Ich musste schallend lachen, als ich den ersten Satz im neuen Buch meines Ex-Kollegen Hans-Peter Siebenhaar las:
„“Nein, schreib das Buch nicht“, empfahl mir ein langjähriger Kollege, als ich gerade ansetzte, die süßliche Himbeer-Tartelette im Düsseldorfer Bistro „Münstermann“ zum Abschluss unseres Mitagessens zu vertilgen.““
Ich war nicht dieser Kollege, aber über die Jahre hatte ich Hans-Peter bei gemeinsamen Essen eine ganze Reihe, dieser Törtchen essen sehen und meist hatten wir vorher mindestens eine halbe Stunde über Medien – die Branche, die er für das „Handelsblatt“ betreut – diskutiert. Bei weitem nicht immer waren wir einer Meinung.
So wird es ihn auch nicht verwundern, dass ich auch mit seinen Thesen in „Die Nimmersatten – Die Wahrheit über das System ARD und ZDF“ nicht voll übereinstimme. Der Titel sagt, worum es geht: das öffentlich-rechtliche System in Deutschland.
Wer sich mit Medien beschäftigt, wird die meisten der berichteten Vorfälle im Buch kennen. Doch aneinandergereiht wirken die Bestechungen und Betrügereien, die politische Einflussnahme und die Verschwendung geradezu monströs.
Wussten Sie, zum Beispiel, dass zum Reiche ZDF eine Beteiligung an einem polnischen Romantikkanal gehört?
Dass jenes ZDF nicht nur 77 (!) Mitglieder im Fernsehrat zählt, sondern dass 55 davon der „staatlichen Sphäre“ zuzuordnen sind?
Dass zwischen 2013 und 2016 2,8 Milliarden Euro der TV-Gebühren für die Pensionsleistungen der Sender draufgehen?
Dass WDR-Chefin Monika Piel mit 319.500 Euro nicht nur mehr verdient als die Bundeskanzlerin – sondern der Barwert ihrer Pensionszusagen (Stand 2011) 3,08 Millionen Euro beträgt, fast eine Million mehr als 2009?
Und jene versuchte Beeinflussung der Berichterstattung von Seiten der CSU scheint doch eher Alltag zu sein, wenn der aus politischen Gründen geschasste, ehemalige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender heute sagt: „Ich selber hatte ein chronisch angestrengtes Verhältnis zu allen Regierungssprechern, von Uwe-Karsten Heye bis Ulrich Wilhelm, die immer mal versuchten, Berichterstattung zu beeinflussen. Der eine geschickt, der andere weniger geschickt.“
Dieses Buch hat einiges von einem Medienblog: Hans-Peter packt gelassen die Keule raus und haut auf die wunden Punkten der Öffentlich-Rechtlichen. Deshalb kommt „Die Nimmersatten“ auch zur rechten Zeit. Denn mit der Umstellung auf eine Haushaltsgebühr haben sich jene Nimmersatten gerade in eine neue finanzielle Dimension geschossen.
Mehrfach wurde mir hier vorgeworfen, ich sei ein Gegner desselben. Diesen Vorwurf möchte ich von mir weisen. Ich bin ein absoluter Freund des öffentlich-rechtlichen Systems, bin aber der Meinung, es sollte ARD und ZDF untersagt werden, Werbegelder einzunehmen. Dies brächte, behaupte ich, eine unmittelbare Fokussierung auf Qualität bei gleichzeitiger Steigerung derselben.
Siebenhaar streift diese Option nur. Viele seiner Lösungsvorschläge sind logisch, zum Beispiel die Entpolitisierung der Sender oder mehr Einflussmöglichkeiten für Zuschauer in den Gremien. Seinen Hauptansatz kann ich jedoch nicht teilen: Er möchte ARD und ZDF zu freiwilligen Pay-TV-Sendern machen. Auch Gerhard Zeiler (Präsident Turner Broadcasting, Ex-ORF-Intendant und Ex-RTL-Chef) mochte sich nicht mit dieser Idee anfreunden, als er gestern mit Siebenhaar an einem Tisch im Berliner Münzsalon zur Buchpräsentation saß: Dies sei für ihn dann kein öffentlich-rechtlicher Rundfunk mehr, kritisierte Zeiler. Einen großen Unterschied zwischen der aktuellen GEZ-Gebühr und der neuen Haushaltsabgabe mochte er auch nicht ausmachen. Außerdem betonte er: „Ich bin der Meinung dass Öffentlich-Rechtliche für alle etwas bieten müssen – auch in den Bereichen Unterhaltung und Sport.“ Zeiler lieferte auch den Spruch des Abends: „Der ORF war schon immer um einiges größer, als das Land.“
Trotz dieser Meinungsdifferenz in Sachen Lösung: Ich habe ich das Buch mit viel Spaß und einer ordentlichen Menge Wissensgewinn gelesen und möchte es jedem empfehlen, der sich auch nur am Rande mit Fernsehen oder der Medienbranche beschäftigen möchte. Auch Mitarbeiter der Sendeanstalten sollten sich das Werk gönnen: Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass es sie nicht grübeln lässt, ob nicht irgendetwas geändert werden müsste.
