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Sie waren der Medienhype des Jahres 2011 in Deutschland: Facebook-Partys. Über das Social Network organisieren sich Jugendliche und trafen sich, was manchmal in gehobenem Chaos endete. Am bekanntesten wurde wohl die Geburtstagsparty einer Hamburger Teenagerin, zu der trotz Absage über 1.500 Jugendliche erschienen und mangels Party randalierten.

In Sao Paulo entsteht in dieser Woche ein ebensolches Phänomen: Rolezinhos sind via Facebook und Twitter organisierte Zusammenkünfte Jugendlicher in Einkaufszentren. Auch hier erscheinen hunderte, beim bisher größten Rolezinho waren es angeblich 6.000 Teilnehmer.

Was sie tun? Nicht viel. Es wird ein wenig gesungen, vor allem aber gemeinsam abgehangen, wofür auch das Verb role steht. Das sieht dann so aus:

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Die Flashmobs ohne Kreativkomponente sind vor allem eine Sache der ärmeren Vorstädte. Doch sie spricht sich herum: Seit rund einer Woche ist #rolezinho ein Trending Topic im brasilianischen Twitter-Raum.


Allein: Die Rolezinhos treffen in eine Zeit extremer Nervosität der brasilianischen Behörden. Die Demonstrationen gegen die Fußball-Weltmeisterschaft haben das Image des Gastgeberlandes bereits getrübt. Nun scheinen sowohl die Security-Leute der Shopping-Zentren als auch die Polizei Angst vor Teenager-Randale zu haben. Sie gehen massiv gegen die Rolezinhos vor, friedliche Jugendliche werden mit Knüppeln, Tränengas und Gummigeschossen aus den Einkaufszentren vertrieben.

Ein Reporter der „Folha de Sao Paulo“ berichtet, er habe beim Besuch einer dieser Flashmobs keinerlei gewalttätige Jugendliche gesehen, nur ganz normale Teenager. Trotzdem seien Einzelhändler in Panik verfallen, die Sicherheitskräfte ohne Anlass hart gegen Flashmobber vorgegangen, auch mit den Worten „Ich mach dich fertig“. Vereinzelt jedoch gibt es Anzeigen wegen Diebstahls. Nachdem die Polizei begann, die Menge zu vertreiben wurden auch Geschäfte beschädigt.

Die Politik reagiert nervös. Behörden befürchten eine Welle von Rolezinhos quer durch das Land, die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff berief gar eine Krisensitzung ein. Fernando Grella Vieira, der Minister für öffentliche Sicherheit, kündigte den Einsatz von Gewalt ein, so dies nötig sei. Die Gleichstellungsministerin Luiza Bairros sieht die Lage jedoch anders. Die Rolezinhos seien Opfer einer „expliziten Rassendiskriminierung“, da vor allem farbige Jugendliche zu den Treffen kämen.

Bisher jedoch sind keine politischen Gründe für die Rolezinhos erkennbar. Das unterscheidet sie von Protest-Flashmobs wie jenen in Weißrussland um 2006. Damals trafen sich Gegner des autokratischen Präsidenten Alexander Lukashenko an öffentlichen Orten um gemeinsam bewusst alltägliche Dinge zu tun. So kamen am Tag, nachdem die regierungskritische Zeitung „Nasha Niva“ verboten worden war, tausende zum stillen, öffentlichen Zeitungslesen zusammen.

Derzeit jedoch wollen die die Jugendlichen anscheinend nur Spaß haben. Ob sich das ändert, wenn die Behörden weiter mit Gewalt gegen die Rolezinhos vorgehen, bleibt abzuwarten.


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