In der Serie “Netzwert Reloaded” verfolge ich jeden Montag, was das Team von Handelsblatt Netzwert vor exakt 10 Jahren über das digitale Geschäft schrieb. Durch das Projekt Wiredkann es allerdings zu Verzögerungen kommen. Alle Netzwert-Reloaded Folgen finden Sie hier.
Einmal in der Woche macht sich der Mitarbeiter einer Näherei im südafrikanischen Hinterland per Auto auf den Weg. 60 Kilometer sind es bis zum nächstgelegenen Büro des Daimler-Konzerns. Dort erfährt er, wie viele Türinnenverkleidungen für die E-Klasse gefertigt werden müssen. Kommen nicht genug stehen in Sindelfingen die Bänder still.
Die Geschichte klingt wie aus einer anderen Zeit, sagen wir den 60ern. Tatsächlich aber war dies bis 1999 Alltag bei Autokonzernen. Als Netzwert das Histörchen am 10.9.2001 niederschrieb war die Welt ein Stück weiter. Denn aus dem zwei Jahre zuvor gestarteten Modellversuch der elektronischen Kommunikation zwischen dem Zulieferer und dem Konzern war eine dauerhafte Einrichtung geworden.
In anderen Häusern der Branche wurde dagegen noch experimentiert in Sachen digitale Order. Denn vor allem die Verbindung der IT-Systeme unterschiedlicher Unternehmen war damals eine große Herausforderung – und eine teure:
„Mancher Zulieferer, stellt (Bernd) Hellingrath (vom Dortmunder Fraunhofer Institut) fest, muss erst einmal davon überzeugt werden, dass sich die ganzen Anstrengungen nicht nur für den Automobilhersteller auszahlen. Dennoch wagt Frank Gehr, E-Business-Experte des Stuttgarter Fraunhofer Instituts, die vorsichtige Prognose: ,In drei, vier Jahren könnte Supply Chain Management zum Standard gehören.“
Nicht mehr zum Standard gehörte bald darauf ein gewichtiger Markenname der IT-Branche: Compaq.
In der ersten Septemberwoche 2001 hatte sich der Computerhersteller, eigentlich ausgestattet mit gutem Ruf (wenn ich mich recht entsinne) zusammengeschlossen mit Hewlett-Packard. Es begann das, was in diesen Wochen endet: Der lange Weg von HP zum IT-Dienstleister. Im Jahr 2001 sog der Konzern unter der Führung von Carly Fiorina mit der Fusion in vielen Bereichen Marktanteile auf. Vor allem der Bereich der Handhelds schien aussichtsreich, hier hatte Compaq mit dem Ipaq (ein Name, der heute sehr, sehr lustig wirkt) eine viel versprechende Serie auf dem Markt.
Doch die große Unsicherheit, welche Geräteserien eingestellt und welche fortgesetzt würden, kostete Umsätze. Rob Enderle, Analyst bei der Giga Group, sagte Netzwert damals: „Dies ist sicher nicht die beste Zeit, um neuer Kunde von HP oder Compaq zu werden.“ Noch dazu lähmten die Kartellbehörden die beiden Unternehmen: Erst 2002 kam der Zusammenschluss tatsächlich zustande.
Tja, und dann war da noch der Versuch Stuttgarts, einen Gegenentwurf zur Green-Card-Debatte zu schaffen. Es wurde offensichtlich, dass ausländische Programmierer wenig Lust auf Deutschland verspürten. Also versuchten die Schwaben, Deutsche aus den USA in die Heimat zu holen. Über New York kreisten Flugzeuge mit dem Banner „Move-Back.com Back to Germany“. Der Mediensprung gelang: „Während unserer Werbeflüge über den USA stiegen die Besuche auf unserer Web-Seite in wenigen Minuten auf rund 15.000 Klicks an“, freute sich Walter Rogg von der Wirtschaftsförderung Stuttgart. Allein: So fürchterlich viele Heimkehrer soll es nicht gegeben haben.
Ja, mit so etwas beschäftigte sich Netzwert damals. Die Ausgabe erschien am 10. September 2001.
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