Ich habe Timur Vermes Unrecht getan. Also, jetzt nicht öffentlich – aber in meinem Kopf. Als ich zum ersten Mal seinen Debütroman „Er ist wieder da“ in die Hand nahm, dachte ich sofort: Das ist bestimmt ein Engländer. Oder Amerikaner. Aber ganz, ganz sicher kein Deutscher.
Denn seien wir ehrlich: Ein Deutscher, der einen Satireroman schreibt, in dem Adolf Hitler eines Tages unversehrt und ungealtert im heutige Berlin erwacht – das ist nicht vorstellbar. Ausländer können das und dürfen das, allen voran die Engländer – die können das auch. Aber deutsche Autoren? Niemals.
Denkste. Timor Vermes ist Deutscher und freier Journalist. Anders wäre es auch nicht erklärbar, dass weite Teile der deutschen Polit- und Medienszene um jenen Auferstandenen herumschwirren, ganz ohne Pseudonyme oder Decknamen. Denn schnell findet Hitler seinen Weg zurück ins Rampenlicht. Waren es einst die Industriekapitäne, die ihn förderten, so ist es nun das Fernsehen. Weil er so ganz anders ist als die dauerkirchernden Comedians findet er Gehör und ein Publikum. Pofalla ruft an, Gabriel bietet ihm eine politische Heimat – doch eigentlich sieht der Führer in den Grünen die Partei, die ihm am nächsten steht.
Das klingt absurd und ist es auch. Nur: Unlogisch wird „Er ist wieder da“ nur selten. Das Jahr 2011 durch den Wolfsschanzen-Filter betrachtet – das ist ein großes, witziges Vergnügen. Denn Vermes dreht wunderbar an Details. Das ist zum Beispiel die „Bild“ unter Kai Diekmann. Hitler sieht sie ganz auf seiner Linie – bis sie versucht, ihn abzuschießen. Doch dem Führer gelingt die Finte und die „Bild“ knickt ein. Oder die NPD, der Hitler so gar nichts abgewinnen kann.
Wird Hitler so sympathisch? Nein. Oder vielleicht doch. Bis dann einer jener Momente kommt, in denen ganz leise das Monster sein Haupt aus der Erzählung reckt. Wenn die Möglichkeit, neue Kriege zu führen zur Gewissheit wird und Fanatismus zur Selbstverständlichkeit.
Geschickt umschifft Vermes auch die größte Klippe: die Judenvernichtung. Denn „die Sache mit den Juden“ ist nicht lustig. Das findet auch Hitler. Und er sagt es. Auch Renate Künast, die ihn in seiner TV-Sendung fragt, ob er als nächstes noch Witze über Juden machen wolle.
Der Text allein ist schon höchst unterhaltsam. Doch empfehle ich in diesem Fall zum Hörbuch zu greifen. Das wird nämlich gelesen von Christoph Maria Herbst, natürlich im Hitler-Duktus. Herbst läuft zu so sensationeller Form auf, dass wir uns sicher sein können, dass „Er ist wieder da“ uns in zweierlei Hinsicht erhalten bleiben wird: Einerseits werden wir ein Bühnenstück sehen, vielleicht gar ein Herbst-Soloprogramm. Andererseits bin ich mir sicher: Dieses Buch hat das Potenzial, dem Umgang Deutschlands mit seiner Vergangenheit zu verändern.
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Kommentare
ben 29. Dezember 2012 um 0:32
schön gesagt, liegt auch bei mir. Das Cover bereits ist großartig.
Thilo Baum 29. Dezember 2012 um 4:28
Einspruch, euer Ehren.
http://www.thilo-baum.de/lounge/buchtipps/er-ist-wieder-da-ja-so-schon/
Moon 2. Januar 2013 um 9:27
Wieso? Walter Moers‘ Adolf-Comics waren doch auch sehr gelungen.
Thomas Knüwer 2. Januar 2013 um 9:47
Touché – stimmt! Allerdings tun sich deutsche Autoren immer schwerer mit langen Satire-Texten denn mit Comics. Die deutsche Comic-Kultur ist ja absolut rühmenswert.
PickiHH 2. Januar 2013 um 19:41
Ich hab mir vor einiger Zeit schon das Hörbuch gekauft und war nach relativ kurzer Zeit so genervt von Hitler-Duktus, dass ich bis heute nicht weiterhören konnte.
Julius 6. Januar 2013 um 0:05
Geniales Buch! Sehr schön die vielen Anspielungen auf die Promis im Bierzelt. Nur einen hab ich nicht erkannt: auf Seite 359 ist von einem „sehr alten Luis Trenker“ die Rede. Wer soll das sein?
Julius 6. Januar 2013 um 18:31
Könnte Oliver Khan sein, oder?
Christian Preiser 9. Januar 2013 um 19:00
… vergessen wir bitte nicht das geniale cineastische opus magnum: Schtonk! Zwanzig Jahre ist das her. Götz George at its best… „und Eva sagt, ich habe Mundgeruch“.
Matze 13. Januar 2013 um 22:49
Unglaublich. Keine Satire, nichts wird überzeichnet. Genauso könnte es ablaufen, wenn diese Fiktion Wahrheit wäre… Hitler als Spiegel für unsere bundesdeutsche Wirklichkeit. In der jeder Vollidiot zu einem Medienstar werden kann, und jeder, der seine eigene Wahrheit sagt, auch den Grimme-Preis einheimsen könnte. Es ist unheimlich, ohne Frage. Der Autor hat Mut, das sei hier gesagt, ohne Zweifel…
Das Peerblog: Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde 5. Februar 2013 um 17:59
[…] könnte so auch in “Er ist wieder da” […]