Als wir in der Wired schrieben, dass Deutschlands Entscheider – vor allem die in der Politik – sich auf’s Trefflichste und Grausamste blamieren, sobald es um digitale Technologie geht, hagelte es von einigen Seiten Kritik. So schlimm sei das doch gar nicht, meinten einige. Und der seit langen Jahren nicht existente digitale Polizeifunk wurde abgetan als „es gibt größere Probleme“. Die gibt es immer, aber Polizisten könnten die Situation anders sehen.
Es scheint sogar, die Lage wird nicht besser – sondern immer dramatischer. Nehmen wir nur das demokratieferne Wurschteln von Bund und Land in Sachen Bundestrojaner. Oder die wirren Behauptungen des schleswig-holsteinischen Datenschützers Thilo Weichert.
Und nun erwischt der geballte Irrsinn Deutschland Schulen. Netzpolitik berichtet von “Gesamtvertrag zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen nach § 53 UrhG” der Ländern mit Verlagen. Letztere haben allen Ernstes durchgesetzt, dass ein Prozent der Schulcomputer per Trojaner nach Inhalten durchsucht werden, die möglicherweise raubkopiert wurden.
Nun stellt sich natürlich erstmal die Frage, ob dies überhaupt ein real existierendes Problem ist (von dem wir alle bisher nichts gehört haben). Möglich ist das natürlich – nur handelte es sich hier eben um Dienstverstöße der beteiligten Lehrkörper. Wenn Landesregierungen nun hingehen und eine so weitreichende Kontrolle ihres eigenen Eigentums ermöglichen, so bedeutet dies gleichzeitig: Sie halten einen substanziellen Teil ihres Schulpersonals für Rechtsbrecher. Man möge sich dies bitte zu Gemüte führen.
Genauso wie die Vorstellung, dass sich die Dienstherren eines wichtigen Teils unserer Gesellschaft nicht gegen die Kontrolle durch die private Wirtschaft stemmen – sondern sie happy-go-lucky-scheiß-was-drauf munter zulassen.
Mutmaßlich ist dem versammelten Haufen Inkompetenz nicht einmal klar, wie viele weitere Rechtsfragen sie damit aufstellen. Bei Netzpolitik können sie dies nun nachlesen.
Wieder einmal geht es um digitale Technologie, wieder einmal dilettieren Deutschlands Entscheider vor sich hin. Weshalb ich hier in der Indiskretion solche Fälle nun unter dem Schlagwort „Deutschlands Dilettanten“ einsammeln werden. Hinweise sind natürlich immer gern gesehen.
Kommentare
FF 31. Oktober 2011 um 13:01
Artikelüberschriften mit Komposita, welche die Substantive „Schule“, „Rechtschreibung“, „Bildung“ oder „Kultus“ mit „Reform“, „Konferenz“, „Kongreß, „Initiative“, „Projekt“, „Gipfel“, „Politik“, „Test“, „Zukunft“ oder „Plan“ vermengen, kommen für mich mittlerweile einem ins Innenohr gebrüllten Befehl gleich: „Auf keinen Fall lesen!!“, „Ignorieren!!!“, Sofort vergessen!!!!“
Warum? Weil hier seit Jahrzehnten unfaßbarer Blödsinn geredet und im besten Fall himmelschreiender Stuß verzapft wird. Von „Politikern“, die – wenn sie schon nirgends anders was zu melden haben – dann doch bitte die Bildung, die Schulen und die Universitäten ihrer Länder mit ihren kruden „Ideen“ beglücken wollen. Die nämlich können sich so gut wie nie dagegen wehren… Die Inkarnation dieses Mißstandes ist Brigitte (?) Schavan.
Aargh.
Twipsy 31. Oktober 2011 um 14:28
Womöglich steckt ja etwas ganz anderes dahinter. Kann es sein, dass Duetschlands Schüler im Informatikunterricht lernen sollen, wie man Trojaner erkennt und unschädlich macht? Der Bundestrojaner bietet sich als einfaches Beispiel da an.
Ach nein, eher nicht.
teekay 31. Oktober 2011 um 18:32
Ich verstehe zwar den Beitrag, bin mir aber nicht sicher, ob ich mit ‚Dilettanten‘ uebereinstimme. Mich erinnert das manchmal an das Vorgehen der BILD: Einfach mal was schreiben auch wenn man weiss, dass es eine Ruege vom Presserat gibt oder man ein bisschen Schmerzensgeld zahlen muss-die Story ist geschrieben und Springer hat gute Anwaelte…ich vermute, dass manche Politiker einfach ausprobieren, was man im Netz fuer dolle Dinger drehen kann-am Ende reicht ja die ‚Denkt denn keiner an die Kinder?!‘ Entschuldigung…
Dilett ant 1. November 2011 um 16:01
Die anderen Länder sind auch nicht besser.
Da reden Blockierer und Verhinderer auch mit.
WikIdea will ja keiner machen und nicht einmal kostenlos protegieren. WikiData kommt wenigstens in abgeschwächter Form von Wikimedia ; dem W3C der Wikis… .
Bei WikIdea könnte man legale demokratische konstruktive Ideen konstruktiv demokratisch legal hinterlegen. Denn Kunden sind angeblich viel innovativer als die Unternehmen selber. brainfloor und atizo zeigen den Innovationsgeist der Bevölkerung.
Na gut. Also immer mehr Trivialpatentgebühren an USA zahlen… .