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Vielleicht wird der 1. Februar irgendwann so etwas wie historisch zu nennen sein. Denn heute ist ein journalistisches Angebot online gegangen, dass eine Art Lakmus-Test werden könnte für die Frage, ob sich digitaler Lokaljournalismus refinanzieren lässt.

Heute morgen starteten die Ruhrbarone, das mit viel Anspruch betriebene Ruhrgebiets-Blog, einen expliziten Bereich für Dortmund. Die ersten Stunden sind bunt gemischt, quanti- wie qualitativ aber ansprechend. Da geht es um die Folgen des Steag-Kaufs durch die Stadtwerke, den Wohnungsmangel und die Verletzungsserie von BVB-Verteidiger Patrick Owomoyla. Letzteres ist dann noch der schwächste der Artikel, hier könnten die Autoren sicher noch zulegen.

shutterstock ruhrgebiet

Damit werden die Barone For-Profit-Projekt, wie sie selbst schreiben: „Bislang waren die Ruhrbarone ein Blog, der kein Geld verdient hat. Wir haben aus Spaß gebloggt. In Zukunft werden wir ein wenig Geld verdienen müssen, um professioneller zu werden und die Berichterstattung, die wir unseren Lesern bieten wollen, auch stemmen zu können.“

Dass es nun ausgerechnet die Heimat der Borussia wurde, ist natürlich kein Zufall: Denn gestern starb faktisch eine der beiden Lokalzeitungen der Stadt, die „Westfälische Rundschau“. Sie wird künftig als seelentleerte Papiermarke ihr Dasein fristen, den Lokalteil liefert die Konkurrenz von den „Ruhr Nachrichten“, der Rest kommt vom Rabenmutterhaus „Waz“.

So könnte die DO-Seite zum Testfall für die Möglichkeiten des digitalen Lokaljournalismus in Deutschland werden. Bisher gibt es nur wenige verlagsunabhängige Lokal-Seiten mit Anspruch in Deutschland. Das Heddesheim-Blog ist der Vorreiter, Altona.info ein weiterer Vertreter in diesem Feld. Interessant, aber mir erst seit heute bekannt (deshalb schwer zu beurteilen), ist Meine Südstadt aus Köln.

Nachtrag: Mea maxima culpa – ich habe Regensburg Digital vergessen. 

Inhaltlich ist ein Bedarf an recherchiertem und kritischem Lokaljournalismus absehbar vorhanden. Die meisten Lokalzeitungen betreiben Leser- und Honoratiorenbeschmusung, für Recherchen bleibt wenig Zeit, Termin- und Verlautbarungsjournalismus dominiert die papierenen Seiten. Martin Balle, der Verleger des „Straubinger Tagblatts“ formulierte dies im vergangenen November so: „Wir wissen viel mehr, als wir schreiben.“ Und: „Wir müssen ja auch dafür sorgen, dass die Menschen friedlich miteinander leben.” Journalismus als Doping für’s Gruppenkuscheln – so stellt der Leser sich das wohl eher weniger vor.

Wollen die Ruhrbarone erfolgreich sein, brauchen sie das Gegenteil: tief recherchierten, kritischen Journalismus. Dabei würde ich es für einen Fehler halten, eine Komplettabdeckung der Nachrichtenlage in Dortmund erreichen zu wollen. Vielmehr dürfte es reichen, eine richtig gute Geschichte pro Tag zu liefern – denn dann gibt es für den Leser einen Grund, das Blog in seinen täglichen Nachrichtenkonsum aufzunehmen.

Würde das gelingen, wird es spannend sein, die Reaktion der „Ruhr Nachrichten“ zu beobachten. Die Optionen:

  1. Das Blatt ignoriert die Ruhrbarone – dann werden sich die Leser fragen, ob sie noch eine Zeitung brauchen.
  2. Die Zeitung referenziert das Blog – was ihm mehr Leser bringen würde.
  3. Die Zeitung wird investigativer und kritischer arbeiten.

Mein persönliches Wahrscheinlichkeitsranking dieser Optionen: Erst 1, dann 2, dann 3.

Während die Redaktionsseite recht logisch klingt, dürfte die Frage der Refinanzierung schwieriger werden. Es gibt zwar genügend Onlinewerbe-Dienste, die sich problemlos integrieren lassen. Doch die spielen vor allem Inhalte ab, für die es nur wenig Geld gibt. Der Vermarkter der Ruhrbarone muss lokale Anzeigenkunden neu erschließen, und das wahrscheinlich im Dutzend. So recht ist das bisher niemand gelungen – was nicht heißen soll, dass es unmöglich wäre.

