Sie kennen Starbucks, klar. Coca-Cola. Ford. Aber kennen Sie Indium?
Wahrscheinlich nicht. Indium gehört zu jenem Teil der Wirtschaft, der oft hinten überfällt in der breiten Öffentlichkeit: den B2B-Unternehmen. Also jene Anbieter, deren Produkte nicht an Endverbraucher geht, sondern an andere Unternehmen. Ihr Geschäft ist weniger sexy und weniger schnellebig – weshalb es oft in der medialen Berichterstattung übersehen wird. So hat sich bei den Unternehmen selbst die Haltung herausgebildet, dass öffentliche Kommunikation abseits der PR-Arbeit mit Fachblättern und der Werbung für B2B-Kunden vernachlässigbar ist.
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Deshalb auch liegt B2B in Sachen digitale Kommunikation zurück. Und Social Media? Scheint für viele Entscheider nicht interessant.
Das könnte die falsche Einstellung sein. Zum einen, weil sich schon heute Chancen bieten (und das bei einem überschaubaren Mitteleinsatz), zum anderen weil sich der Markt für B2B-Produkte gerade weltweit verändert.
Was möglich ist, das zeigt eben Indium.
Der Konzern aus Utica, New York, stellt Metalllegierungen, Lötmetalle und ähnlich Produkte her. Indiums Ausgangsposition vor einigen Jahren gleicht der vieler anderer B2B-Unternehmen: Die Kunden sind mehr oder weniger bekannt, ihre Zahl ist überschaubar. Auch wer die Konkurrenz ist, ist kein Geheimnis. So läuft oft in solchen Branchen ein Nullsummenspiel: Mal gewinnt der eine einen Auftrag hinzu, dann der andere, große Marktanteilsverschiebungen sind aber nur durch außergewöhnliche Innovationen möglich – und die sind selten. Gleichzeitig ist das Verhältnis zwischen den Einkäufern und den Anbietern relativ eng. Zum einen, weil die Beziehungen zueinander seit Jahrzehnten bestehen, zum anderen weil der Kaufprozess komplexer ist als bei Konsumgüterfirmen, mehr Abstimmungen und Preisverhandlungen braucht.
Diese verkrusteten Strukturen brechen derzeit auf. Denn in den Emerging Markets entstehen seit einigen Jahren neue Abnehmer. Kunden, von denen man nicht mal gehört hat, die keine langfristigen Bindungen besitzen, die komplett neu an den Einkauf ihrer Produkte gehen. Und: Sie selbst sind sich unsicher, wer der richtige Anbieter sein könnte.
Was tun sie, um Produkte zu finden? Das, was alle machen, wenn sie etwas suchen: Sie googeln.
Das zeigt auch eine Befragung der US-Beratung Demand Gen unter B2B-Einkäufern: Die Auskunftgeber erklärten, ihr Einkaufsprozess werde immer fragementierter und offener. So wie Konsumenten nach Informationshäppchen suchen, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen, tun dies inzwischen auch jene, die für größere Investitionen zuständig sind.
Fündig werden sie – doch die Masse des Materials zu den speziellen Bereichen wie Metalllegierungen ist weitaus überschaubarer als beim Kauf neuer Reifen oder Handys.
Genau das hat Indium erkannt. So entstanden schon vor einigen Jahren Blogs. Nicht zwei oder drei, nein Dutzende sind es heute – zu hoch speziellen Themen. Erreichen sie tausende und zehntausende von Lesern? Garantiert nicht. Aber jene, die sie erreichen haben ein hohes Interesse an den gelieferten Informationen.
Indium selbst bezeichnet die Blogs als großen Erfolg, sowohl als Instrument der Neukundengewinnung wie auch als Betreuung bestehender Abnehmer. Mehr dazu in einem Interview mit Rick Short, dem Kopf hinter den Indium-Blogs.
