was er tut ist der Teil des journalistischen Handwerks, der in diesen Tagen zu kritisieren ist: Er sucht sich Belege für seine eigene Meinung und jubelt sie dem Leser als die Bibel unter.

Ich ärgere mich gerade. Über mich. Weil ich einmal kein Foto gemacht habe. Vergangenen Sonntag war ich eingeladen zu einer Veranstaltung im Düsseldorfer Restaurant „Monkey’s West“. Es gehört dem Kunstberater Helge Achenbach und ist deshalb ordentlich gefüllt mit zeitgenössischer Kunst.

Seit geraumer Zeit war ich schon nicht mehr dort gewesen, weshalb mir ein großes Wandgemälde neu war, eine Mischung aus Graffiti, Manga und Popart aus – vermute ich – der Sprühdose von Martin Denker (Die Vermutung meint die Sprühdose – das Werk ist definitiv von Denker). Eine Art Weltenbild habe ich wahrgenommen und mittendrin schweben zwei Mobile-Me-Icons aus dem Hause Apple.

Das zeigt zwei Dinge: Längst ist die Digitalität im Kunstleben eingetroffen (sehr lesenswert dazu ein Text von Holm Friebe in der aktuellen Ausgabe von „Monopol“). Zum anderen ist Apple ein ikonographischer Bezugspunkt von erheblicher Sexyness.

Letzteres ist auch der Grund warum sich zwei Goliaths des Feuilleton auf die Präsentation des Ipad werfen: „FAZ“-Mit-Herausgeber Frank Schirrmacher und „Süddeutsche“-Vorzeigekopf Andrian Kreye.

Persönlicher Einschub: Über Schirrmachers Experten-Aufblasung habe ich ja schon geschrieben. Vollkommen zurecht kam Krititk, ich beschäftigte mich nicht mit seinen Thesen. Das ist derzeit aber ein Zeitproblem und die journalistische Herangehensweise Schirrmachers hat mich so geärgert, dass das erstmal raus musst. Einschub Ende.

Beide sehen dunkle Wolken für das World Wide Web herbeiziehen.

Ginge es nach Kreye dürfte es Denkers Werk nicht geben. Er spricht dem Netz jedweden kulturellen Beitrag ab, es sei allein ein Hort des Kommerzes. Man darf fragen, wo der Mann lebt. Längst sind Künstler im Web unterwegs, längst spielt die digitale Technologie eine Rolle in schriftstellerischen Werken. Trotzdem schreibt Kreye: „Fast alle epochalen Texte, die das Internet hervorgebracht hat, beschäftigen sich mit einem: dem Internet.“

Kacken wir bei solchen Äußerungen ruhig mal ein paar Korinthen:

Das Internet bringt keine epochalen Texte hervor – dann hätte die Künstliche Intelligenz triumphiert. Autoren bringen Texte hervor. Wie aber will Kreye ausmachen, ob das Internet einen Autor beeinflusst hat außer in dem Moment, da er über das Internet schreibt? Mit dem gleichen Recht dürfte man davon sprechen, dass die Erfindung des Autos keine epochalen Werke hervorgebracht hat außer jenen, die vom Auto handeln.

Am Ende düstert Andrian Kreye, Reiter der digitalen Apokalypse:

„Spätestens mit der Popularisierung des Internets durch Zugangsprogramme von Anbietern wie America Online und Compuserve folgt die Dynamik des Internets den Naturgesetzen der Geldströme in der freien Marktwirtschaft. Geld verdient man in der digitalen Welt entweder mit dem Verkauf von Software und Geräten oder mit der Bereitstellung von Übertragungswegen wie Kabel- oder Mobilfunknetzen. Mehr kann und will die digitale Welt gar nicht.“

Mit Werbung wird also kein Geld verdient? Vielleicht sollte Kreye nicht von den schwindenen Anzeigeneinnahmen seines Arbeitgebers auf andere schließen. Und verkauft wird nicht nur Soft- und Hardware – sondern so gut wie alles. Was aber will die digitale Welt? Ihr einen Willen zu unterstellen ist ungefähr so sinnvoll wie der gesamten Menschheit eine einheitliche Gesinnung herbeizudichten.

