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Man sieht förmlich, wie Paul Graham mit den Achseln zuckt, während er seinen Blog-Eintrag schrieb: „There’s not much we can learn from Yahoo’s first fatal flaw.“

1998 kaufte Yahoo Grahams Firma Viaweb, aus ihr wurde der Yahoo Store. Graham hat nun seine Erlebnisse aufgeschrieben, zunächst einmal eine interessante Lektüre für all jene, die sich für den violetten Konzern interessieren. Tatsächlich aber ist da mehr. Denn Print-Verlage können zwischen den Zeilen eine Menge lernen.

Da ist zum Beispiel Grahams Wahrnehmung der Anzeigenverkäufer von Yahoo in den bunten Tagen der New Economy. Die seien nicht sonderlich kreativ gewesen:

„Led by a large and terrifyingly formidable man called Anil Singh, Yahoo’s sales guys would fly out to Procter & Gamble and come back with million dollar orders for banner ad impressions. The prices seemed cheap compared to print, which was what advertisers, for lack of any other reference, compared them to.“

Das erinnert an die Situation in vielen Print-Verlagen. Auch dort sind Anzeigenaußendienstler es gewöhnt, zum Kunden zu reisen und einfach einzusammeln. Oder im Büro zu warten, dass die Buchungen eintreffen.

Diese Bequemlichkeit der Einnahmen hat dann Yahoo insgesamt faul gemacht, meint Graham. Die Technik habe nicht die nötige Bedeutung gehabt:

„If circumstances had been different, the people running Yahoo might have realized sooner how important search was. But they had the most opaque obstacle in the world between them and the truth: money. As long as customers were writing big checks for banner ads, it was hard to take search seriously. Google didn’t have that to distract them.“

Auch das lässt sich mit Verlagen vergleichen. Kaum einer, der fähige Programmierer beschäftigt. Nicht die technische Seite von Online-Auftritten ist interessant, sondern allein die Artikel – wenn überhaupt. Die Verlage kennen die Dienstleister-Märkte nicht, viele zahlen Unsummen für technisch rückständige Mobile-Apps. Dass die rückständig sind, erkennen sie nicht mal: Es fehlt ihnen das Wissen über den Stand der Technik.

Auch die Selbstwahrnehmung Yahoos sorgt für ein Déjà-vu:

„One of the weirdest things about Yahoo when I went to work there was the way they insisted on calling themselves a „media company.“…

One reason was the way they made money: by selling ads. In 1995 it was hard to imagine a technology company making money that way. Technology companies made money by selling their software to users. Media companies sold ads. So they must be a media company.“

Auch bei vielen Verlagen war zeitweilig der Verkauf von Anzeigen der wichtigste Lebenszweck geworden. Den Werbetreibenden wurde jeder Wunsch erfüllt, egal ob es merkwürdige Formate waren, gezielte Platzierungen oder die Vermischung von Redaktion und Werbung – alles ging. Dann brachen die Anzeigen trotzdem weg. Und nun redet zumindest mancher wieder mehr über die Qualität der Inhalte. Dummerweise sind die zurechtgestutzten Redaktionen oft nicht in der Lage diese zu liefern.

Und so schloss sich auch bei Yahoo die Schleife, die wir aus der Print-Welt kennen:

„The worst consequence of trying to be a media company was that they didn’t take programming seriously enough.“

Tja, vielleicht sind Print-Verlage so etwas wie das nächste Yahoo: einst groß, prinzipiell sympathisch, starke Marken – aber zu behäbig um auf eine veränderte Welt zu reagieren.


Kommentare


Felix Nagel 13. August 2010 um 15:37

Du solltest dringend auch nochmal diesen Artikel lesen.
http://www.heynorton.org/post/942244952/what-happened-to-yahoo

Auch wenn es stimmt. Die meisten Verlage nennen nur eine winzige Belegschaft an Techis ihr eigen. Dabei betreiben sie alle große Onlineauftritte — die alle Verbesserungswürdig sind.
Dutzende externe Scripts, Styles und Flash machen das surfen auf den Seiten oft zur Qual.
Auch hier leidet die Qualität (die technische) massiv an der Werbung.

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Oma Schmitz 13. August 2010 um 17:20

Gut erkannt. ich hätte gerne auch die älteren Artikel gelesen, die scheinen aber alle nicht mehr verfügbar zu sein. Wozu werden dann aber die toten links so ordentlich aufgelistet?

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André 16. August 2010 um 9:10

Oma Schmitz: Die Artikel sind noch da, werden durch einen technischen Umzug nur falsch verlinkt.

Ich hab Thomas Knuewer Bescheid gesagt!

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Thomas Knüwer 16. August 2010 um 9:33

@Omaschmitz: Ist jetzt korrigiert. Beim Umzug von Blogg.de/Handelsblatt hierher sind nicht alle Links korrekt übergekommen. Vor allem jene Überschriften, die Satzzeichen enthalten, haken oft. Ich freue mich über Hinweise – dann ändere ich das von Hand.

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Die Links des Tages vom 16.08.2010 | HNA Watchblog – Zeitungskritik online 16. August 2010 um 15:01

[…] – Was Verlage von Yahoo lernen können Aus der Sicht eines Insiders… Schlagworte (Tags): marketing […]

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Linktipps vom 16. August 2010 » Blog & White 16. August 2010 um 18:04

[…] Was Verlage von Yahoo lernen könnenAus der Sicht eines Insiders…(Tags: marketing yahoo,) […]

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Matthias 17. August 2010 um 0:16

Danke für den Hinweis auf den guten Artikel von Paul Graham!

Nur die Analogien zu Verlagen finde ich sehr bemüht und gehen an den Aussagen des Artikels ziemlich weit vorbei.

Zentrale Aussage von Graham ist doch: es gibt Software-/Technologie-/Hacker – Kulturen. Und Medien-Kulturen. In der einen haben Techniker das sagen, in der anderen Anzugträger („suits“). Yahoos Fehler war es nun, zu versuchen, ein Medien-Unternehmen zu sein, und so von den Unternehmen mit Hacker-Kultur (Google, facebook) abgehängt worden zu sein.

Das ist natürlich richtig und gut beobachtet, auch wenn es andererseits aus heutiger Sicht nun auch ziemlich offensichtlich ist. Yahoo hat sich zu lange für die falsche Identität und damit Kultur entschieden – ein internationarl agierender Internetkonzern muss nach heutigem Kenntnisstand vom Selbstverständnis her ein Technologie-Unternehmen sein.

Was kann man aus dieser Beobachtung für Verlage ableiten? Genau: gar nichts. Denn das sind ja eben Media-Companies mit Media-Company-Culture. Die stehen ja nicht an einer Schwelle, wo sie sich für die eine oder andere Seite entscheiden müssen. Die haben ja ihre Firmenkulturen über Jahrzente entwickelt. Ob es nun schlau ist, solche gewachsenen Firmenkulturen über Bord zu werfen (abgesehen davon, ob das überhaupt geht, wie lange das dauert usw…) – davon handelt der Artikel von Graham doch gar nicht.

Klar, mehr Technikverstand usw. ist für das Internetgeschäft hilfreich, keine Frage. Aber diese Binse nun aus diesem Graham-Text zu destillieren, ist ziemlich weit an seinen Kerngedanken vorbei.

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