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Deutschlands Print-Journalisten sollten künftig sehr, sehr, sehr, sehr vorsichtig sein. Dann nämlich, wenn es um das kreative Zusammenstellen von Texten aus verschiedenen Quellen geht. Oder wie wir Freunde der CSU sagen: das guttenbergen.

In diesen Tagen kommt ein solcher Fall auf den digitalen OP-Tisch. Eine Autorin der „Badischen Zeitung“ hat sich für eine Geschichte über Schwiegermütter (mal nebenbei, „Badische Zeitung“: Solche Langeweiler-Themen sollen Eure abrutschende Auflage retten?) bei „Spiegel“, „Focus“ und Co. bedient. Und das tat sich nicht nur in Sachen Schwiegermutter – vielmehr scheint diese Arbeitsweise Alltag gewesen zu sein, listet Rudi Raschke in seinem Blog auf. Schon 2007 wies er in einem kurzen Artikel auf das Problem hin.

(Symbolbild: Redaktionsarbeit 2011 – Shutterstock)

Thomas Hauser, der Chefredakteur der „Badischen Zeitung“ findet die Sache „peinlich“. Nun kenne ich ihn nicht. Würde ich aber gern. Um einzuschätzen ober dies tatsächlich seine Gefühlslage ist oder er sich eher denkt, „ist halt so, Schwämmle drüber – die Wogen werden sich wieder glätten“.

Denn wer nicht allzu naiv ist, der weiß: Abschreiben war schon immer journalistischer Alltag – nur die Moral der abschreibenden Redakteure hat sich unter dem Kostendruck der Redaktionen verändert.

Einst hatten Journalisten Respekt vor der Arbeit von Berufsstandskollegen. Dann zitierten sie diese mit Quellenangabe. Waren gleich mehrere Informationen aus einer Quelle, galt die Mindestregel: einmal muss man diese nennen. Sicher, es gab immer welche, die die solche Hinweise für den Leser als ehrverletzend empfanden. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ war beispielsweise berüchtigt dafür, Hinweise auf das „Handelsblatt“ zu meiden. Insgesamt aber klappt das alles recht gut.

Heute aber ist die Welt anders. Einerseits sind die physischen Restriktionen drängender. Wer aufgrund immer geringeren Platzes vor der Wahl steht, seine wunderschöne Formulierung zu streichen oder den Halbsatz „berichtet die Weser-Deister-Zeitung“ – der entscheidet sich für zweiteres. Auch der redigierende Produktionskollege streicht bei Platzmangel lieber die scheinbar unwichtige Quellenangabe. Außerdem: Warum soll man den Feind, also einem anderen Print-Produkt, ein solches Lob zukommen lassen? Diese Haltung ist heute weit verbreitet, aus ihr entspringt die Abneigung der Zeitungs-Online-Ableger auf andere Angebote zu verlinken.

Noch dazu stellt das ja den Chef, falls der vor Andruck nochmal gegenlesen sollte, zufrieden: Er ist meist nicht im Thema, weiß nicht, wo welche Informationen schon mal standen. So entsteht ein fast mafiöser Zusammenhalt. Selbst wenn ein Kollege ahnt, dass ein Autor abgeschrieben hat: Er wird es am nächsten Morgen nicht in der Redaktionskonferenz erwähnen. Bestenfalls Lesern könnte das auffallen. Die melden sich per Leserbrief – und gelten ohnehin als „Fundamentalisten“, wie es „FAZ“-Mitherausgeber Günther Nonnenmacher einmal formulierte.

Wo sollen sie aber herkommen, die exklusiven Informationen, die das Abschreiben unnötig machen würden? Die Reiseetats werden immer stärker gekürzt – zum Recherchieren kommen viele Journalisten nur noch notfalls raus. Gleichzeitig bleibt immer weniger Zeit: Die Redaktionen sind zusammengekürzt, die Online-Angebote müssen bedient werden. Die Motivation nicht gefördert haben auch die faktischen Bezahlungskürzungen und die Aussicht, dass diese noch zunehmen werden.

