So, das wird ein Rant. Wenn sie im Verlagsgeschäft arbeiten und gute Laune behalten möchten, klicken Sie hier zu Seeotterbildern.
Gerade stellte ich einer medienbranchenfremden Person eine Frage. Diese Person heißt Frank Horn, sitzt zufällig mir gegenüber und hat eine Digitalberatung mit mir, dort kümmert sie sich unter anderem um das Kaufmännische. Frank hat reichlich Konzernerfahrung und kann sich in ordentlicher Geschwindigkeit einen Überblick verschaffen darüber, ob ein Unternehmen oder ein Projekt wirtschaftlich vor sich hinarbeitet.
Also fragte ich ihn: „T-Online macht 90 Millionen Euro Umsatz und hat 170 redaktionelle Mitarbeiter. Was meinst Du, wie es denen so geht?“
Immer wieder schrieb ich hier im Blog, dass ich einen Satz nicht mehr hören kann: „Journalismus muss bezahlt werden.“ In die gleiche Kategorie fällt die Frage: „Wie sollen wir denn Geld verdienen?“
Meist kommen diese beiden Floskeln aus den Tastaturen, Touchscreens und/oder Mündern von Personen, die hauptberuflich in klassischen Verlagen arbeiten. Sie haben seit 22 Jahren gefühlt alle zwei Jahre eine Abbaurunden und das Gefühl, dass alles immer nur den Bach runtergeht.
Gleichzeitig kommen sie selten aus den eigenen Filterblasen raus. Auf redaktioneller Seite sind Dienstreisen die Ausnahme, durchgeführt werden sie in Regionalzügen und Hotels, die sonst Handelsvertreter oder Poliere zu ihren Stammgästen zählen – ich kann jeden verstehen, der dann lieber per Mail recherchiert. Und die Kaufleute? Treffen sich auf Branchenkongressen, bei denen KritikerInnen sauber außen vor gehalten werden.
Das ist dann so wie die esoterische Selbstfindungsgruppe, die sich zum Klangschalenseminar am Tuttenbrocksee nahe Beckums trifft: Man sitzt homogen gekleidet mit Blick auf das stille Wasser und massiert sich repitetive Formeln mit intellektueller Niedrigschwelligkeit ins depressiv gemarterte Hirn.
Eine davon: Journalismus kann im Internet nur mit Abos refinanziert werden.
Dieser Mythos hält sich schon lang. SEHR lang. Und er wird unterfüttert mit bizarrer Entfernung von allem, was man rational nennen könnte.
Mitte der 00er-Jahre waren praktisch alle großen Nachrichtenseiten profitabel. Das sagten die verantwortlichen Chefredakteure nicht nur, es war im Bundesanzeiger amtlich nachlesbar. Gerade als die Debatte darum begann, wurden die Onlinetöchter dann aus der Bilanzveröffentlichung herausgezogen und Chefredakteure äußern sich kaum noch über die wirtschaftliche Lage ihrer Zuständigkeitsbereiche. Sicher ein Zufall.
Wies man VerlagsmanagerInnen darauf hin, behaupteten sie mit aller Ernsthaftigkeit, die Zahlen seien halt geschönt.
Würde dies zutreffen, bedeutete es zwei Dinge:
- Verlage wären die ersten Unternehmen, die freiwillig mehr Steuern zahlten, als sie müssten.
- Es wäre wahrscheinlicher, dass eine Branche flächendeckend Bilanzen fälscht (was ja justiziabel gewesen wäre), als dass Digitaljournalismus durch Werbung refinanzierbar wäre.
Ja. Genau. Deshalb mach mich dieser Schwachfug so wütend. Denn tatsächlich glauben von mir hoch geschätzte Chefredakteure in aller Ernsthaftigkeit, dass trotz dieser Informationen, Onlinewerbung kein Ding mehr sei. Und in den Verlagen werden die entsprechenden Abteilungen zusammengestaucht – ein historischer Strategiefehler.
Und nun: T-Online.
Frank schnappte sich seinen Taschenrechner, tippte ein wenig darauf umher und rief aus: „Alter, dann machen die ja 60 Millionen Gewinn!“
Und das ist – korrekt.
In dieser Woche veröffentlichte ein Portal von fragwürdiger Seriosität genau diese Zahlen. Für 2022 sollen es 55 Millionen Gewinn bei 80 Millionen sein. Und nun meldet Turi2, dass T-Online-Chefredakteur Florian Harms diese ans Unglaubliche reichende Margen intern bestätigt hat.
Die VerlagsvertreterInnen sollten nicht nur mit Neid auf diese Zahlen schauen. Sie sollten sich vor allem mit 42-schwänziger Katze selbst geißeln. Denn wenn ihre eigenen Medien nicht mal profitabel arbeiten, was sagt das über die eigene Arbeit aus? Vor allem, weil ja die Qualität von T-Online letztlich manchmal besser, manchmal schlechter ist als das, was sonst so publiziert wird.
Vor 4 Jahren bloggte ich hier mal eine lange Analyse darüber, was sich alles in Verlagen ändern muss. Darunter findet sich die grundlegende Überarbeitung von Strukturen und Prozessen sowie die Neuerfindung von Onlinewerbung. Genau dafür steht dann eben Ströer. Weshalb ein Werbevermarkter erfolgreicher im Onlinejournalismus unterwegs ist, als jeder einzelne Verlag in Deutschland.
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