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In der Serie “Netzwert Reloaded” verfolge ich jede Woche, was das Team von Handelsblatt Netzwert vor exakt 10 Jahren über das digitale Geschäft schrieb. Alle Netzwert-Reloaded Folgen finden Sie hier.

Heute traf Angela Merkel eine Gruppe von Startup-Gründern und -Finanzierern. Meine Skepsis über dieses Treffen habe ich aufgeschrieben. Denn versandeten die meisten Versuche, IT-Unternehmen zu fördern – oder es wurden doch wieder nur die gefördert, die solche Subventionen gar nicht bräuchten: die Großen. Das Theseus-Projekt ist für mich ein solches Beispiel und nach den Informationen, die ich noch habe, fällt auch das IT-Forschungsprogramm 2006 in diese Rubrik.

Im Frühjahr 2002 wurde es von der Bundesregierung ausgerufen, genauer von Forschungsministerin Edelgard Bulmahn. 3 Milliarden Euro wollte der Bund bis 2006 in IT-Unternehmen stecken, ein Drittel davon kam aus zuvor nicht bestehenden Töpfen. Doch schon zum Start hagelte es Kritik: So gingen allein 810 Millionen an Fraunhofer-Institute, der Anteil der hochschulnäheren Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft fielen bescheidener aus. Und für wenig Begeisterung sorgte auch, dass Firmen wie Softlab hervorgehoben wurden – eine 100%-BMW-Tochter. Die kam bemerkenswert hurtig an ihr Geld, wie der damalige Technikchef für Unternehmenslösungen Netzwert für die Ausgabe vom 6.5.02 schilderte:

„Ich habe in wenigen Tagen eine rund 10-seitige Skizze geschrieben, beim Ministerium eingereicht – nach zwei Monaten hatte ich einen positiven Vorbescheid.“

Es war halt damals schon so eine Sache mit den Deutschen und der digitalen Technologie. Zitieren wir nur Andreas Dohmen, damals neuer Deutschland-Chef von Cisco:

„… aber es ist sicherlich typisch, dass das Pendel bei uns (den Deutschen) von technologischer Euphorie sogleich in die extreme Gegenrichtung ausschlug. Deutsche Unternehmen sind eher auf die Bremse gegangen während etwa die Engländer vieles wesentlich pragmatischer angehen.“

Wenig verwunderlich ist es natürlich, wenn die Japaner vor den Deutschen liegen, erst recht wenn es um den Mobilfunk geht. 2002 war die flächendeckende UMTS-Versorgung in Osaka gesichert. Und so kam die Polizei nicht nur in den Genuss abhörsicherer Verbindungen, sondern schlug den Bürgern auch gleich vor, sie könnten Verbrechen mit ihren Handys bekämpfen: eine 24-Stunden-Videotelefonie-Hotline sollte dafür sorgen, dass die Osaker Verbrechen gleich live übertragen konnten, berichtete Ostasien-Korrespondent Oliver Müller. Ob das jemals funktioniert hat, kann ich nicht recherchieren. Fakt aber ist: Zehn Jahre später hat Deutschland nicht einmal flächendeckenden Digital-Polizeifunk.

Derweil verstrickten sich US-Tech-Größen in ihren Aussagen. Schon damals behakten sie sich vor Gericht, allerdings ging es weniger um Patente wie heute, sondern um marktbeherrschende Stellungen oder falsche Werbeaussagen. So flog Palm eine Aussage ihres CEO um die Ohren. Damals waren drei Viertel aller PDA (für die Jüngeren unter uns: das waren handtellergroße, digitale Notizbücher) aus dem Hause Palm. Deren Chef Eric Benhamou hatte in eine Telefonkonferenz mit Analysten behauptet, der Marktanteil von 75% sei kein Grund, warum es zu Markt-Irregularien durch Druck von Palm auf Zulieferer kommen sollte. Gleichzeitig aber klagte Palm gegen Microsoft, weil das Unternehmen mit seiner Pocket-PC-Software stetig wuchs – nun sollten schon die geringen Prozentanteile am Markt der PDA für eine Gefahr des Wettbewerbs sorgen.

Microsoft dagegen hatte großtönig verkündet, wie gut angeblich seine Interaktiv-TV-Box funktioniere. Im Prozess gegen das Startup Liberate Technologies musste der Konzern kleinlaut eingestehen, dass zu diesem Zeitpunkt nicht eine einige Box von Endkunden genutzt wurde.

Ähnlich vor die Wand fuhren die Redmonder im Prozess gegen Real Networks. Dessen Audio- und Videoplayer sei marktbeherrschend, argumentierten sie: 49 von 50 der größten Webradio-Stationen in den USA würden ihn verwenden. Vor Gericht sagte Real-Vizepräsident David Richards, er habe es „genossen, dass Microsoft die Popularität unserer Software anerkennt.“ Kurz darauf hatte Microsofts PR-Abteilung nämlich noch verkündet, Marktführer bei Mediaplayern zu sein.


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