Ein Chefredakteur, der glaubt, seine Leute könnten heute mehr exklusive und gut recherchierte Geschichten liefern als vor 10 Jahren, darf als Narr bezeichnet werden. Wer glaubt, dass es genauso viele sind, macht sich lächerlich. Tatsächlich sind solche journalistischen Gut-Leistungen heute die Ausnahme. Wer daran zweifelt möge mal die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ nach Geschichte durchforsten, die aus anderen Quellen stammen und nur schön umgeschrieben sind. Die Menge wird ihn überraschen. Meistens nennt die „FAS“ dabei ihre Quellen. Meistens. Die Forderungen der Verlage nach einem Leistungsschutzrecht wirken angesichts dieser Realität noch bizarrer.

Zwei Dinge aber machen das guttenbergen künftig problematisch. Zum einen – klar – Google. Die Zahl der Medienblogs nimmt zu, Da Herr Koarl liefert schon eine hübsche, dreizeilige Bedienungsanleitung zum Auffinden journalistische Plagiate. Ein anderes Beispiel ist das Ostsee-Zeitung-Blog (danke für den Hinweis and dkluever).

Zum anderen werden aber auch Chefredakteure kiebiger. In Zeiten, da merkwürdige und wenig seriöse Zitat-Rankings als Marketing-Instrument verwendet werden, hängt auch ihr Stand von Zitaten ab. Also machen sie Druck. Tatsächlich peinlich finden die meisten Chefredakteure es aber, wenn ein gleichgestellter Andersblattiger schaumgemundet anruft um auf Plagiate hinzuweisen. So trug es sich nach meinen Informationen jüngst bei einer überregionalen Tageszeitung zu, deren Chefredakteur einen Anruf vom Lenker eines Monatsmagazins erhielt. Eine Mitarbeiterin der Zeitung habe einen Artikel fast vollständig aus seinem Magazin abgeschrieben, mahnte er. Dies war der Mitarbeiterin nicht zum ersten Mal passiert – sie wurde gefeuert.

Ja, so geht es derzeit zu in den deutschen Redaktionen. Einerseits kommen Journalisten kaum ums Abschreiben herum um ihr Blatt zu füllen – andererseits kann ihnen das schnell um die Ohren fliegen.

Und deshalb habe ich in winziges Stück Mitleid für jene Guttenbergerin der „Badischen Zeitung“. Aber nur ein winziges Stück.


Kommentare


Warum Plagiate für den Journalismus Plagen sind « Da Herr Koarl 1. März 2011 um 13:43

[…] vom Ex-Handelsblatt und Crossmedialist Thomas Knüwer in seinem Blog kommentiert unter dem Titel ‘Eine kleine Dosis Mitleid für die Guttenbergerin der “Badischen Zeitung”’. Eine Analyse, in der er unter anderem Zeit- und Geldknappheit in den Redaktionen als wesentliche […]

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Abonnent 1. März 2011 um 15:01

Preisdruck ist auch Qualitätsdruck. Ohne Qualitäts-Erhaltungs-Maßnahmen wird die Qualität dann halt weniger.
Wenn es nach Gas riecht, dreht man den großen Zentral-Absperr-Hebel im Keller ab. Bei diesen Analysen fehlen oft struktureller Background der Probleme und auch Ideen. Es bleibt überwiegend nur bei der Beschreibung.

dpa+reuters-Artikel stehen wortgleich in allen regionalen Zeitungen, weil die keine Journalisten für diesen Themen haben. news.google deckt es auf. Wenn man eine Print-Zeitung hat, kann man es einen Tag später formulierungsgleich auch dort finden. Per se ist das auch nicht schlimm und in Deutschland schon lange üblich.
Regionalzeitungen brauchen keine exklusiven Wirtschaftsmeldungen, Fernseh-Tipps oder für die Samstags-Ausgabe irgendwelche Haushalts-Tipps und Reise-Berichte, wenn die Abonnenten angeblich so wichtig sind. Wo kaum Leserüberschneidungen sind, kann und sollte man Artikel ruhig mehrfach verwenden.