„Alles andere, die neuen Formen der Kommunikation und der Vernetzung, sind gesellschaftliche Anwendungen neuer Technologien. Der Reiz beruht auf dem Prinzip der gesteigerten Produktivität. Diese Produktivität hat zwar zunächst einmal einen rein gesellschaftlichen Wert, im Gegensatz zur gesteigerten Produktivität des Kulturkonsums durch komprimierte und damit mobile Kulturgüter. Und doch ist die eigentliche Dynamik die einer wirtschaftlichen, nicht einer kulturellen Entwicklung.“

Auch hier möchte ich widersprechen. Kreye sieht allein eine Welt des digitalen Konsums von Inhalten. Vielleicht also seine eigene, kleine Welt? Es geht nicht nur um Effizienzsteigerung oder Produktivität. Zuallererst ist das Netz ein Ort der Kommunikation. An der Kreye vielleicht nicht teil- und sie deshalb nicht wahrnimmt. Aber sie ist die wichtigste Tätigkeit im Netz.

Und das verändert maßgeblich das Fundament unserer Kultur. Mit einem Mal sind wir nicht mehr angewiesen auf verschwurbelte Feuilleton-Besprechungen der Kulturgegenstände. Wir sind auch nicht mehr auf die Filtertätigkeit der Medien angewiesen. Kultur überspringt heute Grenzen, wird schneller und globaler. Künstler aus China oder Indien hätten ohne diese Verbreitungsmöglichkeit niemals eine Chance. Und währenddessen verändert die Ästhetik digitaler Medien eben auch die entstehenden Kulturgüter, egal ob Buch, Bild oder Film.

Kreye unterliegt in seiner Einschätzung einem Fehler, fürchte ich, den viele machen – auch Schirrmacher. Sie trennen digitale und nicht-digitale Welt. Letzterer schreiben sie immer Weltbeherrschungswillen zu. Jene, die sich mit der digitalen Welt anfreunden sind dann immer Menschen die keine Print-Produkte lesen, keine realen Freunde haben und nichts machen außer mit technischen Spielzeugen zu spielen. Und die jeden verachten, beleidigen, teeren und federn, der nicht so denkt wie sie.

0 oder 1 – dazwischen geht nichts. Erst recht nicht bei Schirrmacher. 0 oder 1, Apple oder nicht Apple – ein Welt, in der verschiedene Systeme nebeneinander existieren scheint für ihn nicht vorstellbar. Betrachten wir aber den Marktanteil Apples über alle digitalen Geräte hinweg, so ist der immer noch gering. Selbst im Handy-Bereich ist Apple nicht allgemeiner Marktführer, längst nicht. Schirrmacher aber tut gerade so, als ob demnächst jeder Bürger mit einem Ipad surft und seinen Laptop aus dem Fenster wirft. Das ist, natürlich, Blödsinn.

0 oder 1 auch in Sachen Anwendungen, also Apps. Künftig, prophezeit Schirrmacher, nutzen wir alle Ipads und deshalb nur noch Apps. Warum? Weil es so ist. Als ob niemand mehr via Browser durch das Netz surft. Er übersieht völlig, dass neben all den Apps auch immer das Safari-Logo prangt. Das WWW ist nur ein Fingerkuppenstreicheln entfernt.

0 oder 1 bei der Frage, was man da so treibt im Netz. Für Schirrmacher gibt es nur eines: Konsum oder Produktion. Wer auf dem Sofa sitzend per Ipad surft, der blogge nicht mehr behauptet er und unterstellt Apple, man wolle nicht, dass etwas produziert werde. Warum gebe es keine Entwicklertools klagt der Möchtegern-Programmierer Schirrmacher und übersieht, dass es die natürlich gibt. Wo sollten sonst auch all die Apps herkommen, die uns vom Web-Inhalte-Produzieren abhalten sollen?

Und, weint er weiter, warum gebe es keine Tastatur? Wieder widerspricht sich Schirrmacher elegant selbst. Denn natürlich gibt es eine, sie kann eingeblendet werden. Ist man auf ihr so schnell wie auf einer herkömmlichen? Garantiert nicht. Aber wie Schirrmacher selbst es aufschreibt: Geräte verändern uns. Als die ersten Handys herauskamen, wer hätte gedacht, wie schnell der gemeine Teenager SMS tippen kann? Und so gewöhnen wir uns Stück für Stück eben auch an Touch-Tastaturen. Nehmen wir nur die Urlaubserlebnisse der geschätzten Frau Franzi aus Südafrika. In weiten Teilen entstanden sie mit Hilfe der WordPress-App auf dem Iphone.

