Da stehe ich nun ein einer Big Mac-Verpackung und bemale sie von innen. Sie ragt so ungefähr drei bis vier Meter hoch über mir auf und ich habe zwei Plastikstäbe mit Drehmechanismen, um ihr weißes Innenleben aufzuhübschen, während gelegentlich ein Schmetterling vorbeischmetterlingt oder man in den Lücken zwischen den Seitenwänden einen Blick auf eine grüne Wiese genießen darf.
Nun muss man wissen, dass ich schon in der Schule kunsttechnisch eher auf der Versagerebene agierte und ich würde nicht bestreiten können, dass meine künstlerisch begabte Mutter durchaus das eine oder andere Mal eingriff, um Hausarbeiten auf ein anschaubares Niveau zu heben. Weshalb eine Arbeit mit diesen Plastikgriffen nur zu Ergebnissen führen kann, die ich der Öffentlichkeit besser vorenthalte.
Und außerdem: Die Samsung Gear Virtual Reality-Brille presst meine Sehhilfen mit solcher Vehemenz in mein Gesichtsfleisch, dass eine operative Entfernung als reale Option erscheint.
Denn dieses kleine Spiel ist die einzige Attraktion der McDonald’s-Präsenz auf der SXSW, der größten Digitalkonferenz der Welt. Und nachdem der Auftritt des Fastfood-Konzerns in den vergangenen zwei Jahren dadurch geprägt war, dass man das aufgebaute Zelt nach nur 30 Sekunden wieder enttäuscht verließ, schaffte McDonald’s es diesmal, dass man erst nach ein paar Minuten Wartezeit und dem lächerlichen Virtual Reality-Verpackungsmalen enttäuscht ging. Man kann das als Fortschritt bezeichnen. Oder nicht.
Es zeigte aber, mit welcher Vehemenz Virtual Reality in unserer Welt aufgeschlagen ist. Erst im November, vier Monate vor der SXSW, erschien jene Samsung-Brille. Und das von Facebook gekaufte Gegenstück, die Oculus Rift, wird erst im Laufe dieses Jahres und sehr verspätet ihr Teststadium verlassen.
Dass McDonald’s jetzt schon ein solches Spiel anbietet, zeugt von der Erwartungshaltung gegenüber Virtual Reality. Genauso, dass die SXSW eine ganze Sessionreihe dem Gespann aus Virtual/Augmented Reality widmete und es spricht für die Organisatoren, dass sie ein derart gut gefülltes Programm zu so einem jungen Thema auf die Beine bekommen.
Allein: Der Erkenntnisgewinn war überschaubar. Klar, Spiele könnten toll werden. Reisebüros könnten Interessenten schon vorab einen Blick liefern, wie es am Urlaubsort aussieht (wenn es noch Reisebüros gibt, bis all das serienreif ist), die UN liefert Bilder aus einem Flüchtlingslager. Bei SAP konnte man sehen, wie Unternehmenskennzahlen in einem gasometerartigen Gebäude als Graphen visualisiert werden. Das ist zwar eindrucksvoller als Powerpoint – aber auch unendlich viel weniger sinnvoll. Immerhin: Wer das durchstand bekam ein Google Cardboard geschenkt.
Vielleicht ist dieses Cardboard, also eine Pappkiste mit zwei Linsen, in die man sein Handy steckt um auf VR-Apps eine Pseudo-Virtual Reality zu erleben, noch das Sinnvollste, was derzeit auf dem Markt ist. Wirklich toll sind beispielsweise die Reportagen der „New York Times“ in ihrer VR-App – allen voran die Vorwahlkampf-Story „The Contenders“.
Womit wir bei der Crux der ganzen Sache wären. Ich glaube, Virtual Reality ist dabei in eine Hype-Falle zu laufen.
Größte Gefahr: der selbstgemachte Hype
Derzeit wird das Thema medial sehr heiß gedreht. Doch können derzeit nur rund ein Prozent aller PC weltweit VR-Anwendungen wiedergeben, schätzt der Grafikkartenhersteller Nvidia. Die Anwendungen, die ich in Austin sah, konnten mich auch in Sachen Auflösung nicht überzeugen. Das alles ist nett – aber selbst ein Technikverliebter wie ich sieht darin (und das mag eine Minderheitenmeinung sein) keinen Kaufgrund. Der „Guardian“ formulierte es in einem SXSW-Nachbericht so: „Virtual reality was everywhere, but wasn’t quite hitting the spot.. It seems VR is still a way off being cracked entirely, but there is a ton of innovation going on in this space.“
Gleichzeitig ist ein gewisses Maß an Arroganz bei den Virtual Reality-Propheten auszumachen. Beispiel Oculus: Das System unterstützt Apple-Rechner nicht, weil diese nicht leistungsfähig genug sind. Oculus-Gründer Palmer Luckey sagte jüngst: „Es hängt von Apple ab und wenn sie jemals einen Computer rausbringen, der gut genug ist… Man kann einen 6.000$ teuren Mac Pro mit dem hochwertigsten AMD FirePro D7000 kaufen und er entspricht noch immer nicht unseren empfohlenen Spezifikationen.“
Wenn kein einziger Apple-Rechner Oculus-fähig ist, dann hat nicht Apple ein Problem – sondern Oculus.