Einen B2B-Lieferanten über das Internet finden – das klingt utopisch? Vielleicht. Faktisch aber scheint es schon Alltag zu sein, wie eine Befragung von 750 B2B-Entscheidern im Rahmen einer Studie von Virtual Identity ergab: 85% von ihnen gab an, im Netz schon fündig geworden zu sein. 28% von ihnen beteiligt sich übrigens schon aktiv an Diskussionen im Web.
Es geht also was. Und das merken nun auch die B2B-Unternehmen selbst. Exemplarisch zeigt das eine Umfrage der Unternehmensberatung Creative 360, die 110 B2B-Marketing-Verantwortliche abhorchte. Während heute 63% Social Media für weniger wichtig oder unwichtig erachten, halten 83% den Bereich bis zum Jahr 2012 für wichtig oder oder sehr wichtig. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der weiter gefasste B2B-Online-Monitor von Die Firma: 94% der Befragten glauben, dass innerhalb der kommenden drei Jahre der Online-Bereich die Führung in der Kommunikation übernehmen wird.
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Und was sollen sie nun tun, die B2B’ler?
– Fach-Positionierung:
Nicht nur Blogs bieten eine Möglichkeit, sich als Experte zu positionieren. Auch Videos können dabei helfen: Sauber gemachte Erklär-Filme, die entsprechend verschlagwortet werden, machen B2B-Anbieter auch über die zweitgrößte Suchmaschine der Welt auffindbar – Youtube.
– Helfer -Positionierung:
Während Blogs eine eher abwartende Kommunikation sind – der Leser muss zum Unternehmen kommen – besteht auch eine Chance im Social Media Monitoring. Sprich: Unternehmen können aktiv fachspezifische Seiten wie auch allgemeine Social-Media-Seiten nach Menschen durchsuchen, die fachlichen Beratungsbedarf haben und auf sie reagieren.
– Dienstleister-Positionierung
Der Informationsfluss innerhalb von B2B-Branchen ist meist recht langsam. Häufig sind gedruckte Fachmagazine die bestimmenden Informationsfilter, auch wenn die Zahl der Online-Angebote steigt. Ist ein Unternehmen bereit, die Konkurrenz neutral wahrzunehmen und sie nicht als Lord Voldemort zu behandeln, besteht die Chance, sich über eine Nachrichtenseite und/oder E-Mail-Newsletter als branchenkundig, kompetent und hilfsbereit zu positionieren.
– Recruiting
Gerade mittelständische B2B-Unternehmen können im Kampf um die besten Nachwuchskräfte nicht mithalten gegen die großen Ingenieurs-Staubsauger wie Siemens. Auf digitalem Weg lassen sich frühzeitig Kontakte aufbauen ohne auf teuren Messen präsent sein zu müssen. Wie wichtig das digitale Personalmarketing sein kann, demonstriert der Otto-Versand: Jeder vierte neu eingestellte Mitarbeiter hatte zuerst via Social Media Kontakt mit Otto, sagte Kommunikationschef Thomas Voigt beim Kongress „PR in der Handelsbranche“ vom EHI Retail Institut.
Dies sind nur einige Beispiele für das, was möglich ist. Bleibt nur ein Problem: die Mitarbeiter. Sie sind die Experten, die ran müssen – und dafür eher unterdurchschnittlich motiviert sind. Indium-Mann Short verrät seine Methode:
„My tactic is to reduce the process down to a very simple form, an inarguable form. In the case of my staff, it almost has to be a mathematical equation. Remember, my staff, and our customers, are extremely sophisticated, well-educated, and technologically astute. They seek and value data and logic, not warm fuzzies.
So, I break it down to this: products and technology generate content (meaningful information) which generates (customer) contact which generates profitable sales. Then, I demonstrate how easily my staff’s hard-earned and extremely-valued content is purveyed via blogging (and other social media). Next, I use some anecdotes relating to the effect of delivering a white paper at a technology symposium, or having it printed in a trade journal versus having online, syndicated, and searchable for years and years.