Immer wieder läuft es in der Berichterstattung, nicht nur bei Schirrmacher, auf dieses 0 oder 1 hinaus. Es scheint nicht vorstellbar, dass die Nutzer der digitalen Gerätschaften mehrere davon haben. Dass das Ipad jenes ist, das auf dem Wohnzimmertisch liegt um Medien zu konsumieren und dabei nur in geringerem Umfang zu kommunizieren. Es ist wie die Kutsche zur Ausfahrt am Sonntag, die vor allem der Erbauung dient, aber vielleicht auch ein wenig um zu schauen, was andere Landwirte so treiben und sich über die Futtermittelpreise auszutauschen. Dann gibt es noch den geländegängigen Hengst um auf den Feldern nach dem Rechten zu schauen. Und eben das Arbeitstier, das den Pflug zieht.

Unsere Welt ist nicht schwarz oder weiß, sie ist nicht laut oder still, sie ist nicht 0 oder 1.

Außer man möchte mit einer spitz gefertigten These viele Bücher verkaufen.

Nachtrag: Die merkwürdige und platte Anfeindung Schirrmachers gegenüber „Stern“-Autor Dirk Liedtke beruht anscheinend auf einem Text Liedtkes über Schirrmachers Auftritt beim DLD-Kongress. Trotzdem oder gerade deshalb ist die Reaktion des „FAZ“-Mitherausgebers nur eines: stillos.


Kommentare


SvenR 3. Februar 2010 um 21:09

Das ist der Knüwer, den ich sooooo schätze. Angriffslustig, spitz, teilt aus, aber fundiert, mit Beispielen unterlegt. Bravo.

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tjark 3. Februar 2010 um 21:27

Schirrmacher hin oder her, immerhin hat der von mir geschätzte Jörg Kantel aka Schockwellenreiter in der heutigen digitalen FAZ auch mal einen durchaus berechtigten Einwurf zu diesem Thema gemacht, der das Bild mal wieder ein wenig geraderückt. Vor allem vor dem Hintergrund dieses Riesenhypes, den dieses Tablett zur Zeit in den Medien verursacht.

http://www.faz.net/s/RubCEB3712D41B64C3094E31BDC1446D18E/Doc~EE59A1D3A35D848BC99794C961B9F5D73~ATpl~Ecommon~Scontent.html

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Strabo 3. Februar 2010 um 21:35

Sorry, das klingt ja wie best Verkäuferprosa. Schirrmacher hat auf den Begriff gebracht, was viele Kritiker äußerten. Ob die Recht haben ist eine Sache – er referiert und analysiert es.Kantel hat heute in der FAZ in die gleiche Kerbe wie Schirrmacher gehauen. Und was Schirrmachers Herangehensweise angeht, so ist offenbar sein einziger Fehler, dass er Quellen zitiert, die dem Experten Knüwer nicht genehm sind. Die Apple-Kritik ist exakt die Kritik, die Schirrmacher referiert. Und natürlich ist Apple nicht Marktführer. Aber das i-pad verändert die Verlagswelt schon ehe es überhaupt auf dem Markt ist.

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CCfan 3. Februar 2010 um 22:11

Dieser Text ist typische Blogosphärereflex. Schirrmacher ein Möchtgerneprogrammierer weil er programmiermöglichkeiten vermisst? Das schreibt Kantel heute in der FAZ: Ein Computer, auf dem keine Programmiersprache läuft, ist kein Computer, sondern eine Fernbedienung.
Sorry, der Beitrag bringt für die Debatte genausowenig wie der Krimskrams in der letzten mail. Beruhigt die blogosphäre, die ein paar Schlüsselreize geliefert bekommt, hat aber nichts mit der Sache zu tun und macht diese Debatten letztlich völlig irrelevant und selbstreferentiell.

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Thomas Knüwer 4. Februar 2010 um 9:41

@CCfan: Mir ist es völlig schnuppe, ob das Ipad ein Computer ist oder nicht. Ist das Iphone einer?

Mich beschäftigt allein wie das Gerät das Leben verändert.

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Thomas Knüwer 4. Februar 2010 um 9:43

@Strabo: Das Ipad hat die Verlagswelt schon jetzt verändert? Wie denn?

