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In der Serie “Netzwert Reloaded” verfolge ich jeden Montag, was das Team von Handelsblatt Netzwert vor exakt 10 Jahren über das digitale Geschäft schrieb. Alle Netzwert-Reloaded Folgen finden Sie hier.

Nach zehn Jahren einen Begriff zu vergessen ist wohl legitim. I-Mode ist so ein Wort, das mir vollkommen aus dem Hirn geglitten war. I-Mode, das war jene kurze Zeit in der Geschichte der Telekommunikation, in der E-Plus technisch führend war. Stimmt, kann sich heute keiner mehr vorstellen.

Damals aber brachten die Düsseldorfer eine Mobilsurf-Technik in Deutschland heraus, die in Japan ein gigantischer Erfolg war. I-Mode war so eine Art AOL des Handy-Surfens: ein sicherer, abgeschlossener und optisch wirklich hübscher Dienst. Über 20 Millionen Japaner hatte der Dienst in nur zwei Jahren für sich gewonnen. Und als ich zum ersten Mal mit einem I-Mode-Handy spielte, war ich schwer angetan. Weil es so einfach war und so schön. Ganz anders als das damals noch verbreitete Wap. Ehrlich gesagt: Ich dachte, I-Mode könnte auch in Europa fliegen. Vielleicht hätte mich aber auch das Zitat von I-Mode-Vater Takeshi Natsuno zum bubbelbunten Design des Service eines besseren belehren können: „Alle Menschen lieben Pokemon- und Disney-Figuren.“ Ähm… nein.

Bunter sollte es auch bei Yahoo zugehen. Nein, nicht mit Disney-Power, sondern mit dem Ex-Chef von Bugs Bunny. Terry Semel kam in jenem April 2001 von Warner Brothers. Skepsis triefte damals durch die Zeilen von Netzwert-Korrespondentin Sigrun Schubert. Klar, Semel war bei Mitarbeitern beliebt:

„… sein Engagement im Internet-Geschäft war bisher nicht rühmlich. So war er bei Warner für die Cartoon-Seite Entertaindom zuständig, die inzwischen abgeschaltet wurde. Nicht besser lief es bei Digital Entertainment Network, in die Semel 2 Mill. Dollar investierte: Das Netz-Fernsehen verbrannte neben Semels Geldern noch 60 Mill. Dollar Wagniskapital, bevor die Seite dichtmachte. Glücklos waren außerdem die Investitionen von Semels Internet-Investmentfirma Windsor Media. Eines der geförderten Unternehmen ging pleite, ein anderes wurde aufgekauft. ,Ich war in den vergangenen zwei Jahren ein Student des Internets‘, redet sich Semel heraus.“

Heute wissen wir: Er sollte diesen Status auch nie mehr verlassen.

Derweil durfte sich ein anderer bekannter Name des Web sein Interview acht Wochen zuvor um die Ohren hauen lassen.

Damals hatte Peter Kabel gegenüber Netzwert noch gesagt: „Wir stellen weiterhin ein.“ Zwei Monate später mussten am Donnerstag vor Ostern 30 Leute gehen.

„Noch kein Boden unter den Füßen“ war dann auch die Kolumen „E-Mail aus Frankfurt“ überschrieben. In ihr kommentierte in jener Woche DG-Bank-Analyst Christian M. Kahler den Digix, jenen Börsenindex, den sein Haus mit dem „Handelsblatt“ auf die Beine gestellt hatte. Immerhin: Von knapp unter 40 war der wieder auf 52 geklettert. Trotzdem schrieb Kahler wohlweislich: „Am Neuen Markt ist das schlimmste noch nicht vorbei… Für längerfristig orientierte Anleger gilt derzeit nach wie vor: Cash ist King.“ Eher ein Pfeifen im Wald war da der Schlusssatz: „Im dritten Quartal kann wie Welt schon wieder ganz anders aussehen.“

Und dann war da noch jener Text von Bernd Ziesemer, damals Vize-Chef des „Handelsblatts“. Im Herbst hatte er einen Text über PR in der New Economy geschrieben, der sattes Aufsehen erregt hatte. Nun legte er nach mit einem Beitrag über die Finanzierung von Medien im Web, der aus heutiger Sicht historischen Charakter hat. Einerseits ist er prophetisch, andererseits zeigt er wie wenig das Innovationstempo in Überlegungen integriert wurde. Und deshalb möchte ich ein wenig ausführlicher zitieren:

„Unternehmen im Internet haben die Verbraucher viel zu lange verwöhnt – es wird Zeit das zu ändern. Was gibt es nicht alles im Internet umsonst…