Eventually, these smart people see that blogging thrusts them and their content into the spotlight in a long-term, efficient manner. They quickly get it.“
Kommentare
Mika 30. Juni 2010 um 19:43
Schöner Artikel. Die Tendenz im B2B-Bereich entspricht einer Tendenz, die gesamtgesellschaftlich zu beobachten ist. Da es eben letztlich eben Menschen sind, die handeln, machen neue Entwicklungen dann eben auch vor niemandem Halt. Unternehmen sind letzlich soziale Konstrukte.
Die Entwicklung geht also insgesamt eher in Richtung Transparenz und Offenheit. Finde ich selbst auch gut.
Kleine Krititk: Das gewählte Foto ist ein bisschen witzig: B2B fängt nicht erst bei der Rohstoffgewinnung an. Quasi fast alles was in Handys, Autos, Laptops oder sonstwo drin ist B2B – solange bis am Ende der Stern ans Auto oder der Apfel hinten aufs Telefon kommt. Und auch danach: Alles B2B – Vertrieb, Logistik, Marketing, Verkauf.
Andreas Leonhard 1. Juli 2010 um 9:17
Danke für diesen sehr guten Artikel zum Thema B2B und Social Media. Unsere Teilnehmer bei der Social Media Akademie fragen oft nach Beispielen aus diesem wichtigen Bereich, die leider (gerade auch in Deutschland) noch sehr selten sind. Ich bin mir auch sicher, dass immer mehr B2B Unternehmen in den kommenden Monaten/Jahren erknnen werden, welche Chancen auch für Sie in Social Media liegen. Werde daher Deinen Artikel gleich mal auf unserer Fanpage posten!
Ulli 1. Juli 2010 um 11:22
Der Artikel spiegelt genau das wieder, was wir in unseren täglichen Gesprächen mit Kunden oder potentiellen Kunden im BtoB Sektor hören. Hier ist noch eine Menge Überzeugungsarbeit zu leisten.
Veit Mathauer 4. Juli 2010 um 22:34
Sehr schönes Beispiel! Ich sehe im B2B-Umfeld mindestens so viele Einsatzszenarien für Social Media wie bei B2C, auch wenn nicht alle immer sofort auf der Hand liegen. Da viele B2B-Unternehmen dem Mittelstand angehören, sind ein Problem die Ressourcen für Social Media Relations (quantitativ wie qualitativ); ich bezweifle, dass es in allen Unternehmen so gut klappt wie in dem von Rick Short. Da bedarf es noch viel Aufklärungsarbeit und „Change“. Vielleicht bietet es sich ja an, Social Media zunächst intern einzusetzen und die Mitarbeiter vom Nutzen zu überzeugen.
Social Media: Des Kaisers neue Kleider. « Sprechblase 28. Juli 2010 um 21:49
[…] Thomas Knüwer, „B2B und Social Media – ein Markt wacht auf“ […]
Top 3 Social Media B2B Kampagnen 24. September 2010 um 11:02
[…] ein Konzern aus New York, der Metalllegierungen, Lötmetalle etc. herstellt stellte sich der eingefahrenen B2B Situation. Die Arbeit wird vielmals bestimmt von immer gleichen Kunden und immer gleichen Prozessen. Indium […]
Was ist Content Marketing? 20. Februar 2013 um 20:21
[…] Wie B2B-Kunden über Content gebunden und gefunden werden können demonstriert seit Jahren der Lötpaste-Hersteller Indium mit seinen Ingenieurs-Blogs (die längere Beschreibung gibt es hier). […]
Wie us-amerikanische Unternehmen Content Marketing nutzen — Blattwerk Kommunikation 19. Juli 2013 um 10:38
[…] Wie erfolgreich Content Marketing auch in sehr speziellen Wirtschaftsnischen sein kann, hat Thomas Knüwer auf seinem Blog ja schon vor rund drei Jahren […]