Doch entspricht Luckeys Aussage der Mentalität vieler in der jungen Branche. Sie ist berauscht von sich selbst und übersieht nach meiner Meinung ein großes Problem. Ein Beispiel findet sich auch in einem Gruppeninterview der „Wired“ mit VR-Softwareherstellern. Da sagt Henrik Olifiers, Mitgründer des Spielestudios Bossa Studios: „But it’s fair to say that it’s now down to content, right? The hardware itself is there. People can make games that don’t make anyone feel sick.“
Durch den Medienrummel werden sich viele in diesem Jahr eine solche Brille zulegen, deren Rechner nicht VR-tauglich sind – und sie werden enttäuscht sein. Genauso werden viele enttäuscht sein ob der Anwendungen: Natürlich ist es zunächst ein irres Gefühl, in solche eine digitale Welt einzutauchen. Doch wenn das, was ich in dieser Welt tun kann, nicht auf Dauer spannend ist, entsteht das neue Second Life: ein Nischenprodukt.
Vielleicht wäre es also sinnvoller, die VR-Szene würde die Erwartungen dämpfen. Denn werden einmal enttäuschte Kunden noch einmal in die Technologie zurückkehren?
Trockener aber weiter: Augmented Reality
Interessanter finde ich das Thema Augmented Reality, denn die nicht-digitale Industrie investiert hier bereits handfest, wie das Beispiel Caterpillar zeigt:
Packend war dabei in Austin der Vortrag von Meta-CEO Meron Gribetz und seinem Designchef Jaye Hansen. Meta ist die Firma, die Augmented Reality-Designs für Filme wie „Iron Man“ entwirft, also das, was Tony Stark in seinem Helm sieht. Hansen zeigte Icons, die selbst auf großer Kinoleinwand kaum zu erkennen sein dürfte, die aber eine Bedeutung haben und sich je nach Status des Iron Man-Anzugs verändern.
Dieses Nachdenken über AR-Design will Gribetz dann einfließen lassen in eine eigene AR-Brille von Meta, deren Teststadium er auf der Bühne vorführte. Sein Ziel ist eine Neuerfindung der Art, wie wir Computer bedienen. Denn letztlich würden wir nur das tun, was sich Steve Jobs 1979 erdachte: Wir verwalteten Ordner auf einer Schreibtischoberfläche. Mehr dazu auch in diesem TED-Talk vom Februar:
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Gribetz endete mit einer klaren Ansage. Bei der SXSW 2017 werde er wieder in Austin sein. Und bis dahin würde keiner seiner 100 Mitarbeiter noch mit einem Computerbildschirm arbeiten – alle würden ausschließlich die Meta-Brille verwenden.
„Nehmen sie mich beim Wort“, sagte er. Keine Sorge, tun wir.
Nachtrag vom 29.3.16: Einen Tag, nachdem ich diesen Artikel schrieb, passierten zwei Dinge, die meine Skepsis zu untermauern scheinen. Zum einen veröffentlichte der Business Insider eine Befragung von VR-Entwicklern, die selbst glauben, dass es noch etliche Jahre braucht bis zum Massenmarktdurchbruch für Virtual Reality:
Zum anderen erschienen die ersten Tests der Oculus Rift. Und in denen gibt es ein gewisses Maß an Skepsis zu lesen. So urteilt das „Wall Street Journal“, Oculus sei noch nicht reif für den Massenmarkt. Und The Verge schreibt sehr schön ausgewogen:
„“Just a few more months“ has been the mantra of virtual reality since people started getting excited about the Oculus Rift, and saying it after the headset is released feels like either a huge cop-out or a sign that the VR we want may never actually arrive. But it’s impossible to think of all the unreleased Oculus Touch experiences I’ve tried — like three-dimensional painting tool Quill, Old West shooting gallery Dead & Buried, and a VR version of Rock Band — and not feel like the Rift’s best days are still ahead of it.
For the first time, though, there’s something to do while you wait. The high cost of buying and running high-end VR headsets makes them inaccessible to many people, and the Rift in particular is relentlessly focused on gaming. Within these limitations, though, the Rift makes a good case for seated VR, and it lays a solid foundation for what’s to come. The headset you can buy today is not Oculus’ most ambitious vision for virtual reality — but it’s a vision that Oculus has successfully delivered on.“
Dies ist ein Beitrag aus einer Reihe zu meinen Eindrücken von der SXSW2016. Alle Beiträge finden Sie unter diesem Link.
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