Ein Schlaraffenland für Konsumenten – und die Hölle für jeden Anbieter. Denn Geld verdienen lässt sich mit all den schönen Seiten nicht…

Es ist Zeit für ein neues Kürzel in der ach so formelverliebten Internet-Welt… Nach B2C und B2B heißt es jetzt S2P: Someone has to pay…

In den alten Medien war das schon seit langem klar: Anspruchsvolle Zeitungen oder gar Bücher lassen sich allein und auf Dauer nicht nur mit Werbeerlösen finanzieren, ohne Vertriebserlöse geht es nicht…

Bleibt nur die Millionen-Dollar-Frage: Sind die Internet-Nutzer auch bereit, für vernünftige Inhalte gutes Geld zu zahlen? Bisher gibt es weltweit nur wenige Beispiele, etwa die erfolgreiche Online-Ausgabe des ,Wall Street Journal‘. Viele Versuche in Deutschland sind dagegen gescheitert. Und alle Umfragen signalisieren: So leicht lassen sich die Nutzer das Geld nicht aus der Tasche ziehen.

Doch die Ergebnisse solcher Repräsentativumfragen werden oft falsch interpretiert. Natürlich wird niemand für Inhalte zahlen, die er woanders auch umsonst bekommen kann. Das gilt insbesondere, wenn die Angebote weitgehend austauschbar sind (Beispiel: Börsenkurse).

Also keine Chance für bezahltes Internet? Doch. Aber nur, wenn mindestens vier Bedingungen erfüllt sind: Originäre Qualitätsinhalte, erstklassige Internet-Funktionalitäten, einfache und sichere Zahlungsmöglichkeiten, eine starke Marke.

Was spricht dafür, dass sich solche Angebote im Internet etablieren werden? Ich sehe drei Gründe: Erstens wird den meisten kleinen Inhalte-Anbietern schon bald das Geld ausgehen…

Zweitens verändert sich das Kommunikationsmedium Internet immer mehr zum ganz normalen Arbeitsinstrument (Stichwort: Firmenportale). Dort ist die Bereitschaft, für vernünftige Inhalte auch zu bezahlen ohnehin größer.

Und drittens bilden sich allmählich sichere und simple Zahlungssysteme im Internet heraus…

Schwierig wird nur der Übergang… Auch im Internet sind hier strategische Meisterleistungen der Inhaltelieferanten notwendig…

Und was, wenn der Übergang misslingt?… Dann lautet die Hoffnung: mobiles Internet.

Setzt sich die Netz-Verbindung über das Handy durch, wird es hochpreisige Dienste auch nur gegen vernünftige Gebühren geben… Und abgerechnet wird leicht und unauffällig über die Telefonrechnung…

Bisher war ,Piraterie im Netz nicht die Ausnahme, sondern die Regel‘, schrieb der amerikanische Rockmusiker Ted Nugent vor kurzem in einem Beitrag für das ,Wall Street Journal‘ und das ,Handelsblatt‘. Darauf beruhte nicht nur das Geschäftsmodell der Musiktauschbörse Napster. Auch dort versuchen die Manager nun, ihre Kunden zum Bezahlen zu bringen. Damit liegt Napster zum zweiten Mal voll im Trend.

,Das kostenlose Internet‘, schrieb die amerikanische Zeitschrift ,Business Week‘ vor kurzem völlig zu Recht, ,war nur eine zeitweillige Verirrung‘.“

Zehn Jahre später hält die „Verirrung“ an. Weiter zahlen Verbraucher mit ihrer Zeit, dem Erwerb von Endgeräten und mit Datenleitungen. Nur die „Business Week“ – die gibt es in dieser Form nicht mehr. Sie ist von Bloomberg übernommen worden.

Und die Diskussion über Medien? Die ist in Deutschland kein Stück vom Fleck gekommen, wie der Text Ziesemers demonstriert.

Nachtrag: In einem Interview mit dem EPD hat Ziesemer zu genau jenem Text im Jahr 2011 gesagt:

„Da habe ich mich fundamental geirrt. Ich habe leider die Hoffnung mit der Wirklichkeit verwechselt. Ich glaube, die Hoffnung lebt immer noch, weil es eigentlich der einzige Weg ist für die klassischen Medien. Aber die Wirklichkeit stellt sich leider anders dar. Es ist äußert schwierig, im Internet oder auf dem iPad Bezahlmodelle durchzusetzen. Ich habe es mir einfacher vorgestellt damals. Nur sehr wenige Verlage sind konsequent an dem Thema drangeblieben.“

Lesen Sie kommende Woche: Warum Verdi Facebook-Fan sein müsste.


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