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Was ist doch ein Jaulen und ein Wehklagen in diesen Tagen ob des vorhersehbaren Sterbens der Technologie „Tageszeitung“. Ohne Tageszeitungen geht die Welt unter – so die Botschaft.

Dabei sind sie doch so toll, die deutschen Zeitungen, ja, die besten überhaupt sollen es laut „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo sein. Dies zumindest schreibt er in einem Leitartikel und als Bestandteil einer gazedünnen Titelstrecke: „Hierzulande gibt es die wohl besten Zeitungen der Welt.“

Vielleicht sollten sie ja mal ausgezeichnet werden, diese Zeitungen. Mit dem Bambi.

Schließlich ist der Bambi der wichtigste deutsche Medienpreis und auch der wichtigste. Nein, das ist jetzt kein Fehler oder Ironie. Dies ist ein Zitat. Aus einer der tollen, tollen Tageszeitungen, der „Rheinischen Post“.

Der Artikel aus dem diese Schwurbelei stammt sei einfach mal anekdotisch genommen für die abstürzende Qualität deutscher Print-Medien. Denn wer dieses Stück liest und trotzdem sein Abo behält oder das Lokalblättchen nochmals kauft, dem dürften Dinge wie Qualität, Rechtschreibung oder inhaltliche Tiefe pupsegal sein.

„Glänzende Bambi-Verleihung in der Düsseldorfer Stadthalte: Die 64. Ausgabe des größten deutschen Medienpreises kam ganz ohne Skandale aus“ So wurde dieses Stück aus der Freitagsausgabe überschrieben.

Womit wir bei der generellen inhaltlichen Ausrichtung wären. Jubelarien ergießen sich über das goldene Tier, das ja nicht nach irgendwelchen Kriterien vergeben wird: Den Preis bekommt, wer kommt. Die Einschaltquote war nach der grauenvoll langweiligen Show des Vorjahres vernichtend. (Übrigens dachte ich am Donnerstag Abend noch: „Wenn die Zahl der Tweets die Einschaltquote verrät, müsste die sehr mies ausfallen.“)

Diese mit GEZ-Geldern maßgeblich finanzierte Marketingveranstaltung des Hauses Burda wäre eine kritische Betrachtung durchaus wert. Zum Beispiel, weil die Produktion durch die Firma eines Freundes von Hubert Burda, Werner Kimmig, erfolgt. Oder weil nicht der WDR anrückt – sondern der MDR. Oder weil die ARD die privaten Konkurrenten sogar noch überboten hat, um die Sendung zu bekommen. All dies ist sehr schön zu lesen im frisch erschienen Buch „Die Nimmersatten – Die Wahrheit über das System ARD und ZDF„, geschrieben von „Handelsblatt“-Medienredakteur Hans-Peter Siebenhaar.

Doch Knorkedorf muss den Bambi schnafte finden. Und wer wäre die „Rheinische Post“, sich dem zu widersetzen? Noch dazu gibt der Verlag selbst ja Zeitschriften heraus. Und der Chef des zuständigen Verbandes heißt: Hubert Burda.

Noch viel schlimmer ist der Artikel an sich. Versuchen Sie zum Beispiel mal den ersten Satz zu lesen, ohne Atemnot zu bekommen:

„Schon der Einstieg in die 64. Verleihung des Bambi, den die ARD gestern Abend live aus der Düsseldorfer Stadthalle Überdruck, bescherte der Landeshauptstadt einen großen Auftritt: Bilder von der Kö, japanischen Trommeln und dem Riesenrad auf dem Burgplatz gingen über den Bildschirm, bevor Céline Dion das eröffnete was die ARD ihren Zuschauern versprochen hatte: den gländsten Abend des Jahres.“

Puh, das war lang. Nun folgte Peter Maffay, dem im vergangenen Jahr ganz unschuldig die Übergabe des Bambi an Bushido „zugemutet“ worden war. Also, behauptet die „Rheinische Post“. Dass Maffay vorher mit Bushido einen Song gemacht hatte und deshalb als Laudator ausgewählt worden war – gut, das hätte man recherchieren können. Wenn man gewollt hätte.

