Beobachten Sie in öffentlichen Verkehrsmitteln mal unauffällig ihre auf Handys oder Tablets starrenden Sitznachbarn. Und dann zählen Sie mit, wie häufig auf deren Displays Comic-Süßigkeiten aufeinander prallen. „Candy Crush Saga“ heißt das Spiel, das zu einer Art McDonald’s der Onlinespiele geworden ist: Jeder spielt es, keiner mag es zugeben.
Im April 2012 erschien es zunächst als Facebook-Spiel, Ende 2012 folgten Versionen für Handy und Tablets, ein Jahr später ist es 500 Millionen mal installiert worden. Und es ist hoch profitabel: Wer schneller vorankommen will, kann dies mit dem Kauf virtueller Hilfsmittel. Schon berichtet die britische Boulevardzeitung „Daily Mail“ von suchtartigem Verhalten mit entsprechender Verschuldung.
An diesem Erfolg sollen sich nun auch Anleger beteiligen. King.com, die Muttergesellschaft der Candy Crush Saga, wird an die Börse gehen, wie die Briten heute bekanntgaben. Damit ist das eröffnet, was wir vom IntMag in unserer aktuellen Titelstory prophezeiten: die Rückkehr von Internet-Börsengängen. Unter anderem schrieben wir in der Ausgabe 02/14: „Die Zentralbanken halten die Zinsen niedrig, also fließt viel Geld in den Aktienmarkt. Und auf dem haben Internetwerte den höchsten Sexappeal. Diese Stimmung werden etliche Unternehmen für ihren Börsengang ausnutzen.“ (In dieser Ausgabe finden Sie viele weiter Trends und Prophezeiungen. Das Heft ist auch als iOS-App erhältlich).
Die Analysten von CB Insight sehen gar 26 amerikanische Börsenkandidaten aus dem Internetumfeld. Dabei machen sie die Aktienmarktreife allerdings allein an der Bewertung im Rahmen der letzten Kapitalerhöhung fest: Wer eine Milliarde Dollar an Papierwert erreicht, gilt als Option für die Börse. Schon machen sich die ersten bereit und nutzen dabei eine Neuerung der US-Börsen: Der Antrag auf den IPO darf nun auch nicht-öffentlich eingereicht werden. Dies sichert Börsenkandidaten einerseits mehr Ruhe und ermöglicht, den Papierkram weit vor dem angedachten Handelstag zu erledigen.
Also wird es Zeit einen Blick auf die Gerüchteküche in Sachen Internet-IPO zu werfen:
King.com
Schon vergleicht das „Wall Street Journal“ den Spielehersteller mit dem abgestürzten Börsenhelden Zynga. Allerdings wirkt King ein Stück solider als das amerikanische Gegenstück. Bei einem Umsatz von 1,88 Mrd. Dollar einen Gewinn von 567 Millionen einzufahren, dürfte die Bewertung in schwindelige Höhen treiben. Und: King ist kein junges Unternehmen, gegründet wurde es vor 12 Jahren. Vor allem aber: Während Zynga sich an Facebook kettete haben die Engländer schon die Sprung auf die Handys der Spieler geschafft. All das sieht vielversprechender aus als es einst Zynga tat.
Prognose: erfolgreicher IPO mit überzogener Bewertung
Box
„Fehlt da nicht ein Drop?“, mag mancher in Deutschland fragen. Dropbox ist die Nummer eins in Sachen Cloud-Speicher und auch in vielen deutschen Unternehmen ein alltägliches Instrument um Daten zu speichern, zu teilen und verfügbar zu machen. Die klare Nummer zwei in diesem Feld ist Box. Doch während Dropbox sich anscheinen Zeit lässt mit dem Börsengang, prescht Box vor: Die IPO-Papiere sind nicht-öffentlichen Verfahren eingereicht. Wieviel Umsatz das Unternehmen macht, ist bislang aber nicht durchgesickert.
Prognose: Wenn Dropbox nicht ebenfalls an die Börse geht, dürfte der Box-IPO erfolgreich werden – die Investoren nehmen das Unternehmen als Ausweichmöglichkeit für den Einstieg in den Cloud-Speicher-Markt.
Spotify
Der Musikstreamingdienst aus Schweden wächst weiter rasant. 2012 verdoppelte das Unternehmen seinen Umsatz angeblich auf 576 Millionen Dollar – bei Verlusten von 77 Millionen. Eigentlich wäre Spotify nicht auf der akuten IPO-Liste zu finden. Doch hat die Nachrichtenagentur Reuters gestern eine Stellenanzeige gefunden: Das Unternehmen sucht einen Finanzberichtsexperten.
Prognose: Börsengang 2014 noch offen, aber möglich. Bekannter Markenname dürfte Bewertung hochtreiben.
