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Was für ein Deal. 19 Milliarden zahlt Facebook für den Instant Messenger Whatsapp, was das Geschäft zur größten Übernahme eines durch Venture Capital finanzierten Unternehmens in der Geschichte macht.

Hier die 5 wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit dem Zusammenschluss:

Sind 19 Milliarden völlig überzogen?

Nur für den, der sich die Zahlen nicht genauer anschaut (was bemerkenswert viele deutsche Wirtschaftsredakteure am heutigen Morgen nicht tun).

Whatsapp zählt laut eigenen Angaben 450 Millionen Nutzer, 315 Millionen von ihnen nutzen den Dienst täglich. Nun ist Whatsapp nur im ersten Jahr kostenlos, danach verlangt der Dienst 99 US-Cent jährlich (Nutzer, die sehr lang dabei sind, dürften ausgeschlossen davon sein). Rechnen wir der Einfachheit halber mal mit 300 Millionen zahlenden Nutzern, die somit rund 300 Millionen Umsatz jährlich reinspülen.

Gleichzeitig ist die Kostenbasis überschaubar: Whatsapp beschäftigt 32 Programmierer, vielleicht kommt noch ein wenig Backoffice hinzu. Natürlich kosten Server und Datenleitungen, doch die meisten, ausgetauschten Nachrichten dürften textbasiert sein und somit wenig Daten produzieren.

Oder um es platt zu sagen: Whatsapp ist höchst profitabel. Und das in einem Markt, der extrem fragmentiert ist, wie Techcrunch Ende 2012 analysierte. Somit besteht weiterhin die Aussicht auf Wachstum. Whatsapp hat gerade erst den Hockeystick-Effekt erreicht und ist bis dahin sogar schneller gewachsen als einst Facebook, wie Benedict Evans vom Investor Andreessen Horrowitz hier zeigt:

Dabei gibt es natürlich eine Unbekannte: In den Emerging Markets haben sich bereits lokale Gegenstücke entwickelt und sind groß geworden, so zum Beispiel WeChat und Line. Lassen sich diese noch verdrängen? Eine offene Frage. Möglicherweise trifft die eher spielerische Art von WeChat eher den Geschmack Asiens, doch das bleibt abzuwarten. Entscheiden werden letztlich die Netzwerk-Effekte: Wollen die Menschen über Kontinente hinweg auch im Messaging-Bereich miteinander verbunden sein?

Ist Facebook verzweifelt?

Der Kauf von Whatsapp ist keine Verzweiflungstat von Facebook, wie es das „Handelsblatt“ heute in seiner Paid-Content-App Live darstellt. Es ist eine kühl kalkulierte Management-Entscheidung. Aber das macht halt die schlechtere Schlagzeile.

Fragwürdig erscheint auch die von einigen Medien aufgestellte Behauptung, Whatsapp sei ein Teenager-Dienst. Whatsapp ist unter Teenagern beliebt – doch wieviel Prozent der Nutzer sie tatsächlich ausmachen ist nicht bekannt. Es scheint uns beim IntMag eher, als nutzten diejenigen Whatsapp, die in ihren 40ern aber eher analog unterwegs sind.

Und ohnehin hat Mark Zuckerberg – was von deutschen Medien weiterhin ignoriert wird – kein Interesse an Jugendlichen, wie David Kirkpatrick in seinem Buch „The Facebook Effect“ schreibt:

“He (Zuckerberg) and Parker and Moskovitz had been saying since mid-2005 that Facebook was not meant to be cool, just useful. If younger people were turned off as the site broadened demographically, so be it.”

Fliehen jetzt die Nutzer?

Auch die absehbare nächste Titelstory sollte man gepflegt ignorieren. Sie wird ungefähr so lauten: „Shitstorm der Whatsapp-Nutzer“. Natürlich kündigen jetzt schon viele der Nutzer via Facebook und Twitter an, den Dienst zu verlassen. Das ist immer so. Und viele werden das auch tun. Nur: Die, die kein Problem mit der Übernahme haben, die schreien das nicht raus.

Deshalb werden wir vielleicht eine kleine Delle in der Nutzung sehen, doch in einigen Monaten kräht danach kein Hahn mehr.

Was wird aus Whatsapp?

Whatsapp beteuert, unabhängig zu bleiben. Solche Versprechen haben in der Techwelt eine mittelfristige Halbwertzeit. Erst Recht, wenn das Unternehmen von einem CEO geführt wird, der noch im Dezember beteuerte, nicht verkaufen zu wollen.

Andererseits hat das Facebook-Management über die Jahre hinweg ein sehr gutes Gespür für die Wünsche der Nutzer demonstriert. Auch Instagram ist nach dem Kauf nicht plattgemacht worden, was Facebook von anderen Akquisiteuren auf dem Markt wie Google und Yahoo unterscheidet. Ganz nebenbei: Dieses Vorgehen dürfte Zuckerbergs Team die Übernahme anderer Unternehmen erleichtern – deren Gründer müssen nicht fürchten, dass ihr Baby einfach eingstampft wird.

Und deshalb glauben wir: Whatsapp wird vorerst so erhalten bleiben, wie es ist. Im Hintergrund wird eventuell an der Technik geschraubt, mehr aber nicht. Gleichzeitig aber wird der Facebook Messenger Stück für Stück auf der Whatsapp-Technik aufsatteln.

Offen ist, was Facebook in Sachen Datennutzung machen wird. Das Unternehmen fährt eine Klarnamen-Politik und wertet die Adressbücher seiner Nutzer – so diese den Zugriff gewähren – skrupellos aus. Deshalb auch sind vorgeschlagene Neukontakte so zielsicher, was viele Nutzer stark verunsichert. Würden die Handy-Nummern aus Whatsapp mit den Facebook-Kontakten ohne Zustimmung der Anwender verknüpft, könnte tatsächlich substanzieller Ärger entstehen.

Wer sollte ob des Deals verzweifelt sein?

Die großen Telekommunikationskonzerne. Hätten sie flexibler und vernetzter agiert, wäre Whatsapp nie entstanden. Denn letztlich deckt der Dienst vieles ab, was auch eine MMS gekonnt hätte. Doch die rivalisierenden Konzerne weltweit konnte sich nie auf Standards und Verrechnungspreise einigen. So versank die MMS im Strom der Zeiten. Erst durch den Erfolg von Whatsapp wachten sie wieder auf und versuchten einen eigenen Dienst in Deutschland zu etablieren. Auch hier dilettierten sie vor sich hin: „Joyn“ sollte bereits Ende 2011 starten, im Juni 2012 bot Vodafone den Service an, erst im März 2013 folgte die Deutsche Telekom, doch können Kunden ihrer Billigtochter Congstar Joyn nicht verwenden. E-Plus beteiligt sich gar nicht, O2 will im Frühjahr starten.

Auf Facebook zählt Joyn derzeit 745 Fans, die Seite wird nicht mehr gepflegt. Der Begriff „Totgeburt“ erscheint angebracht.

Die erhellendsten Analysen der US-Medien und -Techblogs haben wir für Sie in unserer Linkschau zusammengestellt. 


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