Die Journalisten sind einfach nicht schlau genug, sich ebenso zu organisieren wie die Nachrichten-Agenturen. Wieso soll eine Android-3.0-Vorstellung oder irgendein neues Automodell oder Tipps für den Garten oder Haus-Renovierung nicht per Internet weitervermarktet in mehreren Zeitungen oder Zeitschriften erscheinen ? Der Big Boss sucht am IPad die Headlines aus dem „Katalog“ aktueller Meldungen und die Handlangers schneiden die Texte auf die gewünschte Größe. Früher gabs „Setzer“, heute gibts „Text-Cutters“. Am besten Exil-Deutsche in Nordkorea oder wos billig ist oder per Cloud in der Türkei weils grade aktuell ist.
Tweets und Werbe-gifs sind normiert. Wieso also nicht die Artikel-Längen sowas wie „600 Zeichen“ „1200 Zeichen“ ? Alles technisch einfach. Wenn man nicht grade 40% abkassiert, könnten alle eine win-win-Situation haben. Man kommt mit weniger Journalisten aus die aus mehreren Quellen für ihre (gleichen) Texte bezahlt würden. Die Verwässerung findet nicht mehr so viel statt usw. Win-Win für Zeitungen und Schreiber, weil man einige Fest-Angestellte einspart, gute Texte einkauft, diese Texte öfter gekauft werden und somit billiger angeboten werden können. Zeitung spart Geld, Echter Journalist kriegt mehr Geld durch Zusatzvermarktung.
Sowas wie Demand-Media aber in Gut bzw. sinnvoll.
Wenn man Neuer Markt Reloaded und Wirtschaftsmeldungen liest, merkt man allerdings, das solch eine Idee die universitär erworbenen Fähigkeiten vieler Wirtschafts-Presse-Praktikanten überschreitet. Jede Yellow-Press die die Affären und Patchwork-Familientum irgendwelcher Promis „verwaltet“, ist schlauer und kriegt mehr Informationen gewuppt.
Wenn z.B. die ct ihre Monitortests oder Ipad-Hilfen zweitvermarkten würde, hätte keiner einen Nachteil. Ausser den Überflüssigen. Aber die sind bei der nächsten Konjunktur-Krise in 3-5 Jahren auch weg. So wie dann wohl viele Zeitungen. Die Bier-Sorten haben es vorgemacht.

Schlechtes Vorbild färbt wohl ab…
Statt also Entfettung, Verschlankung, Synergien, Stärkung und folglich bessere Bezahlung der Branche zu betreiben, wird herumgejammert und man nimmt sich die größten Schuldenmacher und Versager der Nation als Vorbild und jammert nach Schutzleistungen usw. Das kommt davon, wenn Leser-Brief-Ideen oder Kleinaktionärs-Fragen weggeworfen werden und stattdessen irgendwelche sinnfreien Kreis-Vorsitzenden-Stellvertreter-Forderungen oder Management-Gelabereien immer und immer wieder in der Zeitung stehen. Allerdings wird Selber-Denken auch von niemandem belohnt sondern man wird normalerweise abserviert.

Wenn 20 Leute im Studium ein Labor machen, sind nur 4-6 „Streber“ („Idioten“ „Nerds“) die es selber machen und der Rest hat die Unterlagen vom Vorjahr abgeschrieben. Das sowas bei Pro-Seminaren, Seminaren, Hausarbeiten, Magister-, Diplom-, Dr-Arbeiten fortgesetzt wird und dort nicht endet, sollte klar sein. Und ja, es gibt auch Labore wo man vorher einer hochnotpeinlichen Befragung unterzogen wird und vorbereitet sein und den jeweiligen Stoff besser mal können sollte. Oder Professoren wie die Professorin die gelegentlich in der ct über 30% Plagiatoren-Quote berichtet, die die Seminar-Texte auch lesen und seltsame Formulierungen oder Stilbrüche im Text einfach bei Google suchen.

Jedes anständige Unternehmen und z.B. Siemens und die Bahn haben Korruptions-Melde-Stellen. Wo ist die Meldestelle für geklaute Dr-Arbeiten oder Insider-Informationen oder geklaute Presse-Texte ? Und zwar anonym und wirksam.
Eine Branche die keine Selbstkontrolle hat, ist wie eine Lebensmittel-Industrie ohne Lebensmittel-Kontrolle: Giftig, schädlich, degeneriert, heruntergekommen und somit überflüssig.