Das Gegenteil ist doch wohl der Fall. Von den blumigen Ankündigungen von Partnerschaften Apples, die Print-Produkte in eine neue Zeit schießen würden ist nichts wahr geworden. Das Ipad ist derzeit eine gewaltige Enttäuschung für Verlage.

Nun besteht in der Tat die Chance, Journalismus multimedial zu verändern über Geräte wie das Ipad. Nur: Das geht nicht per Ablaichen vorhandener Inhalte. Die müssen komplett überdacht und angepasst werden. Dafür bräuchten Medienhäuser Personal. Personal ist teuer. Also kommt keines. Also werden Verlage (aus heutiger Sicht) nicht vom Ipad profitieren.

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egghat 4. Februar 2010 um 10:05

Jajajaja! (Tschuldigung für den unkontrollierten Gefühlsausbruch).

Ich hab’s beim letzten Mal Zuspitzungsjournalismus genannt. Nach Ihrem Artikel gefällt mir als Techie „Binärjournalismus“ noch viel besser.

Der Kantel-Text in der FAZ, der von CCfan scheinbar gelobt wird, ist zwar einer der besseren zum Thema. Allerdings hätte der sich auf eine Sache beschränken soll: Der App Store als einzige und von Apple kontrollierte Quelle für neue native Apps auf dem iPhone. Dann hätte er gut werden können.
Wenn er aber behauptet, man könne für das Gerät nicht programmien, ist das falsch. Wenn er den Safari inkl. HTML und Javascript (eine Basis, auf der Palm sein *ganzes* Handy aufsetzt) „vergisst“, wird der Artikel falsch. Wenn er wie so viele tut, als wäre bei Apples iBooks DRM Pflicht, spekuliert er (ePub hat keine DRM Pflicht, das kann, es muss aber nicht). Daher ist die Folgerung, dass iBooks ein Problem für OpenAccess sei, auch nur auf eine Spekulation gebaut. Auch die voreiligen Spekulationen über die Offenheit von Chrome OS vermatschen den Artikel, weil es auch hier noch niemand weiss. Wie Chrome OS auf die Geräte kommt, entscheiden die OEMs, die Geräte damit bauen. Allerdings weiss man schon heute, dass Google wenig Interesse hat, Apps zu pushen. Google will Netzapplikationen pushen. Die aber bekomme ich auf dem iPhone/iPad im Safari ebenfalls.

Aus diesen beiden Modellen, die viel ähnlicher sind, als Kantel es wahrhaben will, einen Gegensatz zu konstruieren, ist schon einigermaßen überraschend.

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Schirrmacher und Kreye, 0 oder 1, Kutsche oder Arbeitszosse — CARTA 4. Februar 2010 um 10:24

[…] Indiskretion Ehrensache beschäftigt sich Thomas Knüwer mit den Feuilletons von Frank Schirrmacher und Andrian Kreye zum iPad: “Kreye unterliegt in […]

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Richard Gutjahr 4. Februar 2010 um 10:39

Hallo Thomas Knüwer – wieder mal eine großartige Auseinandersetzung mit dem Thema. Der wichtigste Punkt, den Sie ansprechen, ist für mich die vermeintliche Trennung der Online- und Offline-Welten. Sie existiert nicht! Ich habe versucht, das bei Schirrmachers FAZ-Text im Kommentar-Feld zu erläutern – leider wurde der Kommentar gelöscht, ich vermute weil er (böse böse) einen Link auf meinen blogpost zum selben Thema enthielt. Vielleicht darf ich diesen bei Ihnen platzieren? – meine These: das iPad ist nicht böse. Google ist nicht böse. Freie und geschlossene Systeme werden genauso miteinander ko-existieren, wie wir es in der echten Welt auch tun. Danke und weiter so! http://gutjahr.biz/blog/2010/01/zurueck-auf-anfang/

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Mirko Lange 4. Februar 2010 um 11:32

Hallo Richard, hallo Herr Knüwer,

wer sagt denn, das iPad sei böse? Das ist es nicht. Und wer sagt, das iPad wäre bald die einzige Möglichkeit ins Internet zu gehen? Erst Sie, geschätzter Herr Knüwer, konstruieren doch das „0 oder 1“ . Wo in den Texten von Schirrmacher, Kantel oder Kreye steht denn etwas von dieser Polarität und Ausschließlichkeit?

