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In der Serie “Netzwert Reloaded” verfolge ich jeden Montag, was das Team von Handelsblatt Netzwert vor exakt 10 Jahren über das digitale Geschäft schrieb. Mehr dazu hier.Alle Netzwert-Reloaded Folgen finden Sie hier.

Januar 2001. Jeder kannte jemanden, den es erwischt hatte. Arbeitslos. Eine Betitelung die sich unsere Generation nicht hatte vorstellen können. Ende 20, Anfang 30 – und arbeitslos.

Darauf waren wir nicht vorbereitet. Ordentliches Studium, ein paar Praktika – dann würde es vielleicht eine Durststrecke geben. Aber insgesamt fühlten wir uns gerüstet. Doch nun waren jeder fünfte, manchmal jeder vierte im Freundeskreis ohne Job. Nein, so hatten wir uns das nicht vorgestellt.

Die Netzert-Ausgabe vom 14.1.01 spiegelt die Stimmung wider. Das Team, wenigstens, war um einen Kopf stärker. Zwei Wochen zuvor war Olaf Storbeck dazu gekommen, heute Ökonomie-Experte des „Handelsblatts“ mit Sitz in London.

Anderswo wurde abgebaut und restrukturiert. Die Titelgeschichte der Woche drehte sich um Managementwechsel: GMX, Maxdata, IMH, EM.TV, Softmatic, Beta Systems, Lobster, Letsbuyit – überall wurden Top-Leute gefeuert, oft waren es die Finanzvorstände, gelegentlich sah man sie vor Gericht wieder. Die entstehenden Lücken wurden dann gern mit Interims-Managern gefüllt – ein neues Geschäftsmodell.

Einige waren auch froh dem Job entkommen zu sein.

Loretta Würtenberger, zum Beispiel. Eine Vorzeigefrau der deutschen New Economy war sie: gut aussehend, hoch intelligent, einst mit 25 Jahren schon Richterin. Dann gründete sie mit Studienfreunden den Online-Rabatt-Anbieter Webmiles. Und sie geriet in die Mühlen des Zeitgeistes, berauschte sie wie so viele andere an der eigenen Arbeit – und deren Masse:

„Internet-Partys habe sie nie besucht, erzählt Würtenberger, die seien nicht ihr Ding. Stattdessen habe sie 72 bis 84 Stunden an sechs Tagen in der Woche gearbeitet. Firma und Privatleben waren eins, die Kollegen fast so etwas wie eine Wohngemeinschaft: ,Es war die geilste Zeit, die ich hatte. Es war ein Gefühl wie in der Jugendherberge.“

Zu jener Zeit hatte sie eine Pause eingelegt. Heute berät sie anscheinend in Sachen Kunst. Und das Foto der „Berliner Morgenpost“ aus dem Jahr 2009 zeigt: Wiederkennen würde sie mancher heute vielleicht nicht mehr.

Da passte es, dass die wöchentliche Studie sich um die Fusion von AOL und Time Warner drehte, die gerade durchgewunken worden war. Bei solchen Zusammenschlüssen seien Manager oft heillos überfordert, behauptete die Analyse von Arthur Andersen – und sollte Recht behalten.

Derweil versucht die Politik sich noch immer in das Thema Internet einzuarbeiten. Wie unweit sie gekommen war, beschrieb Kristina Greene für Netzwert. Sie beobachtete den medienpolitischen Sprecher der FDP, Hans-Joachim Otto, bei einem Besuch, pardon, einem „Praktikum“ beim Software-Startups Flatfox.

Dort fragte er: „Muss ich mich bei der Suchmaschine anmelden? Ist sie, äh, aktiviert?…“ Und:

„Der Praktikant verliert seine Motivation zusehends: Es ist schon nervig, wenn man weder das @-Symbol noch die Sende-Taste orten kann. Aber keine Sorge, man hat sich ausgetausch, verstanden, und Otto verlässt das Bürohaus mit ,mehr Gefühl für Unternehmensphasen‘.“ Heute, übrigens ist der Koordinator für die maritime Wirtschaft.

Alles negativ, also? Nein, außerhalb Deutschlands fand sich für Netzwert auch etwas schönes. In Südkorea gab es einen neuen Modehelden: Bill Gates. Die junge Elite des Landes signalisierte ihren Ehrgeiz mit knitterfreien Hosen, offenen Hemdkragen und unpolierten Schuhen – „Gates Fashion“. Kein Scherz – so nannten sie den Trend.

Tja, heute wären wohl eher schwarze Rollkragenpullis gefragt.

Lesen Sie kommende Woche: ein Social Network für Mieter.


Kommentare


Tim 17. Januar 2011 um 19:49

Jugendherberge, genau! So war’s! Heute hingegen kann man jeden beliebigen 19jährigen Gründer ins scharfe Businessplan-Kreuzverhör nehmen und kriegt auf jede Frage eine plausible Antwort. Es ist ein Jammer.

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