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Ich habe ein Problem mit Hörbüchern: Ich schlafe bei ihnen sehr schnell ein.

Das spricht nicht gegen sie, Hörbücher sind toll. Doch im Gegensatz zu Podcasts sorgt der Duktus und die Fokussierung auf eine Stimme bei mir sehr schnell zum Wegnicken.

Jüngst begegnete meinen Ohren eine große Ausnahme: „Talking to Strangers“ von Malcolm Gladwell – ein Hörbuch von dem ich hoffe, dass es die Welt der Hörbücher nachhaltig verändert.

Das liegt weniger am Inhalt. Gladwell, der einst den Begriff des Tipping Point populär machte, schrieb schon stringentere Bücher. Diesmal geht es um die Frage, ob wir Menschen anderen zu leicht vertrauen und aus diesem Vertrauen heraus Fehler machen. Eine spannende These, mit der Gladwell mich aber nicht immer vollkommen überzeugen kann. Trotzdem hat er nicht seine Fähigkeit verloren, aus verschiedenen Trends und Versatzstücken eine bedenkenswerte These zusammenzuschrauben.

Der Grund, warum dieses Hörbuch so heraussticht ist seine Machart. Gladwell tummelt sich seit ein paar Jahren auch im Bereich Podcast. So gibt es schon vier Staffeln von „Revisionist History“, wo er einen neuen Blick auf historische Ereignisse wirft. Zusammen mit dem ehemaligen „Slate“-Chefredakteur Jacob Weisberg gründete Gladwell den Podcast-Verlag Pushkin Industries, der inzwischen 10 Shows produziert.

Sein Hörbuch zu „Talking to Strangers“ hat Gladwell so angelegt, wie einen 8 Stunden und 42 Minuten dauernden, hochwertigen Podcast: es gibt Interviews, TV-Ausschnitte, Soundschnippsel und einen Titelsong, der sich langsam aber sicher, zu einem Song formt, der für die Erzählung wichtig ist.

Das Ergebnis ist – zumindest für meine Denkstrukturen – einprägender, spannender und unterhaltsamer als jedes Hörbuch. Ich fühlte mich näher dran am Geschehen, egal ob es eine Spionagegeschichte aus dem Kalten Krieg war oder eine tödlich endende Polizeikontrolle in Texas.

Für jedes Sachbuch wäre eine solche Aufbereitung ein Gewinn. Leider aber wird es wohl nicht dazu kommen. Denn der Aufwand einer solchen Produktion ist eben auch größer als den Autor vor ein Studio-Mikro zu platzieren und ihn mit ausreichend Wasser zu versorgen.

Vielleicht aber entschließt sich doch der eine oder andere Verlag, aus einem besonderen Sachbuch auch ein ganz besonderes Hörbuch zu machen.

Foto: Ed Schipul / CC BY-SA 2.0


Kommentare


Carmen Hillebrand 15. April 2020 um 20:25

Das klingt nach einem Radiostück…interessant. Höre ich mal rein

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Ruprecht Frieling 16. April 2020 um 9:34

Danke für die Empfehlung. Die aktuelle Inflation gleichförmiger Podcasts ist für den Zuhörer ein Problem, da das plätschernde Dahinfließen von Stimmen zum Einschlafen verleitet.

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Thomas Knüwer 16. April 2020 um 9:36

Da habe ich dann ja noch eine Empfehlung 😉
https://www.voellereiundleberschmerz.de

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