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Wer ein Blog führt kennt das: Man erwähnt eine Quelle, vergisst aber den Link – schon gibt es Ärger. Man verschweigt gar die Quelle, deutet sie nur an – dann geht es in den Kommentaren richtig los.

Und das ist gut so. Die Möglichkeit, sich selbst ein Bild machen zu könne, basierend auf den Informationen, zu denen ein Autor Zugang hatte, ist eine der großen Errungenschaften des digitalen Zeitalters.

Leider ist dies bei manchen Journalisten noch nicht angekommen. So veröffentlichte die „Frankfurter Allgemein Zeitung“ gestern eine Zusammenfassung über die Geschehnisse bei der Ergo-Versicherung, in er sie tunlichst die Erwähnung anderer Journalisten vermied, die bisher erhebliche Recherchearbeit leisteten.

Um die Ergo und ihren Mutterkonzern Munich Re herum tobt ja nun derzeit ein Sturm. Da gibt es die Partys mit ungarischen Damen von erhöhter Dienstleistungsbereitschaft, falsche Beratung bei Riester- und anderen Verträgen, daraus folgend Vorwürfe gegen den Vorstand, er kläre nicht genug auf. Das ist unübersichtlich, weshalb eine zusammenfassende und einordnende Geschichte weiterhin eine gute Idee ist. Merkwürdigerweise ist das Stück – eigentlich eine Wirtschaftsreportage – in der Rubrik „Die Lounge“ erschienen (online ist er sinnvoller unter Wirtschaft/Unternehmen zu lesen).

Konsequent vermeidet Autor Philipp Krohn die Nennung auch nur eines anderen Mediums. Da gibt es jene Anzeige in „einer Wirtschaftszeitung“. Später dann den Bericht über die Lust-Reise „in derselben Wirtschaftszeitung“. Dann der Versuch der Krisenkommunikation per Interview „in einem großen Nachrichtenmagazin und später im meistverkauften Boulevardblatt des Landes“. Und dann später wieder jene „Wirtschaftszeitung“.

Ich weiß nicht, ob es eine Redaktionsanweisung bei der „FAZ“ gibt, andere Zeitungen zu verschweigen. Doch egal, ob von oben verordnet oder von unten einfach vorgenommen: Dies stellt eine grobe Missachtung der Arbeit anderer Journalisten dar. Und es ist eine Dummhaltung der Leser, die aus dem letzten Jahrtausend stammt. Dieses Vorgehen ist nicht mehr zeitgemäß.

Es kann allerdings auch sein, dass dies in einem weiteren Zusammenhang steht. Der über 80 Prozent der Länge ruhig und anschaulich geschriebene Artikel kippt im letzten Moment nämlich ins kryptische.

Der letzte Absatz lautet:

„Am Freitag dieser Woche nun legt die Wirtschaftszeitung noch einmal nach. Verbraucherministerin Ilse Aigner verlangt eine bessere Aufklärung der Ergo. Was sie offensichtlich nicht weiß: Im Aufsichtsrat gibt es eindeutige Hinweise auf eine Erpressung. Oletzky und die Ergo verweigern jede Auskunft dazu. Seit zwei Wochen aber ermittelt die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft gegen ein mutmaßliches Netzwerk von Berufsklägern, das offenbar die Munic Re erpressen wollte. Kann es sein, dass die Vertreter, die auf höhere Abfindungen klagen, an Kriminelle geraten sind und ihnen die Sache nun über den Kopf wächst? Eine der Spuren führt nach Dresden. Die Verdächtigen halten sich im Hintergrund und haben mit den Verlautbarungen in dieser Geschichte nichts zu tun.“

In dieser Geschichte? Könnte es sein, dass die „FAZ“ einem Konkurrenzblatt vorwirft, sich von Betrügern instrumentalisieren zu lassen und gleichzeitig deren Anzeigengeld zu kassieren?

Wer dies andeutet, der sollte offen dazu stehen. Und er sollte erwähnen, dass „die Wirtschaftszeitung“ das „Handelsblatt“ (Hinweis: mein Ex-Arbeitgeber) ist. Aber das würde viel Mut erfordern.