Aber wenn schon nicht die Zeit für sinnvolle Sätze bleibt, kann wirklich kein Leser Recherche erwarten:

„Sie“ (Alina Levshin) „setzte sich im Votum der Jury gegen weit prominentere Darstellerinnen Barbara Auer, Caroline Peters und Martine Gedeck durchsetzte.“

Oder:

„Die fünf Bandmitglieder, die im Sommer bei der Abschlussfeier der Olympischen Spiele in London auftreten durften.“

Dass ein „Rabbiner“ Daniel Alter auch ein „Rabiner“ sein kann und „kpürzlich“ in Berlin von Jugendlichen niedergeschlagen wurde – Schwamm drüber. Sprache als Dada – powered by „Rheinische Post“.

Letztlich gilt doch noch immer der alte Journalistenspruch: „Egal, was Du schreibst, schreib den Namen richtig.“ Oder? Zum Beispiel den der 6-jährigen Mercan-Fatima Türkogluin. Leider nicht im Text taucht die im Bild gezeigte Mercan Türkoglu auf. Alter: 8. Der „Express“ taxiert die junge Schauspielerin übrigens auf 7.

Ganz ohne Moderator, übrigens, kommt der Bambi nun aus, „nach dem Vorbild der Oscars“.

Ach?

Hätte sich ein Blog solch einen Dilettantismus-Ausbruch geleistet, was hätte die „Rheinische Post“ wohl geschrieben? Wie hätte sie sich wohl ergeifert über das böse, böse Internet. Doch sie selbst liefert einen neuen Tiefpunkt. Tatsächlich sind ja falsch geschriebene Namen, kleinere Fehler und eine vollkommen univestigative Haltung zum lokalen Geschehen ihr Alltag.

So sieht dann die Realität – aus im angeblich besten Zeitungsland der Welt.

PS: Via Twitter frage ich gestern RP-Chefredakteur Sven Goesmann, wie er den Artikel fände. Eine Antwort gab es nicht.

Nachtrag: Ein Leser weist mich gerade darauf hin, dass auch hier im Blog Fehler passieren. Natürlich. Nur: Ich drucke sie nicht, ich korrigiere sie. Und: Wenn es Anspruch von Vollredaktionen ist, so gut oder schlecht zu sein wie einzelne Blogger, dann haben sie keine Überlebensberechtigung.


Kommentare


AntonR. 24. November 2012 um 19:13

Es war ja nicht nur ein Artikel auf RP-Online über den Bambi.
Inclusive Vor-, Nach-, Zwischen- und Live-Berichterstattung komme ich auf 16 Artikel über die Bambi-Verleihung innerhalb von 5 Tagen.

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Aufgelesen … Nr. 52 – 2012 | Post von Horn 25. November 2012 um 17:12

[…] kauft, dem dürften Dinge wie Qualität, Rechtschreibung oder inhaltliche Tiefe pupsegal sein. Aus: Indiskretion Ehrensache b. Daumenschrauben kommen vor dem Fall Das macht die ZEIT in dieser Woche ganz besonders intensiv: […]

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F.W. 26. November 2012 um 8:21

Nunja, irgendwo stimmt die Aussage zu deutsche Printwelt ja, zumal auch der Kölner Stadtanzeiger zunehmend eher BILD-Charakter bekommt.

Der Part zur mangelhaften Qualität – sowohl inhaltlich als auch grammatikalisch – lässt sich leider aber auch in die digitale Welt adaptieren. Bestes Beispiel: Werben und verkaufen, einst das Magazin der Werbewelt, verkümmert mehr und mehr zum Klatschblatt. Abgesehen von der miserablen Browserkompatibilität sind zunehmend auch die Artikel eher BILD-Leser kompatibel…

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