Zalando
Nach Informationen des „Manager Magazin“ plant der Schuh- und Modeversand aus Berlin noch in diesem Jahr den Börsengang in Frankfurt oder New York. Überraschen kann das nicht: Ende vergangenen Jahres deuteten Verschiebungen in der Investorenstruktur bereits auf diesen Schritt hin. Wagte Zalando tatsächlich den IPO in der Heimat wäre dies ein Lakmus-Test für die deutschen Börsen: Ist die hartnäckige, zu Zeiten des Neuen Marktes gewachsene Skepsis gegenüber Internet-Firmen so weit gewichen, dass eine faire Bewertung möglich ist? Wäre der Gang auf das Parkett erfolgreich könnte dies auch Signalwirkung auf den Startup-Standort haben: Internationale Wagniskapitalgeber würden hier zu Lande spendierfreudiger, wäre ein Exit in Deutschland eine reale Option.
Prognose: Börsengang kommt. Doch ob er erfolgreich wird, bleibt offen.
Evernote
Der Notizdienst in der Cloud hat weltweit begeisterte – und zahlende – Fans. Immer wieder wird er als heißer Börsenkandidat gehandelt. Doch wird Evernote gelenkt von Phil Libin, einem etwas anderen und langfristig denkenden CEO. Libin hat im Dezember auf der Le Web in Paris noch klargestellt: Ein IPO wird kommen – aber erst in einigen Jahren.
Prognose: 2014 passiert nichts.
Coupons.com
Coupons sind in US-Supermärkten ein traditionelles Mittel, um Verkäufe anzukurbeln. In anderen Ländern der Welt gehört aus Ausschnippseln von Rabatt-Barcodes dagegen eher nicht zum Alltag. Online-Coupons klingen da als interessante Alternative in Zeiten sterbender Tageszeitungen und Coupons.com ist das älteste der US-Unternehmen in diesem Feld. Allein: 2013 lag der Umsatz bei nur 115 Millionen Dollar, der Verlust bei 12,8 Millionen. Trotzdem reichte auch Coupons.com seine Papiere bei der Börse ein. Einziger Hoffnungsschimmer: Der Verlust war 75% geringer als 2012 bei steigenden Umsätzen.
Prognose: Verzweiflungsbörsengang mit Aussicht auf Flop
New Relic
Noch nie gehört? Liegt am wenig erotischen Geschäft: der Performance-Messung von Web und Mobile Apps. Doch wurde jüngst Sarah Friar als Board-Mitglied verpflichtet, die Finanzvorstandsfrau des Bezahldienstes Square. Dies wertete das „Wall Street Journal“ als klares Signal für die IPO-Pläne.
Prognose: Ohne Zahlen schwer möglich
Da tut sich also eine ganze Menge. Im Herdentrieb der Finanzmärkte bedeutet das vermutlich nur den Anfang: Gelingen die ersten erfolgreichen Börsenstarts werden andere Unternehmen schnell nachziehen. Auch deutsche Web-Unternehmen könnten dabei sei: So der in Berlin ansässige Musikdienst Soundcloud oder der in der Nachbarschaft befindliche Spiele-Programmierer Wooga.
Schnell werden die Medien dann bei der Hand sein mit dem Begriff der Blase, ganz bei sich mit der Erinnerung an die Dotcom-Zeit um die Jahrtausendwende. Dieser Vergleich aber ist ziemlicher Unfug, wie der Technologie-Chef des „Atlantic“, Alexis Madrigal, jüngst sehr lesenswert am Beispiel der Bewertung von Twitter analysierte:
„Fully 240 Internet companies went public in 1999. TWO HUNDRED AND FORTY. Many of them made huge sums for well-connected investors, even if their actual profits led them to be rightfully dashed on the rocks of the dot-com bust.
In other words: Twitter’s IPO might be a sign of froth. It may be that people are hungry for Internet stocks again. It may be that the confidence in Twitter’s future is baseless.
But this is not 1999.“
Kommentare
Zeddi 30. April 2014 um 23:39
King.com
Hmmm, da bin ich skeptisch – die luft ist imho aus dem Thema mobile Gaming raus – viele bleiben da bei wenigen „bekannten“ und kostenlosen sachen die von allen gespielt werden – und die die „alternativ“ suchen, sind oft die gleichen, die dann tendenziell eher auf PC oder eine anderen Plattform suchen.
Box
k.A. … ich finde das alles reichtlich dubios
Zalando
Tolles konzept, bekannte marke, funktionierende Logistik> Hier wirds bergauf gehen denke ich
Coupons.com
Nichts für Deutschland dank so-oder-so völlig Kaputter Lebensmittel (&Co) Preise