Kommentare


Sascha Stoltenow 26. Juni 2011 um 11:18

Das mit der Quellennennung ist ja so eine Sache, die wir auch im Zusammenhang mit dem Leistungsschutzrecht und den „Inspirationen“, die sich etablierte Journalisten von Bloggern holen schon diskutiert haben. Ein anderes Thema ist, wie sich das, was um die Ergo herum passiert aus PR-Sicht darstellt. Vorweg: von den Hintergründen habe ich keine Ahnung (und will es ehrlich gesagt auch nicht), aber das Muster scheint mir vertraut.

Aus Perspektive der aktiven Pressearbeit ist es schon seit quasi immer so, dass eine Story (harmlose, eitelkeitsbasierte Stories, bei denen es um Zahlen und Fakten, nicht um Fragwürdiges oder Verbotenes geht), die man der FAZ anbietet, im Handelsblatt nicht oder nur kaum unterzubringen ist – und vice versa und unabhängig davon, ob es für die jeweilige Leserschaft interessant wäre oder nicht.

Dass, was bislang aber vom „Fall“ Ergo publiziert wurde, erscheint eine Nummer größer zu sein. Es sieht nach einem veritablen Machtkampf interessierter Gruppen aus, in dem sich beide Seiten einer professionellen PR bedienen. Und nachdem die hauseigene Unternehmenskommunikation am Anfang etwas unglücklich agierte (Salz und Tequila), scheinen nun Profis am Werk zu sein, die das legitime Interesse der Ergo und ihrer Mutter vertreten. Dazu gehört auch, die Erzählung, in deren Mittelpunkt bislang die Ergo als Hort des Bösen stand, zu drehen. Die Chancen scheinen nicht schlecht, denn bei genauerer Betrachtung, waren es wohl der Strukturvertrieb der HMI sowie die Victoria, in denen unsauberes Arbeiten kulturprägend waren.

Was das Ganze jedoch besonders interessant macht, ist für mich die Kachelmannisierung dieser Vorgänge und vor allem des Journalismus, die sich auch in dem Beitrag der FAZ zeigt. Statt Fakten Andeutungen, statt Dokumentation von Handlungen (Wer hat wann wo was und wie gemacht?) Andeutungen. Problematisch daran ist vor allem die Instrumentalisierung von Medien, die für sich den Anspruch Qualitätsjournalismus erheben. Die Nichtennung von Quellen ist dagegen eine Petitesse.

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Sascha Stoltenow 26. Juni 2011 um 11:20

Es muss natürlich „Das“ im ersten Satz heißen, und auch andere Rechtschreibfehler bitte behalten.

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Ansgar 26. Juni 2011 um 13:19

Danke, Thomas, für diesen Blogbeitrag. Ich las gestern den Artikel in der FAZ und bin froh, das jemand meine Verwunderung über die Nichtnennung des Handelsblatts und über das sonderbare Ende teilt.

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drake 26. Juni 2011 um 17:26

…es fehlt einfach an Dankbarkeit in den Medien! 🙂

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Andreas Wollin 27. Juni 2011 um 12:03

Dieses „Quelle nennen“ ist auch bei der ARD verpöhnt. Nahezu jeden Tag sieht man aus Syrein etc. ein „Video via Internet“. Konsequenterweise müssten die dann sagen: „Laut einer Zeitung“, sagen aber „berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Eine Website (oder sagen wir, wie es ist: YouTube) ist anscheinend einer vollen Nennung nicht würdig.

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r3v 27. Juni 2011 um 12:42

Die ARD könnte es ja wie die Gamestar mit ihren Quicklinks machen aber das ist vermutlich nicht massenkompatibel 🙂 Wär doch super wenn es dann heißen würde „Das Video sehen sie unter dem ARD Quicklink 514124“ oder vlt auch was sprechendes, wäre ja auch möglich.

Bis sich alle Errungenschaften des Netzes auch bei den Journalisten durchsetzen braucht es eventuell auch einfach einen Generationenwechsel.

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