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In ihrem wunderschönen Song „Südstadt verzäll nix“ (Gute Besserung, Wolfgang Niedecken!) sangen Bap einst, die Südstadt möge sich und uns doch bitte nicht einreden, sie merke nicht, wie sie ausgetrickst würde:

„Kumm Südstadt, verzäll nix,
do merks doch, dat mer dich usstrix
markier nit, datte nit durchblicks – verzäll nix.“

Tja, der Kölner verzällt gern und viel, wenn der Tag lang ist, er ist ein sehr kommunikativer Mensch. Doch neigt er eben auch dazu, sich Dinge ein- oder ganz allgemein schönzureden. Es gibt Einheimische, die Köln tatsächlich für eine optisch schöne und noch dazu saubere Stadt halten.

Heute nun verzällt uns das Medienforum NRW in seinem Blog was, genauer Matthias Kurp, laut Beschreibung Fachjournalist und Medienforscher. Er verzällt uns einen vom Spaceblog.

Was isse ne Spaceblog? Da stelle mer uns janz dumm und sagen: Dat isse ne große, schwarze Raum. Ach nein, das war die Dampfmaschine. Was war jetzt noch mal Spaceblog?

Wissen Sie es?

Mutmaßlich nicht. Auch meine Twitter-Timeline war ratlos. Google liefert keine Antwort außer den offensichtlichen: Blogs über Raumfahrt. Kurp aber behauptet allen Ernstes, dies sei eine Bezeichnung für Lokal-Blogs:

„Lokale Blogs erfordern großes Engagement und Durchhaltevermögen. Etwa zwanzig solcher Angebote, die oft auch als Spaceblogs oder Lokalblogs bezeichnet werden, informieren inzwischen in Nordrhein-Westfalen über örtliches Geschehen.“

Ja, ich habe mich auch gewundert.

Nachtrag: Manchmal ist man ja wie vernagelt. Der geschätzte Falk Lüke hat in den Kommentaren den Witz erkannt – Kurp meint PLACEBLOGS.

Es scheint, Herr Kurp erfindet sich einfach mal nen Begriff. Nun tut er das für einen speziellen Arbeitgeber. Das Medienforum NRW ist ein besonderer Hort des Ewiggestrigen, eine Veranstaltung auf der jedes Jahr die Lokalverleger des Landes in Zusammenarbeit mit dem WDR und RTL behaupten dürfen, das Internet sei jetzt nur so mittelmäßig wichtig, es gehe nichts über Qualität (wobei Qualität zu übersetzen ist mit „Das Zeug, das wir machen“) und niemals würden Zeitungen untergehen. Kurz: Es ist eine sehr lustige, aber nicht zukunftsweisende Veranstaltung im staubigen Ambiente der Kölner Messehallen. Internet kommt dort vor, wird aber gern an den Rand platziert, damit die Qualitätsmächtigen wie Waz-Geschäftsführer Christian Nienhaus die Gegenwart verklären dürfen. Wenn jemand versucht an dieser Selbstgefälligkeit zu rütteln, ist er der zu skandalisierende Störenfried wie bei der vergangenen Ausgabe Richard Gutjahr.

Im Blog einer solchen Veranstaltung darf es selbstverständlich nicht passieren, dass freie Journalisten, verlagsunabhängige Projekte oder ähnliches Kroppzeug ein Lob erfahren. Und so mäandert auch Spaceblogger Kurp durch einen luftleeren Raum, auf dass die Logik besser nicht ihr Haupt hebe. So schreibt er:

„Die Macher wollen ähnlich wie Lokalzeitungen Leser mit Neuigkeiten aus der Nahwelt versorgen – ausgerechnet übers World Wide Web.“

Hömma! Lokalinformationen! Im Web! Gehmiawechunkommnichwidda! Dieses Internet ist doch nur für die Welt gedacht. Also, die ganze. Nicht für kleine Dörfer, die haben doch gar kein Interwebszeugs – die haben doch nur Lokalzeitung. Also, wenn sie jetzt nicht in einer Region sitzen, bei der die Waz mal wieder die Berichterstattung zurückgefahren hat.

Die Macher wollen wie eine Lokalzeitung sein. Also, außer, sie wollen das nicht:

„Originär journalistische Motive wie die Darstellung aktuellen Geschehens, komplexer kommunaler Probleme oder die Abbildung von Ereignissen, die Nachrichtenwert und Relevanz für eine möglichst große Zahl von Nutzern aufweisen, spielen übrigens für die meisten Blogger kaum eine Rolle.“

Puh, nochmal Glück gehabt, denn das bedeutet ja auch:

„KEIN ERSATZ FÜR PROFESSIONELLEN JOURNALISMUS“

Was natürlich in Großbuchstaben den letzten Absatz einleiten muss. Außer natürlich, das Blog wird von Journalisten gemacht. Das ist jetzt blöd, weil es nämlich bedeuten würde, dass diese Blogger doch irgendwie Qualität abliefern würden. Weshalb Kurp die Ruhrbarone nur in einer Tabelle nennt – und Wir in NRW besser erstmal gar nicht. Könnte ja passieren, dass der Leser auf Blogs stößt, die kritischere Lokal- und Regionalberichterstattung betreiben als die Redner beim Medienforum NRW. Besser unerwähnt bleibt auch, dass sich die ersten hyperlokalen Angebote schon refinanzieren. So ernährt Altona Info (ja, klar ist nicht NRW und für das Medienforum endet die Welt halt so ungefähr beim Autobahnkreuz Lotte) vier Mitarbeiter.