Es geht um Trends. Es geht um eine Debatte. Das iPad ist ein Debattenbeitrag. Die Debatte der letzten Monate war bestimmt durch das Web 2.0, durch das Beitragen und Mitmachen. Und nun macht das iPad einen „dritten Weg“ auf. Was (mich) so bedenklich macht, ist einerseits die revolutionäre Bedeutung, die Jobs dem Gerät beimisst, das „Ende des Desktop-PCs, das ausgerufen wird, aber auch das große Echo, das das iPad in der Welt auslöst. Das iPad ist nicht einfach nur irgendein technisches Gerät. Das enorme Echo zeigt, dass das iPad Ausdruck von Nutzerbedürnissen ist. Und selbst wenn man Schirrmacher als Populisten erkennt, das iPad ist ein „Debattenbeitrag“, ein Argument, für den Konsum von Informationen nach dem Vorbild des Fernsehens und gegen den Dialog nach den Visionen des „Web 2.0“.

Es ist – nach Apples eigenen Aussagen – vor allem ein auf das Internet optimierte Gerät. Und anders als die bisherigen „Internet-Zugangsgeräte“ ist es radikal auf den Konsum von Informationen, nicht auf dessen Beitrag ausgelegt. Wenn WordPress, Disqus, Youtube und all die Web 2.0 Anwendungen alle Ihre Kreativität darauf verwenden, wie Menschen besser und leichter Beiträge leisten und an Debatten teilnehmen können, sieht das das iPad nicht vor. Gemessen an den Qualitäts- und Usabilityansprüchen sind die Eingabemöglichkeiten des iPad schlichtweg lausig. Oder nicht? Natürlich kann man über die virtuelle Tastatur auch Worte (oder URLs) eintippen – aber gemessen an dem, was sonst Standard ist, ist das ein Rückschritt, ein Behelf. Und grade weil Apple immer so auf „Usability“ und „Einfachheit“ pocht, ist das Prinzip „Apps“ ein relevantes. Ja, es gibt auch einen Browser. Ja, man kann auch „bild.de“ aufrufen anstatt die Bild-App. Und ja, man könnte auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren anstatt mit dem Auto. Die Menschen nehmen aber das Auto. Komisch, oder?

Für mich persönlich ist das „Web 2.0“ ein Stück Hoffnungsträger. Eine Möglichkeit, dass sich viele, viele Menschen beteiligen, ihre Meinung sagen, eingebunden werden können, ihren Arsch hochbekommen. Und ich persönlich meine, das die Welt dadurch besser wird. Und jetzt kommt das iPad und fördert einerseits das Couch-Potato-Konsum-Verhalten, verkompliziert aber andererseits das Beitragen. Und das Gesamtsystem öffnet Unternehmen ein Riesen-Fenster, wieder zurück zur Bedudelung zu gehen, einseitige Entertainment-Angebote über Apps zur Verfügung zu stellen, und nicht weiter den Weg des Dialogs gehen zu müssen.

Natürlich MUSS das keiner nutzen. Genauso wenig, wie die Menschen das Auto nutzen MÜSSEN, wo es doch schon mal da ist.

Und nein, ich persönlich meine das in KEINER Weise als „0 oder 1“. Es wird immer noch die andere Seite geben. Trotzdem wäre es mir lieber gewesen, wenn die Debatte über das Internet weiter in Richtung „Arsch hochkriegen“ und „mitmachen“ gehen würde und nicht in Richtung „perfekter Entertainmentkanal“.

Oder anders gesagt: Es macht keinen Sinn, das iPad zu „verteidigen“. Es ist nicht einmal notwendig. Niemand sagt, dass man das iPad wieder verbieten sollte. Und es wird seinen Erfolg haben. Ich werde es ziemlich sicher auch kaufen, damit auf der Couch surfen und meine Beiträge weiterhin über das Laptop machen. Aber die Debatte, die Bewusstheit über die unterschiedlichen Strömungen ist hilfreich. Oder nicht?

Es sei denn Sie sagen, Du sagst, Ihr sagt, dass das gar nicht stimmt. Dass Apps ebenso dialogisch sein werden, dass mit dem „System iPad“ ebenso viele Beiträge gespostet werden wie mit PCs, dass Apps ebenso hypermedial sein werden wie das Web, dass die iPad-Nutzer tatsächlich (auch) den Browser nutzen werden, dass die Menschen wirklich zwei Geräte (das iPad nur zum Lesen und ihren PC zum posten) verwenden werden usw.

