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In dieser Woche begegnete mir dieser Blogtext von Max Buddenbohm, in dem er einen Blick in seinen Medienkonsum eröffnete:

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Er schreibt:

„Ich folge auf Twitter vielen Journalistinnen, ich habe für sie eine Liste angelegt (Irgendwasmitmedien, findet man in meinem Profil) und es gibt da einen Aspekt, über den ich noch einmal länger nachdenken könnte: Diese Liste informiert mich für meinen Geschmack durch die dort geteilten Links und Statements besser (und wesentlich schneller) als die Medien, für die diese Journalistinnen schreiben. Das ist das eine, aber es gibt noch eine Steigerung: Meine natürlich handverlesene Liste von Leuten aus etlichen Medien wirkt auf mich auch fast durchgehend zurechnungsfähig, verlässlich, ehrlich bemüht, sachorientiert und/oder auf eine Weise politisch bemüht, die ich transparent und oft vollkommen nachvollziehbar finde. Für die Medien, für die sie schreiben und die sie in ihrer Gesamtheit also redaktionell darstellen, gilt das nicht unbedingt.

Und ich würde etwa am Beispiel der Pandemie und im Rückblick sagen, dass es für mich nennenswert sinnvoller war, einer Reihe mir kundig vorkommender Expertinnen zum Thema zu folgen, als einer Nachrichtenseite. Ich meine das nicht als Bashing, daran habe ich kein Interesse, ich schreibe immerhin selbst für Medien und sehe die nicht als „die anderen“, ich finde diese Verschiebung einfach nur bemerkenswert und nicht zwingend erfreulich.“

Mir geht es ähnlich. ich fühle mich durch die Autoren, denen ich im Social Web folge (vor allem auf Twitter, weil Twitter nun mal am besten geeignet ist, Nachrichtenartikel zu transportieren) informierter, als wenn ich an irgendeinem Moment des Tages die Startseite eines Nachrichtenmediums besuche oder dessen Newsletter lese.

Eines „deutschen Nachrichtenmediums“ sollte ich wohl hinzufügen, denn beim „Economist“ verhält es sich anders. Sein morgendlicher „Espresso“-Newsletter, der den Nachrichtenzustand zusammenfasst, ist in seiner Kürze und sprachlichen Neutralität ein Medium, wie ich es mir wünsche.

Woran liegt das?

Einerseits an der Mechanik von Online-Nachrichten. Die meisten Medien platzieren das auf der Startseite, was am meisten geklickt wird. Einige, wie das „Handelsblatt“ zelebrieren dies sogar richtig in Form von „Leserfavoriten“.

Dies führt zunächst einmal dazu, dass der kleinste, gemeinsame Nenner siegt – und das ist nicht böse gemeint. Beim „Handelsblatt“ finden sich Anlegergeschichten über Tage hinweg, einfach weil Anleger in Deutschland zu wenig seriöse Anlaufstellen für Nachrichten haben.

Die betreuenden Redakteure haben diese Mechanik natürlich im Kopf, weshalb sie versuchen, möglichst viele Klicks auf die Geschichten zu ziehen, die sie redigieren. Das ist menschlich: Man will ja seinen Hirnschmalz nicht in etwas stecken, dass nur wenige Menschen erreicht. Außerdem werden intern die gelobt, deren Artikel viele scheinbare Leser in Gestalt von Klicks zählen (wer klickt, liest ja längst noch nicht). Die Folge sind dann Überschriften, die uns LeserInnen erregen und aufregen sollen.

Zum Beispiel hier beim „Spiegel“:

Der Gedankenstrich wirkt wie eine Lapalie – doch setzt er eben das noch einmal ab, was mehr Leser emotional hochpushen könnte, als die xte Missbrauchsaffäre der katholischen Kirche.

Oder dies hier aus den „Westfälischen Nachrichten“:

„Maßnahmen“ statt „Fesseln“ würde seriöser klingen, aber kein emotionales Bild in den Kopf pflanzen.

Und natürlich weiß jeder rationale Mensch, dass ein Kaugummi nicht gegen Covid hilft – aber viele klicken diese Schlagzeile, erst recht, wenn es holzhammerig mit Fußball verbunden wird, wie beim“Hellweger Anzeiger“:

Der kleinste gemeinsame Nenner entspricht aber selten einer guten Informationslage des Einzelnen. Denn uns alle treiben unterschiedliche Interessen um. Der eine interessiert sich für den Ukraine-Konflikt, der andere eher für Innenpolitik. Die eine liest alles, was es über Zentralafrika gibt, die andere findet Südamerika spannend. Und über Fußball und Feuilleton wollen wir gar nicht reden.

Nun könnten die großen Redaktionen ja weitaus mehr Themen abdecken, sei es durch eigene Redakteure und Korrespondenten oder durch freie Mitarbeiter. In einem System, das den Erfolg aber nicht anhand subjektiver, journalistischer Qualität bemisst, sondern an verfügbaren Daten und Fakten, erhält eine hochemotionalisierbare Petitesse aus einer Koalitionsverhandlung eben den Vorrang vor den Wahlergebnissen aus Chile oder Peru.

Hinzu kommt, dass in großen Redaktionen das Themenspektrum, das ein einzelner Autor betreuen muss, steigt. Es wäre heute kaum vorstellbar, dass ein Redakteur allein zur Betreuung der Schiffahrtsbranche beim „Handelsblatt“ zur Verfügung steht. Die Folge: Das Fachwissen der Autoren sinkt, denn eine einzelne Person kann nicht sehr tief in einzelnen Feldern drin stecken. Dieses Defizit merkt der allgemeine Leser nicht, der Fachkundige aber registriert dies.

Wer Autoren dagegen auf Twitter folgt, bekommt oft mehr für seine investierte Zeit. Hier verlinken Journalisten auf Artikel, die sie für empfehlenswert halten auch wenn sie nicht unbedingt im Reich des eigenen Arbeitgebers liegen.

Die Folge ist: Der Follower bekommt mehr als der Leser. Und der Follower bekommt auch weniger Informationen, die seinen Interessen nicht entsprechen.

Müssen die gleichen Autoren aber im Kontext eines Medienproduktes agieren, ist das Ergebnis in Sachen Information schlechter. Und deshalb bin ich der Meinung: Medienhäuser sind weniger, als die Summe ihrer Redaktionsteile.


Kommentare


Frank70 21. Januar 2022 um 17:33

Vergleiche mit der eigenen Person sind eigentlich eher fragwürdig, zwecks Verdeutlichung tue ich dies dennoch an dieser Stelle (gerne dafür 20 € meinerseits in die Selbstreferenzierungskasse):

Ich folge zum Bespiel eher selektiv den Veröffentlichungen von Wissenschaftskollegen, die im gleichen Spezialgebiet wie ich unterwegs sind, als dass ich Journals lese. Sind deswegen Journals weniger als die Summe ihrer Beiträge ? Wohl kaum… Wäre ich bei einem Journal schlechter informiert ? Wohl kaum, sondern einfach nicht so tief, dafür aber breiter. Im anderen Fall spezieller informiert zu sein, liegt dann nämlich einfach nur an der eigenen (Vor)Selektion. In diesem Kontext mit Zuordnungen wie "besser" oder "schlechter" zu agieren, betrachte ich für nicht haltbar.

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