Ein sehr spannendes Projekt ist es also, dieses Dortmund-Blog der Ruhrbarone. Im Sinne der tatsächlichen Medienvielfalt, nicht dem was die Führungskräfte des Waz-Konzerns dafür halten, wäre ein Erfolg wünschenswert.

Nachtrag: Oliver Koch von den „Ruhr Nachrichten“ weist mich via Twitter darauf hin, dass das Online-Angebot der Zeitung keine Probleme habe, auf die Ruhrbarone zu verlinken:

Wir sind gespannt, ob die Blattmacher das ähnlich handhaben werden, steigt der Produktionstakt der Ruhrbarone.


Kommentare


Oliver Koch 1. Februar 2013 um 16:34

Ignorieren im Sinne von: https://twitter.com/RN_DORTMUND/status/297240860301602816

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Stefan Laurin 1. Februar 2013 um 16:50

Gespannt wie sich das alles entwickelt sind wir auch. Viele der Umsätze von Lokalblogs habe ich nie geglaubt, bald werden wie sehen ob mein Misstrauen begründet war oder nicht :-). Journalistisch ist das ganze für uns eine Herausforderung: Neue Themen, neue Leute, alles wird sich jetzt sehr schnell ändern – aber mal ehrlich: Wenn es immer gleich weitergehen würde, wäre es auch langweilig. Übrigens: Ein Hangout fände ich noch schön 🙂

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Jochen 1. Februar 2013 um 17:12

In der Reihe der verlagsunahängigen Lokalblogs mit Anspruch wäre noch das Regensburger Blog „Regensburg Digital“ zu erwähnen.
http://www.regensburg-digital.de/
Aber jo mei, hier in Bayern sammer hoid imma an Schuss weg. Die Musi spuit hoid woandersch…

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Philip 1. Februar 2013 um 17:15

Vielleicht noch Hinweis auf ein lokal „Blog“, welches es schon seit 2006 gibt. http://www.waterboelles.de/
Über das Design lässt sich streiten, inhaltlich ist das für eine Stadt wie Remscheid sehr ordentlich.

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Aufgelesen … Nr. 28 – 2013 | Post von Horn 1. Februar 2013 um 19:21

[…] werden könnte für die Frage, ob sich digitaler Lokaljournalismus refinanzieren lässt. Aus: Indiskretion Ehrensache d. Titten gehen immer Aber dann die erste Enttäuschung: das Editorial von „Stern“-Chef […]

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Thomas 1. Februar 2013 um 21:08

Um die Sammlung zu ergänzen: Einen weiteren Vertreter für lokalen Onlinejournalismus gibt es mit der Leipziger Internetzeitung (http://www.l-iz.de).

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Horst 2. Februar 2013 um 11:21

Ich glaube nicht, dass sich solche ‚Gemeinschafts‘-Blogs werden halten und finanzieren können. Aus meiner Sicht geht der Weg auf der einen Seite zu spezialisierten Blogs wie diesem hier (und tausenden anderen), aber auch zur lokalen Vernetzung von Stakeholdern (Betroffenen wäre das falsche Wort) via Social Media.

Diese zentrale Anlaufstelle, die sich alle Sendungsbewussten als Plattform wünschen, wird keine dauerhafte Plattform sein. Denn diese ‚meinungsbildenden‘ Medien – auch wenn sie neu sind – haben eine zentrale Mission: Den Menschen ihre Alltagserfahrungen in ihrem eigenen ‚kritischen‘ Sinne auszureden.

Die Vielfalt der Blogs bringt echte, freie Meinung abseits von Ideologien. Und wenn man lokal auf die Barrikaden gehen will, dann sind twitter und Facebook genau die richtigen Tools.

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Mein Spandau Newsportal 4. Februar 2013 um 8:57

Wir sind bereits mit unserem Spandauer Newsportal auf dem Markt und versuchen derzeit kräftig KMU Unternehmen zu gewinnen. Im Dezember hatten wir lt. Google Analytics reichtig gute Werte und unsere Facebook-Seite hat 2600 Fans (und das ohne bezahlte Anzeigen)

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Guten Start! 4. April 2017 um 18:56

[…] So etwas funktioniert aber nur, wenn man sich einbringt und die Vorteile aktiv ausbaut. Insofern ist es bedauerlich, dass die Ruhrbarone sich ohne Nennung von Gründen gegen einen Austausch entschieden haben. Sie arbeiten mit dem Vermarkter Adnation zusammen – spannend dürfte sein, wie das mit einem lokalen Markt funktionieren soll. Bedingung für einen Erfolg ist aber eine aktive Teilnahme – wer nur wartet, dass andere für einen etwas tun oder sich abschottet, wird nur schwer vorankommen. Thomas Knüwer schreibt (zu recht) auf seinem Blog über das Angebot der Ruhrbarone: […]

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