Das scheinen eine Menge Menschen zu sein, bei denen man es nicht unmittelbar erwarten würde. Gestern Abend stellte Siebenhaar sein Buch im Berliner Münzsalon vor – und es war gerappelt voll. Vor allem eine Reihe älterer Besucher ohne erkennbare Medienbranchen-Verkettungen kritisierten harsch das ARD-/ZDF-System. Vielleicht gärt da ja was, in der Bevölkerung. Die erste Auflage von „Die Nimmersatten“ ist jedenfalls schon verkauft.
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Hinweis: Ich erhielt das Buch kostenlos als Rezensionsexemplar. Hans-Peter Siebenhaar und ich sind Ex-Kollegen und befreundet.
Kommentare
FKTVTwipsy 30. November 2012 um 14:35
Ich bin ja für eine Mischlösung: 5 Euro GEZ für das, was man streng unter Grundversorgung verstehen kann, und dann noch pro Sendung einen Betrag obendrauf. Für die tägliche Volksverdummung 18 Öcken kanns irgendwie nicht sein, das ging vielleicht in den 60ern.
Sprechmann 30. November 2012 um 14:49
„Denn mit der Umstellung auf eine Haushaltsgebühr haben sich jene Nimmersatten gerade in eine neue finanzielle Dimension geschossen.“ Wirklich? Besteht nicht auch die Möglichkeit, dass am Ende finanziell weniger für die Ö-Re herumkommt als bei der RF-Gebühr?
Thomas Knüwer 30. November 2012 um 16:38
Das erscheint derzeit sehr unwahrscheinlich…
Ulf Rayder 23. September 2017 um 19:02
UNd er hat Recht behalten: es kommt soviel weniger – z.B. beim MDR in Sachsen-Anhalt – rum, dass in vier Jahren gleich mal 45 Millionen gespart werden müssen, um das „Ding“ am Laufen zu halten.
Christian Wechsel 30. November 2012 um 18:39
Die Pensionskasen von ARD und ZDF sind – wie übrigens auch bei großen Unternehmen (z.B. DAX-Unternehmen) üblich – kapitalgedeckt. Da gehen in Zukunft keine Gebühren drauf.
Die Haushaltsabgabe heißt übrigens Rundfunkgebühr. Naja…
Ulf Rayder 23. September 2017 um 19:04
… und die Mitarbeiter der Öff.-Rechl. haben während ihrer Tätigkeit für ihre „Pensionen“ Beiträge geleistet – also Vorsicht: das sind keine „Pensionen“ – wie bei unseren Würdenträgern!
Staub mäuse 1. Dezember 2012 um 4:58
Soll The wire nicht aufzeigen, wie Strukturen nicht wirken ?
Staubmäuse uä gewachsenes wie zB den gordischen knoten kriegt man ja auch meist nicht entwirrt.
Die Verwaltungsstrukturen und Missmanager mit Boni- und Pensionsansprüchen bei Dax- und neue Markt-Firmen oder Altersvorsorge führen auch nicht grade zu optimierter Leistung.
Leistungsstark sind hingegen Ameisen, die formel1, craigslist ( unter 100 Mitarbeitern) oder auch Warren Buffet.
Als Wirtschaftsjournalisten sollte einem auffallen das Konzerne nicht funktionieren und die Aktionäre oft draufzahlen und neue Adelige (bonimanager) durchfüttern. Diese Muster könnten einem dann systematisch dort auffallen wo es um Geld geht.
Sinnvollere Lösungen gäbe es diverse. Bloß wo soll man diese konstruktiv diskutieren ? Facebook wäre geeignet, hat aber wohl kein Interesse.
Aufgelesen … Nr. 58 – 2012 | Post von Horn 1. Dezember 2012 um 18:00
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