Ach, würden Deutschlands Journalisten doch noch recherchieren. Brächten Sie doch nur die Motivation auf, nicht mit dackeläugigem Blick Statistiken anzuhimmeln, die ihnen Figuren wie Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hinhalten, auf dass sie brav fressen. Sie könnten tolle Geschichten schreiben, könnten Lügen und Halbwahrheiten aufdecken, sie könnten deren Aussender über den Platz treiben wie einst Real Madrid seine Gegner.
Ach.
Stattdessen wird brav nachgehechelt, was ihnen mundgerecht parat gelegt wird. Im Mai, zum Beispiel präsentierte jener Herr Friedrich die polizeiliche Kriminalstatistik. Über die ließe sich vortrefflich streiten, schließlich listet sie Verdachtsfälle auf – nicht tatsächliche Straftaten. Dies ist eine Information, die ein wohlmeinender und um der Sache bemühter Journalist seinen Lesern/Zuhörern/Zuschauern ohnehin mit auf den Weg geben sollte. Davon war im Mai wenig zu lesen.
Stattdessen käuten die Medien, egal ob „FAZ„, „Handelsblatt„, „FTD“ oder „Süddeutsche“ brav wieder, was Friedrichs PR-Abteilung vorgeschnitzelt hatte: Dass die Zahl der Straftaten sinke, doch die Internet-Kriminalität drastisch zunehme. Weshalb Friedrich wieder einmal den Schwachsinn vom Internet als „rechtsfreiem Raum“ behaupten durfte. Und weil der Raum rechtsfrei sei, brauche er Vorratsdatenspeicherung.
Nun hat der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung die gesamte Statistik noch einmal aufgegriffen. Dabei entpuppt sich der Raum außerhalb des Internets als wesentlich rechtsfreier als das Web. Dort nämlich beträgt die Aufklärungsquote 56% – im Netz 72%. „Wer da von einem rechtsfreien Raum spricht, ist ein Demagoge.“, schreibt ganz richtig der Rechtsanwalt Thomas Stadler bei Internet Law.
Eine Redaktion übrigens hat im Mai diese Statistik hinterfragt – Spiegel Online. Und so sehr mich die zunehmende Boulevardisierung bei Spon abstößt: Wer heute Deutschlands Leitmedien aufzählt, der muss Spiegel Online an erster Stelle nennen – eine Online-Nachrichtenseite mit schwarzen Zahlen, die es laut Meinung vieler Verlagsentscheider ja gar nicht geben dürfte. Das wäre ja auch so eine Geschichte für Journalisten…
Kommentare
Das Internet: (k)ein rechtsfreier Raum – flashfonic.de 7. November 2011 um 12:14
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Florian Reisinger 7. November 2011 um 13:05
Ich bin auch der Meinung, dass Herr Friedrich die Kriminalstatistik dazu benutzt (missbraucht), um seine politische Agenda voranzutreiben. Gleichzeitig kann aber niemand ernsthaft leugnen, dass mit dem enormen Anstieg der Internet- und der Computer- bzw. Smartphonenutzung nicht auch die „Cyberkriminalität“ stark zunimmt. Das wird auch nicht durch einen Hinweis auf eine vergleichsweise hohe Aufklärungsquote bei der Computerkriminalität relativiert.
Und wo Sie schon positiv den Artikel auf SPON erwähnen, dort wird explizit darauf hingewiesen, dass nur ein Bruchteil der Taten gezählt wird:
„…Hinzu kommt, dass in der PKS nach dem Tatortprinzip nur Straftaten gezählt werden, die in Deutschland begangen werden, wie der Vorsitzende des Bunds Deutscher Kriminalbeamter, Klaus Jansen, erläutert. Die meisten Betrügereien im Internet würden aber aus dem Ausland begangen und statistisch gar nicht erfasst… „.
FF 7. November 2011 um 16:05
Apropos investigativ: mich würde interessieren, wie es unser beliebtester Außenminister aller Zeiten fertigbringt, sich eine „Millionenvilla“ auf Mallorca leisten zu können. So ein Ding ist doch ein Geldgrab erster Güte…
Von seinen Diäten jedenfalls ganz sicher nicht. Familienvermögen oder die Kohle seines Mannes? Unwahrscheinlich.
Wem seine „Politik“ in den letzten anderthalb Jahrzehnten Milliarden eingebracht hat, wissen wir ja.
Also, Journalisten? Hallo? Seid ihr da draußen irgendwo? Anyone??
Internet Raum 7. November 2011 um 16:20
Vieles davon könnte man problemlos unterbinden.
Das wäre aber wohl zu einfach 🙁
Das einfachste Beispiel wäre Kreditkartenbetrug.
Die Presse berichtet gerne hinterher statt mal Probleme im Voraus zu verhindern.
David 7. November 2011 um 20:28
Ich verstehe das nicht so ganz:
Da wird in dem Spon-Artikel lang und breit ausgeführt, warum die PKS eigentlich nichts taugt und der Innenfriedrich damit Schabernack treibt. Und dann nimmt man trotzdem die Zahlen aus der PKS, um zu zeigen, dass die Aufklärungsquote im Netz höher ist als im „real life“, obwohl viele Netzstraftaten aufgrund des Auslandsursprungs nicht erfasst werden.
Kann man sich nicht einfach darauf einigen: Nichts genaues weiß man nicht, weiterklicken!?
Aktuelles 8. November 2011 8. November 2011 um 15:13
[…] Das Internet: (k)ein rechtsfreier Raum "Nun hat der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung die gesamte Statistik noch einmal aufgegriffen. Dabei entpuppt sich der Raum außerhalb des Internets als wesentlich rechtsfreier als das Web. Dort nämlich beträgt die Aufklärungsquote 56% – im Netz 72%. “Wer da von einem rechtsfreien Raum spricht, ist ein Demagoge.”, schreibt ganz richtig der Rechtsanwalt Thomas Stadler bei Internet Law." […]
K♥tzbröckchen 05.11. – 11.11. | Kotzendes Einhorn 11. November 2011 um 13:10
[…] Schöner Post von Thomas Knüwer, der mal simpel erklärt, warum das Klischee vom rechtsfreien Internet Bullshit ist. Den kompletten Artikel gibt es hier. […]
Eigentlich gibt es sie schon, die Zukunft des Journalismus « … Kaffee bei mir? 25. November 2011 um 11:05
[…] wir lieber doch nicht wahrnehmen. Oder, vielleicht, ein bisschen. Höchstens. Leider werden diese Verweigerungen weitgehend akzeptiert, nur ganz Wenige, wie das NDR-Extra3-Team, nutzen mobile […]
HumanIThesia 7. Dezember 2013 um 18:39
[…] nun wollen sie für diesen ihnen gebotenen (!) Service bezahlt werden – und die Koalition, deren Mitglieder ohnehin des öfteren durch profunde Unkenntnis des Internets auffallen, macht mit. Die „Welt Online“ erklärte das Thema ihren Lesern übrigens am Montag so: […]