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In der Serie “Netzwert Reloaded” verfolge ich jeden Montag, was das Team von Handelsblatt Netzwert vor exakt 10 Jahren über das digitale Geschäft schrieb. Mehr dazu hier. Alle Netzwert-Reloaded Folgen finden Sie hier.

Es rappelt im Hause Metro. Der Handelskonzern trennt sich zu Silvester von Roland Weise, dem Chef der Media Saturn Holding. Ein möglicher Grund könnte dessen zögerliches Agieren in Sachen E-Commerce sein. Denn dieses Feld soll künftig mehr Bedeutung bekommen, wie Kaufhof-Chef Lovro Mandac der „FTD“ verriet.

Nun also Internet. Tatsächlich verzeichnen einige Handelskonzerne dort satte Erfolge. Otto, zum Beispiel. Die Marke Neckermann lebt gar allein dank des Web-Geschäfts.

Doch ein großer Name und reichlich Erfahrung sind nicht immer genug. Davon zeugt auch der Blick in die Netzwert-Ausgabe vom 11.12.2000. Dort portraitierten wir, versehen mit einem ziemlich absurden Yoga-Bild, Patricia und Mel Ziegler. Einst hatten sie die Khakihosen-Träger-Versorgungsstation Banana Republic gegründet und 1988 an Gap verkauft. Nach einem Ausflug in den Teehandel wagten sie sich dann ins Internet-Geschäft.

Zoza.com wurde von den damals nun wirklich zahlreichen Web-Berichterstattern eifrigst beschrieben. Da waren die Produkte, die von der Zukunft kündeten: Hightech-Stoffe verarbeitete Zoza, offerierte als einer der ersten Jacken und Hemden mit Handy-Taschen. Dann die bekannten Gründer mit ihrem Hang zur Esoterik: Keiner der 40 Mitarbeiter trug zum Beispiel im Büro Schuhe, jeden Morgen begrüßten die Chefs ihre Angestellten mit Gongschlag und einem gemeinsamen Teetrinken.

Und schließlich die satte Finanzierungsrunde: 12 Millionen Dollar steckte die Softbank in Zoza. Sie sollten es nie mehr wiedersehen. Wer sich genauer dafür interessiert, welche Fehler Startups der damaligen Zeit machten, der kann das detailliert nachlesen, die Zieglers haben ihre Geschichte der Nachwelt hinterlassen – als Fallstudie:

„While our sales were climbing, our rate of return/exchange went through the roof. The failure of the design department to manage sizing was causing an 80% return rate in a number of Spring 2001 styles.

At that point the Walking Company seemed to get cold feet.

In reality they decided to wait until we went under, and to selectively buy assets at firesale prices. A small number of the ZoZa design team, exclusive of the Zieglers, were hired by The Walking Company and have set up a design shop in southern California.

A few weeks after we went under Xuma, our back-end development and managed hosting firm, also went under.

Our technology assetts were sold by the same liquidators.“

Jene Ausgabe von Netzwert hatte für mich selbst langfristige Folgen. Sie war eines der Saatkörner für Indiskretion Ehrensache. Denn sie nahm mir ein Stück Respekt vor der großen journalistischen Marke „Wall Street Journal“.

Das „Handelsblatt“ kooperierte mit dem „WSJ Europe“, zwischenzeitlich gab es auch eine Überkreuz-Beteiligung. Wir übernahmen also regelmäßig Stücke der Amerikaner, übersetzten sie (zeitweilig beschäftigte das „Handelsblatt“ dafür eigene Redakteure) und reicherten sie an. In der Produktion jener Ausgabe kam der geschätzte Kollege Burkhard Ewert grummelnd zu mir und beschwerte sich über eine „WSJ“-Geschichte. Die hatte toll geklungen: In einigen US-Großstädten, schrieb der Autor, würden Kabel mit lang gezogenen Robotern verlegt, die durch die Kanalisation führen. Dies sei weitaus billiger als das Graben eigener Schächte.

Ewert recherchierte nach und stellte fest: Die Amis waren nicht führend in dieser Technologie – sondern weit zurück. Und die Berliner Robotics Cabeling war gar ein führender Anbieter weltweit. Entsprechend erbost reagierte deren Chef, als wir ihn mit der „WSJ“-Story konfrontierten: Während die Amerikaner gerade mal einige hundert Meter Kabel geschafft hatten, hatte Robotics zu dieser Zeit ein 4,5-Kilometer-Projekt in Kanada vollendet.

Das „WSJ“, also, das sich so rühmte eine großartige Dokumentation zu haben nach dem Motto „We check, re-check and then we check again“ war auf die PR eines kleinen Kabelunternehmens hereingefallen. Es war eine Lehre fürs Leben.

Das galt auch für die Titelgeschichte jener Ausgabe. Da ging es um eine EU-Richtline, die mehr Verbraucherschutz schaffen sollte. Wer im Internet etwas bestellt hatte, konnte nach dieser Richtline das liefernde Unternehmen in seinem Heimatland (also dem des Konsumenten) verklagen.

Klingt gut – ist faktisch aber eine gute Chance auf Chaos. Denn in Details unterschied sich die Gesetzgebung eben immer noch in einzelnen Ländern. In Spanien war zum Beispiel der Versand von Lebensmitteln untersagt. Auch die Garantiefristen unterschieden sich. Und: Jene neue Verordnung war eine Modernisierung der Amsterdamer Verträge, denen sich Dänemark nie angeschlossen hat. Es drohte somit keine Vereinheitlichung der Regeln – sondern eine Rückkehr zum Schlagbaum.

Lesen Sie kommendes Mal (allerdings erst am 23.12.): Als die Steine schwimmen lernten.


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