Dann nehme ich alles zurück.

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Thomas Knüwer 4. Februar 2010 um 11:37

Herr Lange, ich sehe bei Schirrmacher nur 0 oder 1. Ein paar Zitate:

„Was Steve Jobs vorführte, war keine neue Technologie. Es war eine Reform der Bürokratie, nämlich jener verwaltungstechnischen und bürokratischen Systeme, die in Wahrheit den Kern des digitalen Zeitalters ausmachen…

Der iPad könnte eine Verwaltungsreform der digitalen Welt mit erheblichen Konsequenzen signalisieren…

Sollte der iPad evolutionär den Laptop ersetzen…

Wir haben diese Woche die kurze E-Mail zum langen Abschied vom World Wide Web, das wir kennen.“

All das ergibt nur einen Sinne, wenn das Ipad das dominierende Zugangsgerät zum Web wird und nicht eines unter vielen.

Und was die Aktivität betrifft: Wieviele Telefonate führen wir über den Fernseher und wieviele Radiosendungen hören wir über das Telefon? Jede Aktivität führen wir mit der angemessenen Technik durch – und das hat nichts mit dem Internet zu tun.

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Detlef Borchers 4. Februar 2010 um 11:42

Ich sehe nicht ganz, wie die Bemerkungen zum iPad ein Buch verkaufen sollen. Das soll ohnehin sehr gut laufen und ist ein Zeichen dafür, wie verunsichert die „höhere Bildungsschicht“ auf das Internet reagiert.

Ich stimme zu, dass all die Spekulationen, wie das iPad den Verlagen helfen wird, in diesem Ankündigungsstadium albern sind.

Zur Frage der Offenheit noch das von mir mehrfach angeführte Beispiel iPhone: die Firma Apple und ihre Juristen bekriegen hartnäckig alle Versuche von Herstellern, eine Tastatur für das iPhone anzubieten. Nach den juristischen Auseinandersetzungen gibt es jetzt zwar eine Tastatur, aber die ist so unglaublich schlecht (in eine besondere Anwendung tippen und dann kopieren), dass sie keinen Erfolg haben wird.

Disclaimer noch, weil jemand meckerte: Ja, ich schreibe (u.a.) für die FAZ.

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Mirko Lange 4. Februar 2010 um 12:36

Hallo Herr Knüwer,

Von Schirrmacher würde ich mich sowie distanzieren. Und was die Geräte angeht: Es wächst ja alles zusammen: Skype kommt auf den Fernseher, immer mehr Handys sind radiofähig.

Trotzdem richtig: Jede Aktivität führen wir mit der angemessenen Technik durch. Umgedreht: Die angemessene Technik fördert die entsprechende Aktivität. Und das iPad ist (die erste) angemessene Technik für die Aktivität „Internet-Fernsehen“. Und aller Voraussicht nach, wird es auch einen ziemlich großen Erfolg haben. Auf jeden Fall bekommt „Internet“ damit doch eine neue Komponente, oder nicht?

Klar, der Rest ist Spekulation. Insbesondere ob das iPad tatsächlich das Ende des Desktop-PC (in privaten Haushalten) ist, wie viele sagen. Oder ob das iPad alternativ oder kumulativ zum PC genutzt wird; ob es also bei der Aktivität „Internet-Fernsehen“ bleibt oder über andere Technologien ander Aktivitäten hinzukommen.

Wenn es nach Ihrer Ansicht hier überhaupt keine Gefahr gibt, dann brauchen wir die Debatte wirklich nicht führen. Aber ist das so? Ist das ausgeschlossen?

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Mirko Lange 4. Februar 2010 um 12:47

Ach, vergessen: Was ich mit dem „Sie konstruieren das ‚0 oder 1′“ meinte: Die Kritik am iPad bzw. die Hinweise auf mögliche Entwicklungen sind ja nicht richtig (=0) oder falsch (=1), wie Sie es hier ja auch darstellen.

Es ist an ihnen etwas dran (= weder 0 noch 1). Und diese differenzierte Betrachtungsweise wäre (für mich) wünschenswert. Und das ist der Sinn einer Debatte. Auszutarieren, welcher Wert zwischen 0 und 1 „der Wahrheit“ denn am nächsten kommt.

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klare soup 6. Februar 2010 um 13:03

Schirrmacher und Kreye, 0 oder 1, Kutsche oder Arbeitszosse…

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