Im Jahr 2011 einen so unausgegorenen Text aus der Tastatur eines Medienforschers lesen zu müssen ist traurig. Aber so ist das halt, wenn Medieninhalte öffentlich subventioniert werden: Sie reden dem Auftraggeber nach dem Mund. Oder um es mit Bap zu singen:

„Kumm Medienforum, verzäll nix,
mer merke doch, wie de uns usstrix
markier nit, datte nit durchblicks – verzäll nix.“

Nachtrag vom 7.11.11: Heimlich, still und leise wurde der Text korrigiert. Einen Hinweis auf die Korrektur gibt es nicht. Und ganz nebenbei: Kommentieren scheint auch nicht möglich, da die Captcha-Funktion nicht richtig eingebaut ist. Medienkompetenz galore.


Kommentare


Falk 4. November 2011 um 12:08

Ich verschenke ein „Placeblogs“.

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Thomas Knüwer 4. November 2011 um 12:13

@Falk: Manchmal ist man ja wie vernagelt… Ja, den Begriff meint er. *KopfknalltaufTisch*

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Falk 4. November 2011 um 13:48

There’s no place like space, my dear.

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CJ 4. November 2011 um 15:11

Strike! Danke für das Stück. Besonders für […] das Internet sei jetzt nur so mittelmäßig wichtig, es gehe nichts über Qualität (wobei Qualität zu übersetzen ist mit “Das Zeug, das wir machen”) […].

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Finmike 4. November 2011 um 15:38

„Also, die ganze. Nicht für kleine Dörfer, die haben doch gar kein Interwebszeugs – die haben doch nur Lokalzeitung. Also, wenn sie jetzt nicht in einer Region sitzen, bei der die Waz mal wieder die Berichterstattung zurückgefahren hat.“

Wat hebbt wi gröhlt: Thandorf (siehe Link) hat 187 Einwohner. Und auf der Gemeindeseite ein Blog mit 350 Beiträgen aus 3 Jahren. Tendenz steigt. Das Dorf liegt in Mecklenburg, an der Grenze zu Schleswig-Holstein. Waz? Bitte wer?

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Finmike 4. November 2011 um 15:40

Im übrigen hätte ich auf „Spaßblogs“ getippt…

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Ulrike Langer 4. November 2011 um 16:15

Spaceblogs – erscheinen die nicht diesem Cyberspace?

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Links anne Ruhr (05.11.2011) » Pottblog 5. November 2011 um 13:00

[…] Das Medienforum NRW verzällt sisch was (Indiskretion Ehrensache) – Thomas Knüwer kritisiert den Beitrag Spaceblogs: Lokales mitten im World Wide Web vom Medienforum NRW, der sich auf Placeblogs (nicht Spaceblogs!) bezieht, aber nicht mal in der Lage ist alle genannten Blogs korrekt zu verlinken (beispielsweise auch nicht das Pottblog). […]

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Jens 5. November 2011 um 13:15

Deren Tabelle ist auch noch … nun ja … überarbeitungsfähig. Da werden auch Blogs genannt, die von den eigenen Kriterien her eher nicht aufgelistet werden dürften.

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Lukas Zeissner 5. November 2011 um 19:38

„Spaceblog“ – das Wort werde ich patentieren lassen.

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Der Ruhrpilot | Ruhrbarone 6. November 2011 um 14:12

[…] NRW III: Das Medienforum NRW verzällt sisch was…Indiskretion Ehrensache […]

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pillenknick 6. November 2011 um 14:13

Hm, da hat aber jemand mal ganz intransparent seinen Text von „Spaceblogs“ zu „Placeblogs“ umgemodelt. Gleichwohl bleibt der Rest Kappes. Als ob in Zwei-Mann-Lokalredaktionen sich Themen nicht zufällig ergäben – oder soll der konstant immer wieder auftretende Bratwurstjournalismus mit dem Bericht von letzten Taubenzüchtertreffen als Qualitätsmerkmal definiert werden? Dann will ich lieber keine Qualität.

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Linkpackung vom 6.11.2011 | Konstantin Klein 6. November 2011 um 14:56

[…] Das Medienforum NRW verzällt sisch was – Neu bei Instapaper: Starred: Das Medienforum NRW verzällt sisch was – „Das Medienforum NRW ist ein besonderer Hort des Ewiggestrigen, eine Veranstaltung auf der jedes Jahr die Lokalverleger des Landes in Zusammenarbeit mit dem WDR und RTL behaupten dürfen, das Internet sei jetzt nur so mittelmäßig w […]

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