Der DJV sollte über Zuwanderungsbeschränkungen in den Pressestuben nachdenken. Ausbildungsstop bis die Gehälter anständig sind. Schlank und rank statt fett und krank.
Die IGEL(?)-Federation-Foundation sollte innerhalb 3 Wochen ein von heise, CCC und BSI als anonym zertifiziertes remixer-Meldesystem aufbauen, wo man Presse-Diebstähle anonym nachsehen und natürlich melden kann. Dann war es das womöglich für Geld für Schutz vor Leistung. Dagegen wäre GuttisPlagiWiki Peanuts weil der Eisberg ans Licht kommt. Günni hätte damit hundertausende an Abmahnungen verdienen können, wovon 10% an IGEL gegangen wären.

Man bekommt den natürlich völlig falschen Eindruck, das die deutsche Mehrheits-Presse an Informationen überhaupt nicht interessiert ist, die nicht von offiziellen PR-Stellen oder DER Partei kommen. Dann müsste man ja recherchieren statt nur nachzuplappern oder zu copy-pasten.

Man könnte die Leser ja auch Vorschläge machen und mit ihrer Abo-Kunden-Nummer voten lassen. Das könnte zumindest bei der Themensuche etwas entlasten wenn man es schlau genug anstellt. Themenfindung ist ja auch nicht einfach, was dann zum Einsatz von Fremdtexten verleitet. Bei nicht allen Ressorts sind die Themen so klar vorgegeben wie bei Sport, Politik usw. Wenn man diesen Posten durch den Kauf von Berichten ersetzt, wäre das aber nachvollziehbar und oft wohl sogar besser.
Es muss halt auch rentabel sein.

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Abonnent 3. März 2011 um 14:06

meedia.de/details-topstory/article/dieredaktion–post-will-journalismus-retten_100033556.html
DieRedaktion: Post will Journalismus retten

Die Idee aus (1) ist also leicht abgewandelt als Auftrags-Dienst schneller wahr geworden, als üblicherweise. Schade das man es nicht vor einem Jahr ausgedruckt und als Einwurfeinschreiben ans DJV geschickt hat. Dann könnte man jetzt Rücktritte und die Gehälter der gestrichenen Stellen einfordern indem man die Post-Quittungen und das damalige Schreiben an alle Redaktionen emailt. 2 Tage später wenn keine Reaktion kommt, mailt man es an Blogger.

Tja. Schade. Da sollten einige Reporter sich jetzt ärgern. Der Rest wird weiterhin so gut und vorbildhaft wie bisher von Leistungs-Schützern vertreten.

Wieso stellt eigentlich keiner der Qualitäts-Journalisten die Frage, wieso es das nicht schon 1999 im Internet-Hype-1 gab ? In Verbindung mit der lebenslangen Post-Email-Adresse ? SCNR

Was übrigens noch fehlt ist Zweitvermarktung von Artikeln und Freikauf von Artikeln die man dann dort kostenlos lesen darf. Ein Flattr-2 als Anzahlungs-Dienst für so etwas wäre nett.
Sonst kaufen dort ja nur Lobbyisten Artikel ein: „Wie Zigaretten mein Leben verlängerten“, „Wie Atomstrom meine Ehe rettete“ „Warum Hartz4-Senkungen besser sind“ „10000 Gründe wieso Gutti der passendeste Nachfolger für Merkel ist“ und was man von den Simpsons, American Dad, Southpark u.ä. Dokumentations-Formaten sonst noch so als Lobby-Pressetum kennt.

Man sollte an den Blog-Artikel erinnern, wo jemand schrieb, das vermutlich viele freie Journalisten PR-Texte schreiben müssen, um ihre unzureichenden Einnahmen aufzustocken.
Ein gutes BildPresseBlog würde jede Woche die blamabelste Ausschreibung küren, damit man erkennt, was dort teilweise für Texte angefordert werden.

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Frank Schenstroem 6. März 2011 um 14:26

Sowohl das Kopieren von fremden Texten als auch das Auffinden von Plagiaten wird durch das Internet stark vereinfacht. Trotzdem sind auch schon früher einige wenige allzu freche Textkünstler aufgeflogen. In dem hier dokumentierten Fall (von 1998) fand allerdings der Chefredakteur des „Ostfriesland Magazins“ absolut nichts Verwerfliches daran, für die Recherche lediglich ein einziges Buch zu lesen…

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