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In der Serie “Netzwert Reloaded” verfolge ich jeden Montag, was das Team von Handelsblatt Netzwert vor exakt 10 Jahren über das digitale Geschäft schrieb. Alle Netzwert-Reloaded Folgen finden Sie hier.

Langsam wurde im frühen Februar 2001 die Dotcom-Wirtschaft zu einem genetisch bedingt degenerierten Kind der globalen Wirtschaft. Überall zeigten sich deutliche Zeichen der Zermürbung. Zum Beispiel bei den Mitarbeitern. In den USA waren Pink Slip Partys Alltag. Pink Slip waren die Kündigungsschreiben auf billigem, rosa Papier. Und weil es so viele Kündigungen gab, wurde die Arbeitslosigkeit gemeinsam begossen. Allein im zweiten Halbjahr 2000 gab es in den USA 36.200 Kündigungen von Web-Arbeitern.

Ihre Geschichten verfolgte Netslaves.com. Dort berichteten sie über 90-Stunden-Wochen, Nächten auf der Bürocouch, kalten Pizzen und Hasstiraden. Bill Lessard, einer der Gründer des Online-Magazins sagte Netzwert: „Dotcom-Mitarbeiter bekommen eine regelmäßige Gehirnwäsche. Es wird ihnen eingeredet, sie seien Unternehmer statt Arbeitnehmer. Und das ist schlicht und einfach nicht der Fall.“

In Deutschland war diese Überarbeitung noch nicht so extrem zu beobachten. Deutschlands Risikokapitalgeber waren noch flüssig und hatten im vierten Quartal 2o00 noch die Rekordsumme von 473 Millionen DM investiert – das meiste Geld floss damals noch nach Bayern, Berlin belegte Rang zwei, gefolgt von NRW.

Doch viele Startups taumelten schon.

Und das hatte mit dem wackeligen Fundament zu tun. Je mehr Geld sie verbrannten, hatten ihnen auch Investoren eingeredet, desto besser. Also achtete kaum jemand auf etwas profanes namens „Controlling“. Niemand meldete zum Beispiel Zweifel am Gehalt von Letsbuyit-Chef Martin Coles an: Er verdiente 41.000 Dollar – im Monat. Auch um das schnelle Eintreiben der Umsatzsteuer-Rückerstattung kümmerten sich nur wenige – dabei entstanden erheblich Geldlücken. Schauten sich Experten dann die Zahlen an, war es oft zu spät.

Zumindest nach außen ruhig blieben da nur die, die ein besonders großes Ego hatten. Peter Würtenberger, zum Beispiel, Deutschland-Chef von Yahoo. Er gab im Arbeitsplatz-Fragebogen an, sein bevorzugtes Chat-Synonym sei „peterdergrosse“. Darauf einen Lolli:

Oder Bill Gates, zum Beispiel. Der gastierte damals auf einer „Handelsblatt“-Konferenz in Düsseldorf. Olaf Storbeck schrieb über den Auftritt:

„… gab sich der Microsoft-Gründer bestens gelaunt, wortgewandt und höchst visionär. Die XML-Sprache sei das Wundermittel für automatisierte Geschäftsprozesse, Microsofts Dotnet-Strategie – die außer Gates kaum jemand so hundertprozentig versteht – die Web-Revolution schlechthin. Sie verzaubere Microsoft von einem schnöden Software-Lieferanten in einen schicken E-Business-Konzern.

In die Niederungen der Gegenwart ließ sich der Chief Software Architect Microsofts nur kurz und auf Nachfrage aus dem Publikum herab. Mehr hätte auch nur die Laune verdorben. Denn für den Konzern ist das Internet derzeit kein Hort der Freude und Glückseligkeit. Erst gelang einem Microsoft-Techniker die wundersame Leistung, die Internet-Präsenz seines Arbeitgebers weltweit 22 Stunden lang zum Stillstand zu bringen… vom E-Mail Dienst Hotmail über das Portal MSN.com bis zum Reiseanbieter Expedia. Dann brachen an zwei Tagen große Teile der Web-Seiten unter Hacker-Attacken immer wieder in sich zusammen…

Um dieser überraschend schlechten Welt nicht mehr wehrlos ausgeliefert zu sein, heuerte Microsoft den Internet-Dienstleister Akamai an… Vor lauter Visionen wusste sich der größte Software-Konzern der Welt wohl nicht mehr allein zu helfen.“

Zehn Jahre später schloss Microsoft im Mobile-Bereich eine Kooperation mit Nokia.

Lesen Sie kommende Woche aus der Reihe „Sätze, die besser ungesagt geblieben wären“: „Bei uns wird es keine Massenentlassungen geben“, sagte Icon Medialab.


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